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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0152
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4721

W von den Jubeltagen, e®

„Wo haste dir denn am 3, Juni rumjetrieben. Harte?"

„Ick habedoch als Spalierdie Treue zum anjestammtenHerrscherhause betätigt!"
„Det laß dir man schriftlich jeben, verstehste? Mit den Schein btste dann
bet de Polizei aus allen Schlamassel raus!"

ftobeljpäne. LT

Was raunen und flüstern die Hosskelette?
Hat jemand verletzt die Etikette?

Ist jemand vor Demut nicht erblaßt,

Da Jhro Gnaden ins Aug' ihn gefaßt?

Weshalb sie ivohl winseln und Zeter schreien,
Die hohen und höchsten Hoflakaien?

Hat jemand gemeint, daß die Erde sich dreh',
Das Volk sei hungrig und Hunger tat' weh?

Gott hat weit Schlimmeres walten lassen.
Der Schranzen Hirn kann's nimmer fassen:
Man will — mich greift ein tiefes Graun —
Dem Heinrich Heine ein Denkmal bann.

Als konservative und nationalliberale Abgeordnete, um im Reichs-
tag eine Bergarbeiterschutzdebatte zu verhindern, das Haus durch Ver-
lassen des Saales beschlußunfähig machten, rief man ihnen von der
linken Seite ein mehrmaliges „Adieu" zu. Graf Ballestrem erklärte jedoch,
daß niemand im Saale dazu Veranlassung hätte. Desto mehr Veran-
lassung haben aber die Wähler, diesen Herren für immer Adieu zu sagen.

Es heulen und toben die Junker Dennkönnteusie,wiesiewollten
Schon wieder in rasender Wut, Und wie sie sich's ausgedacht,
Wir Sozialisten behalten Dann würden sie nicht so toben

Dabei unser ruhig Blut. Und — hätten es schon gemacht!


Kardorff und Limburg-Stirum erklärten, daß sie die Vernichtung der
Sozialdemokratie gerne noch erleben möchten. Sie setzen sich mit einem
solchen Wunsche dem Vorwurf aus, daß sie zu Ahasver, dem ewigen
Juden, in unlauteren Wettbewerb treten wollen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

wendig. Gage nach privater Übereinkunft
mit dem Jubelarrangeur.

5. Säuglinge, deren rote Backen von dem
behäbigen Wohlstand des deutschen Prole-
tariats deutliches Zeugnis ablegen und die
beim Nahen der hohen Persönlichkeit von
ihren Müttern jubelnd emporgehoben werden.
Die roten Backen sind durch Ziegelmehl leicht
und billig herzustellen. Honorar pro Paar
inklusive Mutter drei Mark.

Diese Andeutungen mögen vorderhand ge-
nügen. Der weitere Ausbau unserer Idee
mag der erprobten Findigkeit der staats-
erhaltenden Bürgerkreise überlassen bleiben.

I. S.

Aus Saarabien.

Der Amokläufer.

Herr Landgerichtsdirektor — O!

Ich schweige ja, ich bin ganz still!

Was lächeln Sie so spöttisch, wo
Ich einen Antrag stellen will?!

Herr Landgerichtsdirektor — O!
Verzeihen Sie die Angebühr!

Das Schweigen selbst ist manchmal so
Beredt! — Doch ich kann nichts dafür!

Mein Rechtsbeistand, das ist ein Mann,
Der Sie noch gar zu wenig kennt —
Was kommt es noch aufs Reden an.
Wenn schon der Amokläufer rennt!

Lieber Jacob!

Letzten Sonntag war ick mit meinen Fremd
Edeward uff'n Spandauer Bock. Meine un
seine Olle konnten zu unser lebhaftes Be-
dauern Jott sei Dank nich mit von die Partie
sind, un so sahen wir uns denn in die anje-
nehme Lage versetzt, uns unjestört dem Je-
nuß der Natur hinjeben zu derfen, wat ooch
bereits jejen Elfe zu 'ne ieberlebensjroße Be-
jeisterung fiehrte. Nachdem wir noch zum Ab-
jewehnen beiderseits een Nordlicht uff de
Lampe jejossen hatten, beschlossen wir in unfern
Naturzustand per poäsx apostolorum, wie de
ollen Irischen sagten, den Heimtritt zu ris-
kieren^ Dabei kann ick nich leignen, det mir
der jeheime Hinterjedanke beseelte, villeicht
noch in det eene oder andere am Weje je-
lejene Lokal rinzufallen.

Mit List un Ticke paßte ick Achtung, wo
uns links oder rechts 'ne rote Laterne uff-
stoßen wird«, die uns de Jenisse edlerer Je-
selligkeit vermittels zarter Hand jarantierte.
Aber kaum waren wir uff de Berliner Straße "

jelangt, so dachte ick, mir laust der Affe —
bildlich jesprochen. Wat soll ick Dir sagen:
Zur linken und zur rechten Hand, Schritt vor
Schritt — rote Laternen! „Edeward!" rief
ick aus, „derf ich meine Oogen trauen? De
janze Straße lang nischt wie Weiberkneipen!
Du weeßt, ick bin keen Tugendapostel nich,
besonders wenn meine Olle nich bei is, aber
det sind türkische Zustände, un ick bejreife de
Polizei nich!"

Ick eißerte mir mit den janzen Umfang meiner
Stimmittel so nachdrücklich, det een zufällig
des Wejes nachtwandelnder Schutzjeist uff mir
uffmerksam wurde un sich nach meinen Befinden
erkundigte. Een Wort jab det andere, un det
Ende von unsere Zwiesprache war, det ick un
mein Edeward uff de Wache mußten.

Als wir an'n andern Morjen mit sehr
zweifelhafte Jefiehle im Herzen uff de Hoch-
bahn nach Hause jondelten, erfuhren wir aus
det Jespräch von'n paar Mitreisende, det der
Feez init de roten Laternen jestern uff de
Berliner Straße de Jlluminazjon zu de Zwee-
hundertjahrfeier von de Stadt Charlottenburg
soll jewesen sind! Nu frage ick Dir un jeden
Menschen: kennen so 'ne faulen Witze als an-
ständige Straßenausschmickung for 'n ernst-
haftes Stadtjubeläum jelten? Erstens mal
is de rote Farbe an sich schon unjeheerig, un
zweetens weeß doch bei uns in Berlin jebet
Kind, wat 'ne rote Laterne hinter sich haben
muß! Aber de Schlorrendorfer Stadtväter
scheinen ebent von eiropäische Sitten kceue
Ahnung nich zu besitzen, un ick will bloß
hoffen, det se in de nächsten zweehundert
Fahre so ville zulernen, det 'n jebildeter Ber-
liner bei'n Abendspaziergang uff ihre Straßen
nich mehr unfreiwillijermaßen untern Schlit-
ten jeraten kann!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, gleich links.
 
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