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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0099
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• 4667

ss Oer Rummel in üanocr. eT

„Heiliger Muhamed — Mulei! Wie siehst du aus?"

„Was Ivillst du? Ich habe doch Spalier stehen müssen — und da haben sie
mich so angestrichen."

Von unserem Spezialberichterstatter am Vatikan.

Rom, 1. April. Man wird sich erinnern, daß vor einigen
Jahren im Schoße der katholischen Kirche eine freiere, durchaus
moderne Richtung auftrat, der „Amerikanismus". Der Ultramonta-
nismus bäumte sich dagegen auf und Leo XIII. winkte ab. Zur
Ruhe war sie deshalb nicht gewiesen; im Gegenteil gewann sie neuen
Mut und Pius X. ist ihr gewogen! Wie ich von einem wohlinfor-
mierten päpstlichen Schweizergardisten erfahre, dürften im nächsten
Konsistorium weitgehende, fast verblüffende Reformen angekündigt
werden; es soll sich auch, so munkelt man, ein Kardinal bereits mit
der Tochter eines bekannten Bostoner Milliardärs verlobt haben.

m ftobelfpätie. eT

Es tönt der Schrei im Reiche:
Belastet sind wir sehr!

Wir brauchen neue Steuern,

Drücken sie noch so sehr!

Es schreit in den Einzelstaaten:
Ausgepumpt sind wir gleich!

Wir können mehr nicht zahlen
Für dieses gierige Reich!

Es wiegt sein Haupt bedenklich
Der Reichsschatzsekretär:

Ja ja, wenn ich nur wüßte
Wie da zu helfen wär'?

Von der „gelben" Gefahr wird jetzt nicht mehr gesprochen — den
Inhabern russischer Papiere wird bereits schwarz vor Äugen.

Vom Hottentottenlande
Meldet man Sieg auf Sieg,

Zweihundert Millionen
Schon kostet der glorreiche Krieg!

Wird noch mehr Löcher im Säckel uns reißen —

Viel Tausende haben dabei nichts zu beißen.

Man wirst dem Kultusminister Studt immer vor, daß er von
der Volksschule nichts verstehe. Ja, ist es denn so ausgemacht, daß
die anderen Minister von ihren Ressorts mehr verstehen?

Es fliegen die Enten von Land zu Land,

Vom Schaho bis an der Themse Strand,

Sie schnattern vom Frieden ganz unverdrossen,

Dabei wird immer weiter geschossen.

„Die Deutschen sind das Salz der Erde", aber mit ihrer Welt-
politik geraten sie tüchtig in den — Pfeffer.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Deutsche Diplomatie.

Graf Bülow spricht:

Nicht den Finger in jedem Topfe,
Das ist Diplomatenschläue;
Wirkliche Germanentreue
Zeigt sich in dem seinen Kopfe.

Duftig parfümierte Lügen,

Lübsche Scherzchen, kecke Witzchen,
Dann und wann Zitatenspihchen,
Damit werden wir schon siegen.

Nie die Löslichkeit verlieren!
Knigge sei man ein Verehrer!
Gegen Schnorrer und Verschwörer
Ist ein Tritt schon zu riskieren.

Lerz ist von geringem Werte
Für den echten Diplomaten,
Niemals wird Gemüt verraten
Je der Mensch, der. „aufgeklärte".

Was in Kischenew sie treiben.
Was sie in Armenien machen.

Alle diese äußern Sachen
Müssen ganz egal uns bleiben.

Doch wenn's uns gelingen sollte
Irgendwo was zu erhaschen,

Lwnig mit Geschick zu naschen.
Wenn der andere auch grollte,

Ei, da wären meiner Treue
Wir doch kollossale Ochsen;

Mag der Engeländer boxen —
Wir, wir machen das mit Schläue.

Ran-bemerkuirg -es „wahren ^acob":

Lieber Bernhard, ohne z'liege

Isch mei A'ficht: Du wirscht trotz bei'

Wirklich kolossale G'scheidheit

Scho bei’ Fell verschlage kriege. a. f.

