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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0057
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— 4625

Das Begräbnis des Kiinftlers.

legen Menzel beteiligt, Lerr Professor?»

„Das ging ja nicht — war für Zivilisten polizeilich gesperrt!*

m Robelfpäne. eT

Zu Hunderten hat man hinausgefahren
Die Opfer alle, die gefallen sind —

Den rüst'gen Mann, den Greis in Silber-
haaren

Die junge Mutter und ihr bleiches Kind,

Und dennoch kommt dieZeit, wo man den Osten
In der Kultur bewegte Strömung zerrt,
Wo auch die Muschiks von der Bildung kosten,
Von der man Rußland herrisch ausgesperrt.

Dann wird das Reich von Chören widerhallen,
Die Dankgefühlen Wort ,und Ton verleihn,
Dann wird ganz Rußland denen, die gefallen,
Als Märtyrern verdiente Ehren weihn.

Das arme Berlin hat in der Zirkus Busch-Woche die ganze Not
der deutschen Landwirtschaft verspüren müssen; verschiedene Land-
wirte konnten nicht mehr bar bezahlen und müssen nun neue Hypotheken
aufnehmen. Es ist daher höchste Zeit, daß das Reich die Bezahlung
aller Schulden der ländlichen Grundbesitzer übernimmt.

Die akademische Freiheit Fürs Saufen und fürs Raufen

Wird viel im Mund geführt War stets die Bahn wohl frei,
Und dennoch hat in Wahrheit Es wird den Guten zum Tröste

Sie niemals existiert. Auch lang noch bk eiben dabei.

Jedoch des Geistes Freiheit
Hat niemand noch gebracht,

Stets haben Professoren
Die krümmsten Rücken gemacht.

Die mutigste Partei des Reichstags sind die Freisinnigen, Gegen
die Handelsverträge grimmig zu reden und dann für dieselben zu
stimmen, dazu gehört zweifellos noch „Mannesmut".

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Abg. Lenzmann (Freis, Volksp,): Ich richte
an die Vertreter der Regierung die dringende
Frage, wie es kommt, daß Träger einen Orden
bekommen hat und ich nicht? Wenn ich auch
keineswegs die Verdienste verkenne, die sich
der genannte Kollege durch seine Behandlung
der Mirbach-Interpellation um den Seelen-
frieden unserer Minister erworben hat, so
möchte ich aber doch auch meinerseits in aller
Bescheidenheit auf die Liebkosungen Hinweisen,
die ich, und dazu kurz vor deni Ordensfest,
der Justizverwaltung angedeihen ließ, (Sehr-
richtig! bet den zwei Freisinnigen.) Ich werde
mich hüten, der Regierung in brenzliche»
Situationen noch einmal gratis und unent-
geltlich aus der Patsche zu helfen. Einmal
und nicht wieder ersterbe ich in Ehrfurcht-

Präsident GrafBallestrem: Ich ersuchede»
Redner, nicht in die geschäftsordnungsmäßi-
gen Funktionen des Präsidiums einzugreifen.

Reichskanzler Gras Bülow: Zur Beruhi-
gung des sehr verehrten Herrn Vorredners
kann ich die Versicherung geben, daß die
Regierung nach wie vor stets bemüht ist, in
bezug auf Verleihung von Auszeichnungen den
weitgehendsten Anforderungen gerecht zu
,verden. Stößel und Nogi haben bereits ihren
Pour le merite, und - wie ich Ihnen ver-
raten darf — steht die gleiche Auszeichnung
für Pobjedonoszew und Priester Gapon un-
mittelbar bevor! (Große Bewegung und Hände-
klatschen auf allen Setten des Hauses.)

Die namentliche Abstimmung ergibt die
geschäftsordnungsmäßige Beschlußunfähigkeit
des hohen Hauses. Die Sitzung wird auf
den Fasching 1906 vertagt, j.s.

Höfisches.

Die sächsische Hoftugend hat einen neuen
Anfall bekommen. Der Feldzug gegen die
Gräfin von Montignoso ist wieder im Gange.

