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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0085
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4653 . ---

05 Hbgebtibt. eT

La France: Nein, mein Freund, nichts wird gegeben — deine Niusik
gefällt mir schon lange nicht mehr!

05 Robelfpätie.

Heil und Glückauf den „gelben Affen", die
Den Kurop atkin auf das Haupt jüngst schlugen!
Der Riesenbau der Zaren-Despotie
Er kracht und stöhnt seitdem in allen Fugen.

Da helfen Heil'genbilder nicht, noch Schnaps,
Noch das Geplärr von ungezählten Pfaffen
Von einem Alp erlösen uns die „Japs"
Und wir bekränzen dankbar ihre Waffen.

Noch einen letzten Stoß! Entlaßt sie nicht
Aus eurem engen Kreis von Stahl und
Flammen!

Ein Berg von Schande und Verachtung bricht
Dann überm Zarenregiment zusammen.

Gute Bediente zu bekommen wird immer schwieriger — das kommt
vom Verfall der nationalliberalen Partei.

Herr Mugdan ist ein tapfrer Mann,

Der niemals unterliegen kann;

Er sagt von sich zu jeder Frist,

Daß Sieger er geblieben ist;

Er läßt sich sein Siegergefühl nicht rauben —

Nur fragt sich, ob andre auch daran glauben!

Russische Offiziere haben einen Eisenbahnzug voll Insektenpulver
verlangt. Sie hoffen, mit diesem Pulver mehr Erfolge zu erzielen,
als mit dem Schießpulver.

Alle Heuchler, alle Mucker,

Faule Dividendenschlucker,

Oberprotzen und Philister,

Und verkommnes Schmockgelichter —

Das macht zu des deutschen Geistes Verheerung
Jetzt alles in großer Schillerverehrung.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

tages Schillers handelt. Ein Sterbetag ist
aber ein Trauertag und auch eine Desertion
ist kein freudiges Ereignis. Daraus folgt,
daß eine dreitägige Hof- und Armeetrauer
dritten Grades für den Dichter sowohl wie
für den Soldaten Schiller die geeignetste
Feier ist."

„Famos! Ich bewundere Ihren Geist, Herr
Präsident. Bringen Sie mir bei der nächsten
Ordensverteilung doch Ihre werte Person
rechtzeitig in Erinnerung."

Schrecklich!

Run geht die Welt bald aus dem Leim —
Hegt Zweifel dran noch wer?

Denn die Berliner Schutzmannschaft
Wird „revolutionär".

Will streiken sie um höhern Lohn?

Dann Vaterland, ade!

Schon hat gebildet keck sie ein
„Geheimes Komitee!"

In höh'ren Regionen ist
Darob man sehr erschreckt,

Man hat dies schlimme Komitee
Roch immer nicht entdeckt.

Spießbürger bei dem Geldschrank siht
Und weint vor Furcht und klagt:

Was wird nun, wenn die Schutzmannschaft
In solcher Zeit versagt?

Wir lachen drob! Der Frühling kommt
Mit seiner Triebe Kraft,

Und zaubert Blüten in die Welt

Auch — ohne Schutzmannschaft! y. §.

Lieber Jacob!

Obwohl unsre Pollezei noch immer in fieber-
hafte Wirksamkeit is, um de Täter von de
letzten zwee Dutzend unuffjeklärte Morde raus-
zukriejen, hat se doch noch ne schwere Menge
Zeit un Schaffensdrang iebrig un läßt se et
sich nich nehmen, uff alle meeglichen Jebiete
des effentlichen un privaten Lebens Lorbeeren
zu ernten. Se firchtet sich vor den Deibel
nich un hält sojar in de Hölle ihre Razzia
ab.. Allerdings man bloß in de „Blanke Hölle"
in Schöneberg, wo et aber ooch nich wenijer
schrecklich un jefährlich sein soll, als wie in
de richtije theolojische Hölle. Bloß det de
Deibels hier keene Hörner un keene Pferde-
beene nich haben, sondern janz so manierlich
aussehen wie de andere steuerzahlende Mensch-
heit un friedlich an't Jewässer sitzen un in
noch nich konfiszierte Biecher lesen. Aber
wat 'n richtijer krimineller Schutzengel is, der
erkennt dem Deibel in jede Kluft. Er packt
ihm, bind't ihm, haut ihm 'n paar runter un
transportiert ihm uff de Wache. Un wenn er
denn noch wider Erwarten japsen kann un
'ne Lippe riskiert, denn wird er ohne Scham
un Reue vor dem Landjerichtsrat Braun je-
schleppt, der trotz seine achtzig Jahre der stärkste
Deibelbeschwörer in janz Berlin un ieberhaupt
'n feiner Kenner von alle Jemeinheit un
Schlechtigkeit is. Der sieht denn ooch jleich
uff 'n ersten Blick, wem er vor sich hat, un
wenn er dem erstaunten Leser aus de „Blanke
Hölle" ooch leider nich verurteilen kann, so
zeigt er ihm doch, wat 'ne Harke is, un bringt
ihm so 'ne Hochachtung vor de preußische
Rechtspfleje bei, det der janz verjißt, dem
Jerichtsrat wejen Beleidijung belangen zu
lassen.

Der sejensreichste Wirkungskreis von unsre
Pollezei aber is schon seit lange det Jebiet
der Volksernährung. Trichinen, Finnen, Tu-
berkeln, jepanschte Milch un stänkerije See-
fische könnten 'n Lied davon singen. Aber det
is nich jenug. Neierdings werden ooch de
Volksküchen unter de Lupe jenommen, un zwar
nich det dort Jepräpelte, sondern de Präpler
selbst! In diese Tage fand 'n glorreicher
Pollezeifischzug durch 'ne Volksküche statt un
— wat meenste? — uff eenen Hieb wurden
dreißig Leite jefaßt, die jleich nachher wieder
entlassen werden mußten. Ick habe mal in
meine Jugend so 'n beriehmten Taschenspieler
jesehen — Bellachini, jloobe ick, hieß er —,
der konnte mit eenen eenzijen Jriff eene Angst-
röhre, een Schock Eier un eenen Kanarjen-
vojel unter de Tischplatte verschwinden lassen.
Aber mit eenen Jriff dreißig Mißjriffe aus-
fiehren: det brachte selbst Bellachini nich
fertig — det kann bloß de Berliner Pollezei.
Un det is 'ne Sache!

Um so traurijer beriehrt et jedes empfäng-
liche Jemiet, det ooch im Schoße von diese
sejensreiche Beheerde der Jeist des Uffruhrs
anfängt sich bemerkbar zu machen. Et is wirk-
lich nich mehr dran zu zweifeln: de Pollezei-
wachmeesters sollen zu 'n Streik verfiehrt wer-
den. Sojar 'n Komitee haben se schon — janz
wie in Petersburg! Ick frage bloß: wat soll
denn aus Berlin werden, wenn man in Zu-
kunft unbehelligt an de „Blanke Hölle" sitzen
un in de Volksküche schlemmen kann, un wenn
de zwee Dutzend unuffjeklärte Mörder jar
keene Aussicht nich mehr haben, noch mal bei
Scherl'n porträtiert zu werden?

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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