Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4697

vnekmarken koUttker.

Wat? For 'ne echte Maiollo willst- leene flmf Pfennpc jede», wo eben! erst
der Kaiser dort jewesen is? Na warte, dir zeig'ick wejen Majcstätsbeleidijung an!"

hobelfpäne. eT

Die Frommen in unserm Lande,

Die jammern zurzeit gar sehr;

Der Abfall von dem Glauben
Nimmt zu jetzt täglich mehr.

Und gründlich drob erwägen
Sie, was der Kirche frommt —

Ich will euch tlärlich sagen,

Woher der Abfall kommt:

Der Hungrigen und Bedrängten
Mehrt täglich sich die Zahl,

Und von dem Glauben leben
Kann niemand nun einmal.

Die Narren genießen während des Karnevals Freiheit, Die Weisen
sind das ganze Jahr an Gesetz, Verordnung und Polizei geknüpft.
Das ist sehr lästig; anders läßt sich aber die sittliche Weltordnung
nicht aufrecht erhalten.

Der Zar verordnet Toleranz
Für Andersgläubige gar und ganz;

Dabei wird wieder aufs Volk geschossen
Und Arbeiterblut wie Wasser vergossen.

Wenn es der jetzt grassierenden Genickstarre-Epidemie einfallen
wollte, auch die Hofkreise zu ergreifen, hätten es die Monarchen
in Zukunft mit lauter aufrechten und steifnackigen Männern zu
tun — entsetzliche Aussicht!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Dasselbe in Grau!

Des Vaterlandes starke Wehr,

Das vielgepriesne Kriegesheer
Prangt bald in neuer .Herrlichkeit,

Wird tücht'ger noch zu Kampf und Streit.
Schaut hin! Man macht jetzt den Versuch
Mit einem andersfarb'gen Tuch,

Probieret statt dem Kleide blau
Dasselbe in Grau.

Der Rock erhält zwei Taschen noch;
Daran sieht man den Fortschritt doch.

Der Kragen ist nicht mehr so breit;

Das ist der Geist der neuen Zeit.

Auch sonst wird anders dies und das.
Doch hält man Schranken ein und Maß.
Wenn ich den Rock mir recht beschau':
Dasselbe in Grau.

Sehr wichtig ist wohl die Reform
Von unsrer Krieger Uniform.

Rach solcher Leistung ist es gut.

Wenn Schaffensgeist zufrieden ruht.

Denn sonst fiel ihm am Ende ein.

Noch andres müßte anders sein.

Sonst bliebe doch der ganze Bau
Dasselbe in Grau.

Ob blau, ob grau der Nock auch sei:

Es bleibt die alte Quälerei,
Gamaschendienst nach altem Brauch,
Paradedrill und Stechschritt auch.

Es bleiben Tritt und Puff und Schlag,
Es bleibt die alte Pein und Plag.

Das alles bleibt; es ist genau
Dasselbe in Grau.

Der Zeitgeist , zeigt beim Leer sich nur
An Troddel, Litze, Knopf und Schnur;
Des Rockes Farbe und den Schnitt
Zu ändern ist ein schwerer Schritt.

Die Uniform den Krieger macht;

Der Mensch kommt gar nicht in Betracht.
Durch die Kasernen dröhnt es rauh:
Dasselbe in Grau. Secundus.

Lieber Jacob!

Det Maifest un die verschiedenen Schiller-
seiern wären nu jlicklicherweise ieberstanden
un der sindije Mensch, Staatsbirjer un Kunst-
fremd kommt wieder so allmählich in det
jeivohnte Jeleise un in den abjeklärten Seelen-
zustand, wo er ohne innere Empörung im-
stande is, die moralischen Betrachtungen mit
anzuheeren, die ihm Mutter von wejen de
verbummelten Feierabende in wiederholte,
vermehrte un verschärfte Ufflagen zukommen
läßt. Ick kann sojar sagen, det mir dieser
Zustand ne jewisse, wenn ooch etwas schmerz-
hafte Wollust bereitet, un ick mir dadurch
jedesmal in den festen Vorsatz bestärkt stehle,
uff det nächste Jahr meine Ausschweifungen
in dieselbe Weise zu wiederholen. Allerdings
de Schillerfestreden werden wir dann wohl
entbehren niissen, denn selbst der unsterblichste
Jeist is nich imstande, jedes Jahr seinen hun-
dertsten Todestag zu besehen, un wir Philo-
sophen wissen, det keen Ding in de Welt sich
wiederholen tut.