Lieber Jacob!

Det et 'ne Stadt Kriewen jibt, habe ick bis
jetz »ich jewußt, aber det diese Stadt sich zum
Burjemeester 'n berittenen Gendarm jewählt
hat, hat mir doch imponiert. Denn erstens is
in diesen Fall nich zu befirchten, det de Wahl
villeicht nich bestätigt wird — weil doch de
Kavallerie de anerkannte un bevorzugte Lieb-
lingstruppe is —, un zweetens jloobe ick, det
'n Gendarm ieberhaupt for alle heheren Ver-
waltungsposten de alleen jeeijnete un durch-
auszweckentsprechende Perseenlichkeit is. Aller-
dings wird et ja nu woll ooch manche Gen-
darmen jeden, die ihre verhältnismäßig freie
un unabhängige Stellung fern haben nn sich
zum Beispiel davor jraulen, preißischer Minister
zu werden. Aber zu subalterne Ämter, wo
ivenig zu tun un bloß alle Quartal eenmal
in'n Tierjarten stramm zu stehn is, wie etwa
zu den Posten von den Berliner Oberburje-
meester, da kennte sich doch am Ende uff jutes
Zureden dieser oder jener bereit erklären.

Ooch sonst jetzt et Jott sei Dank immer feste
vorwärts mit's Vaterland. In Marokko sin
sicher noch 'ne schwere Menge Lorbeeren un
sonstije kineinatojraphische Uffnahmen zu ern-
ten. Scherl hatte 'n halbes Dutzend Photo
jraphen un zwee Schock Berichterstatter hin-
jeschickt. De Unsterblichkeit der diplomatischen
Ereignisse war also jarantiert. Sojar der be-
riehmte Räuberhauptmann Raisuli, der vorig
tes Jahr dem Millionär Perdikaris bei de

Hammelbeene jefaßt hatte, is zu de Empfangs-
feierlichkeiten injetroffen jewesen. Der Sultan
hat ihn de Erlaubnis nich verweijern jekonnt,
denn der in de Kreise von seine Berufsjenossen
sehr beliebte Jurjelabschneider is inzwischen
zum marokkanischen „Kaid" avanziert. Wat
mag det iebrijens woll for 'ne Scharsche sind?
Wenn ick nach unsere hiesijen Verhältnisse
urteile, denn muß et unjefähr so ville bedeiten
wie Hofbankier oder Kirchenstifter — aber wat
Jenaues weeß ick nich.

Unsre Eisenbahnverwaltung is unermiedlich
in Reformen. Jetz hat se wieder janz wat
Neies un Jeberraschendes ausjeknobelt. Uff de
Berliner Bahnheefe soll nämlich 'n Dienstbuch
injefiehrt werden, wo de Bahnsteigschaffner
janz jenau mit Anjabe von Namen, Datuni,
Jrund un Dauer anjeben missen, wenn se mal
ausjetreten sind. Et soll damit dem in Bahn-
steigschaffnerkreisen in letzte Zeit leider ieber-
hand nehmenden Luxus bei de Benutzung der
Retiraden Einhalt jetan werden. Zujleich will
de Eisenbahnverwaltung aber ooch beweisen,
wat for'» väterliches Jntresse se an ihre Unter-
beamten nimmt. Denn sonne einjehende Nach-
forschungen nach alle jroßen un kleenen Be-
dirfnisse der Unterjebenen hat bis jetz noch
keene Beheerde nich anjestellt. Patriarchalischer
kann man schon nich sind — det muß ooch
der rüdigste Nergler zujeben. Un wenn erst
ieber Jahr un Tag det preißische statistische
Amt det erste „Sonderheft" nebst jraphische
Darstellungen ieber de Verdauungsresultate
von de Berliner Bahnschaffner rausjibt, denn
wird keener nich mehr wagen, jejen Budde'n
'ne Lippe zu riskieren!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke

an'n Jörliher Bahnhof, jleich links.
 
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