Daß es manchen lutherischen Pastor juckt, die
hohen Herrschaften einmal so zu striegeln, wie
er's mit der bäuerischen Tugend macht, wenn
sie in einer fidelen Stunde das Fleisch zu
kreuzigen vergaß, ist klar. Aber fürstlichen
Herrschaften gegenüber darf es eben nieman-
den jucken! Die Verhältnisse sind hier auch
so kompliziert, daß der Hans nicht immer leicht
die Grete kriegt. So sträubt sich zur Stunde
der belgische König dagegen, daß seine Tochter
Klementine die Gattin des bonapartistischen
Prinzen Victor werde und ein Brüsseler Blatt
setzt ernsthaft auseinander, es müsse halt oben
die Liebe der Pflicht geopfert werden. Der
Hans behilft sich alsdann oft mit einer andern
Grete man kennt das auch in Deutsch-
land — worauf dann Kinder verschiedenen
Ranges erblühen: Pflichtexemplare und
Freiexemplare.

Lieber Jacob!

Also ooch uff de russische Pollezei is jetz
keen Verlaß nich mehr. Da kann sich schließlich
keener nich wundern, wenn det Vertrauen zu
de sittliche Weltordnung in immer weitere
Kreise flöten seht. Wie konnte det bloß pas-
sieren, frage ick mir, dat se so'n richtijen,
ausjetrageneu Jroßfürschten, wie diesem mit
Recht so beliebten Serjius, mir nischt dir
nischt ohne pollezeiliche Jenehmijung in de
Luft sprengen? Det 'n russischer Machthaber
in diese zweifelhaften Zeiten den Kopp ver-
liert, finde ick bejreiflich — aber ooch jleich
de Arme un de Beene! Aber Jottseidank, de
allerheechste Brieftasche haben se jerettet. Se
war janz jespickt voller Rubelnoten un soll
ziemlich hoch jeflogen sind. Aber wie de
Pollezisten ihr wieder ausjeliefert haben, war
se uff eenmal leer jeworden. Ick jloobe be-
stimmt, det is von den starken Zugwind je-

kommen, der hat de» janzen Inhalt raus-
jeblasen un bloß de Pelle iebrig jelassen. De
Pollezei soll sich sehr ieber den merkwirdijen
Vorgang jewundert haben.

Inzwischen hat nu ooch det feierliche Be-
jräbnis von den in Jott Verblichenen statt-
jefunden. Et soll 'ne erjreisende Volksfeier
jewesen sind. Alle Witwen un Waisen von
die Zweetauseud, die am 22. Januar in Peters-
burg erschossen wurden, sollen den Trauerzug
jefolgt sind — in dankbarer Anerkennung der
Verdienste, die sich der edle Serjius um die
beschleunigte ewije Seligkeit ihrer verstorbenen
Anjeheerijen erworben hatte. Man kennte ieber
det frühzeitije Abscheiden dieses Mannes un-
tröstlich sind, wenn eenen nich die Jewißheit
uffrecht erhielte, det et von die Sorte an'n rus-
sischen Hof noch immer 'ne schwere Menge
jibt un der Verlust also nich unersetzlich is,
Meeje die andern ihr jottwohljefällijet Walten
ebenfalls jut bekommen!

Wat der Zar is, den soll et in Rußland
jar nich mehr jefallen. Der Mann is bekannt-
lich immer sehr for de Jemietlichkeit un for
dem Weltfrieden jewesen, un da is et keen
Wunder nich, det een Land, wo immerzu nach
auswärts jlorreiche Krieje jefiehrt un nach
einwärts Bomben jeschmifsen werden, ihn uff
de Dauer nich zusagt. Er hat nu beschlossen,
nach Kopenhagen auszuricken, wo er'ne Tante
oder 'nen Onkel zu wohnen haben soll. De
Kopenhagener sin schon janz kindisch vor Ver-
jniejen ieber den anjenehmen Jast. Se wer-
den ihm jedenfalls mit Ehrenpforten un Ehren-
jungfrauen empfangen, un einije von seine
dankbare Untertanen sollen de Absicht jehabt
haben, ihm mit'» Feierwerk zu bejrießen -
wat aber de Pollezei nich zujelaffen hat.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke

an'n Jörliher Bahnhof, jleich links.
 
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