Det heeßt, zwee Ausnahmen jibt et von
diese Rejel: de Soldatenmißhandlungen un
de unentdeckten Berliner Mordtaten — die
wiederholen sich immer wieder. Ooch in diese
Tage hat vor det Koblenzer Kriegsgericht
wieder 'n jlorreicher Prozeß jejen vier Unter-
offiziere stattjefunden, die ihre Unterjebenen
in ’n Bauch jetreten, in't Jesicht jespuckt un
in de Brustwarzen jekniffen jehabt haben —
allens wahrscheinlich in Stellvertretung Jottes,
wie jener jeistreiche Jeneral so scheen sagte.
Se haben denn ooch for diese Liebenswirdig-
keiten 'n paar Wochen zu brummen jekriegt
— ville beeses wollten ihnen de Kriegsrichter
nich antun, die vielmehr die Meinung äußerten:
„Et sei menschlich erklärlich, wenn 'n Unter-
offizier Ohrfeijen austeilt." Wenn man diese
christliche Weltanschauung von unsre Kriegs-
jerichte bericksichtigt, denn findet man aller-
dings ooch die Fußtritte, Jesichtsaustern un
Brustwarzenkniffe menschlich erklärlich un de

Desertierungen un Selbstmorde von de Rekruten
werden zu unvermeidliche anjenehme kleene
Abwechslungen in det einteenije Dasein eines
deitschen Vaterlandsverteidijers. Mau muß
bloß de richtije milletärische Dienstuffassung
haben, denn kommt allens in't Reine!

De richtije Uffassungsjabe is ieberhaupt un
ieberall von de jreeßte Wichtigkeit un man
kann da, so alt wie man is, immer noch ne
schwere Menge zu lernen. Zum Beispiel von
de Rixdorfer Baudeputazjon, die sich dajejen
jewehrt hat, det ne neue Straße den Namen
„Tellstraße" bekommen sollte, weil et sich vor
eene Stadtverwaltung nich schicke, ne Straße
nach eenen — wenn ooch sagenhaften — Frei-
heitshelden zu taufen, der sojar vor eenen
Mord nich zurickschreckte! So stand et in de
Zeitungen zu lesen. De Rixdorfer haben nu
dafor ne „Wildenbruchstraße" bekommen, wat
ja ooch ne scheene Jejend is, un de umliejen-
den Alleen sollen, wie ick Heere, Angstmeier-,
Spießbirjer- un Knickebeenpromenaden jetooft
werden — zu Ehren von de Baudeputazjon.

Neilich bin ick iebrijens zu meine Abwechslung
in ne Vejetarjerversammlung jewesen, wo 'n
elfjührijes, ejal mit Kohlrabi jefuttertes Mächen
ufftrat, det ihren leibhaftsten, ausjewachsenen
Vater eigenhändig ieber de Biehne trug. Ick
wirde mir nu, offen jesagt, im Interesse von
de väterliche Autorität vor sonne tatkräftije
Nachkommenschaft 'n bisken jranlen, aber wat
mein Freund Edeward is, der war janz be-
jeistert davon un meente, wenn er seine Jingste
mehr uff Spinat jesetzt hätte, denn könnte se
ihm jetz uff seine alten Dage, wo er doch nich
mehr so ville verdragen tut, jeden Sonnabend
abend uff Händen aus unsere Stammdestille
nach Hause schaffen un et könnte ihn nich
mehr, wie neilich, passieren, det er uff sonne
schmerzhafte un entwirdijende Weise in'n
Rinnstein zu sitzen konimt.

Womit ick verleibe mit ville,Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
 
Annotationen