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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0046
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4614

~ae> Bergarbeiter. <s~

„Wie einem die Sonne wohltuk!"

„Nur schade, daß wir sie erst dann genießen können, wenn wir streiken!'

Kohlengräberlied.

Seht es, in Elend und Jammer
Werden wir aufgesäugt,

Seht es, durch Elend und Jammer
Werden wir früh gebeugt
Über der Erde.

Wißt es, in tiefdunklen Schachten
Schaffen wir uns das Brot,

Wißt es, in tiefdunklen Schachten
Droht uns ein schlimmer Tod
Unter der Erde.

Lört es, das Los uns zu bessern,
Sind unsre Fäuste geballt.

Lvrt es, um uns zu bessern,
Werden wir niedergeknallt
Über der Erde.

Glaubt es, besser rasch sterben!
Todfurcht ist unser Sein.

Glaubt es, erst nach dem Sterben
Ruhe wir finden im Schrein
Unter der Erde.

Fürchtet's: unsere Gräber
Mahnen ein kommend Geschlecht.
Fürchtet's: daß es die Gräber
An unfern Mördern rächt
Über der Erde.

Der Wergherr spricht!

Frei nach Geheimrat Rirdorf.

Bedenkt, ihr Leute, teuer ist die Zeit.

Was ficht euch a», auf einmal1 auszumucken,

Wo sich vor unsrer Geldsackherrlichkeit
Sogar der mächt'gc preuficnstaat must ducken!

Ihr faselt uns von Ehre, Menschenrecht,

Und hakt auch sonst noch allerhand Beschwerden
Ihr Halit zuviel Gefühl und rechnet schlecht.

Was soll aus untrer Dividende werden?

Oie Dividende ist das höchste Gut
Und eure Pflicht ist's, stetig sie zu mehren;

Und hakt dazu ihr nicht mehr Draft und Blut
Dann könnt ihr euch getrost zum Teufel scheren

Haiti nackt müstt ihr im hcisten Stollen stehn?

Bei Gott! Wir stöhne» unter gleichen Leiden.
Wenn unsre Äauen mal zu Hose gehn
Dann dürfen sie sich auch nur halb bekleiden

Und kurz und gut: verhandelt wird hier nicht!
verhandelt werden hier nur gute Ruren.

Und Ijörf: Wir halten fürchterlich Gericht
Mit jedem, der hier fürder wagt zu muckse»!

Oie Herrn sind wir! Ihr aber seid uns Unecht!
Wir lockern nicht die straffe Sklavenkette.

Und ist auf eurer Seite auch das Recht,

Auf untrer Seite sind — die Bajonette! s. s.

Wie wir aus den bekanntlich bestunterrichteten „Lokal-
anzeiger"-Kreisen erfahren, ist die Gründung des oben
abgebildeten, den eigentümlichen Verhältnissen auf dem
füdweftafrikanischen Kriegsschauplatz vorzüglich ange-
paßten neuen Ordens geplant. Derselbe hat den Vor-
zug, daß er auch nach dem Tode verliehen morden kann.

Kunstpflege.

Bekanntlich verdankt Berlin den Ruf, die
schönste und imposanteste Stadt der Welt zu
sein, nicht in letzter Linie seinem Reichtum an
monumentaler Plastik. Diese Erkenntnis ist
den Vätern der benachbarten Residenz Char-
lottenburg ein Ansporn gewesen, auch ihrer-
seits auf demselben Wege ähnlichen Ruhm zu
erwerben. Da aber Charlottenburg an herz-
erhebenden dynastischen und kriegerischen Er-
innerungen mit Berlin nicht wettzueifern ver-
mag, so hat man hier mehr die marmorne
und bronzene Verherrlichung bürgerlich-kom-
munaler Männertugenden ins Auge gefaßt.
Diesem Zweck wird in besonders charakteristi-
scher Weise der geplante „Elefanten-Brunnen"
dienen. Bei aller Anerkeilnung des herrlichen
Kunstwerkes ist man in Kennerkreisen aber
über die eigentliche Idee und Tendenz der
Arbeit doch noch im Zweifel. Man weiß
nicht recht, ob durch die plumpe Ungeschlacht-
heit des Elefanten die Macht des liberalen
Geistes, der die Charlottenburger Stadtver-
waltung beherrscht, oder durch die sonstigen
Eigenschaften des Dickhäuters das empfind-
liche Zart- und Feingefühl, das der Magistrat
jüngst in dem bekannten Schulkonflikt gegen-
über den Nackenschlägen und Rippenstößen
der Regierung bekundet hat, geistreich personi-
fiziert worden ist. j. s.

wir empfehlen: Das Arbeiterrecht von A. Stadthagen. 4. Auflage, preis broschiert Ulf. 5.60, gebunden Nk. 7.—.
 
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