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4756

•*> Die rote Flagge mr See. ^

„Qißt die Flagge, unsre Flagge!" Und die Flagge steigt am Mast,
Langsam steigt sie, bis die Falten frischer Morgenwind erfaßt.
Leuchtend rot — kein Wappenzeichen, keine Krone, kein Getier,
Denn das Schiff dient keinem Kriegsherrn und das Volk gebietet hier.

Keine Salven grüßen donn'ernd dieser Flagge erstes Wehn;
Doch es jauchzen die Matrosen, die an Deck in Reihen stehn,
Knd die Kanoniere jubeln aus der Batterie empor,

Und das Dröhnen der Maschine übertönt der Heizer Chor.

„Zar, wir waren deine Knechte und zum Schiffsüienst ans-

gewahlt,

Können unsre Waffen brauchen, sind im Wettersturm gestählt,
Taten in Gehorsam schweigend, was man uns gelehrt als Pflicht.
Zar, wir waren deine Knechte; deine Schergen sind wir nicht!

„Männer sind wir und erkennen, was den: Batcrlande not...
Aar, wir rebellieren heute und verachten dein Gebot!"

Hoch am Mast die rote Flagge, stolz das Schiff durchfurcht die Flut;
Siebenhundert Männer trägt cs, voll Rebellentrotz und Mut.

Ein Rebellcnschiff, so zieht cs frei dahin durchs freie Meer,
Ruft zum Ausstand, zur Befreiung, zeigt die starke Eisenwehr.
Sich, der Zar schickt seine Flotte: „Nieder mit der Flagge schnell!
Unsrer Übermacht ergib dich und erwart dein Los, Rebell!"

Rings im Kreise liegt die Flotte; sichere Vernichtung droht...
Doch vom Mast weht kühn und trotzig die Rcbellenflagge rot.
„Klar zum Kampf!" An den Geschützen steht die Mannschaft

schon zu Hanf;

„vorwärts!" DurchdieFlottenimmtjetztdasRebcllenschiffdenLauf.

Der Rebell zeigt feilte Zähne; wohlbewehrt zieht er heran,
Und der Admiral des Zaren öffnet zagend ihm die Bahn...
hoch am Mast die rote Flagge zieht das Panzerschiff davon,
Und des Zaren Diener zittern vor der Revolution!

enftc NcclR5.

Am 5. Juli ^905 starb in Thouront in West-Flandern
Llisee Reclus, in dem die wissenschaftliche Welt einen
großen Geographen verlor. Das Proletariat der ge-
samten Welt aber betrauert in ihm einen wahrhaft großen
und edlen Menschen.

Als Sprößling einer alten tzugenottenfamilie ward
Reclus am J5. März J830 in Sainte-Foye-la Grande in
Frankreich geboren. Schon als ^jähriger Jüngling trat
er in die politische Arena, um s8^8 mit der Waffe in
des tzand für die Republik zu kämpfen. Der Staatsstreich
Lo/is Bonapartes zwang ihn, aus Frankreich auszu-
w'indern. In Amerika, wohin er sich wandte, nahm er
regelt Anteil an dem Sezessionskrieg. Zurzeit des deutsch-
französischen Arieges war er wieder in Frankreich und
verrichtete als Mitglied der Nationalgarde im belagerten
Paris den gefährlichen Dienst bei der Luftschifferabteilung,
voll Aufopferung trat er für die Aommune ein, bis er
am 5. April ^87h von der Versailler Armee gefangen
genommen wurde. Rach einer siebenmonatigen tzcrft ward
er zur Deportation verurteile, die jedoch im Januar \H?2
infolge Fürsprache hervorragender Männer, wie Darwins,
in Verbannung umgewandelt wurde.

In den darauffolgenden Jahrzehnten hat Reclus sein
ungeheuer reiches wissenschaftliches Lebenswerk vollendet,
seine großen geographischen, geologischen und sozial-
philosophiscben Werke geschrieben. Seinem theoretischen
Standpunkt nach ist er als Anarchist zu bezeichnen, doch
war seine gesamte Lebensführung so uneigennützig und
von solchem Mitgefühl für die. gesamte Menschheit er-
füllt, daß er mit Recht als das mustergültige Vorbild
wahrhaften und praktischen Sozialismus zu bezeichnen ist.

Als in Brüssel die sozialistische „Neue Universität"
begründet wurde, erhielt Reclus an derselben einen Lehr-
stuhl und konnte dort sein geographisches Institut errichten.
In Brüssel verbrachte er seinen arbeitsreichen Lebens-
abend. Die Arbeiterklasse wird das Andenken dieses
selbstlosen und warmfühlenden Gelehrten stets in Lhren
halten.

Vülows Redeverbot gegen Iaures.

Das gerettete Vaterland.

Es Ist geglückt — verscheucht die schwarze Wolke,

Die drohend schwebte überm Vaterlande,

And abgewendet glücklich von dem Volke
Verderben, Untergang und Schmach und Schande.

Mit Ruhmeswichse strahlend eingefettet

Glänzt aufFürst Bernhards Lauptdte Durchlauchtskrone;

Er ist es, der das Vaterland gerettet.

Das sonst zertrümmert wäre zweifelsohne.

Denn wenn Iaurtzs wär' nach Berlin gekommen.

Zu sprechen für den Frieden in Europa,

So hätt' ein schlimmes Ende dies genommen.

Und es zu dulden wär' ein schwerer kaux pas.

In bösen Träumen zeigten sich die Bilder
Des Aufruhrs vor des armen Bernhard Blicken,

Er sah Berlin, als Mordplatz roher Wilder,

In Dampf und Blut und Feuer schier ersticken.

Die Bomben flogen von den Barrikaden,

Dicht stieg der Rauch aus jeder Kathedrale,

Ihn selbst jedoch, geknüpft an roten Faden,

Umbriillt' der Lärm der Internationale. — .

Dies zu verhüten, ward ein Brief gesendet
An Radolin: O Radi! Unsre Not sieh!

Durch deine Lilfe wird sie abgewendet I

Laß ihn nicht fort! O, halt ihn fest, den Sozi! —

Es ist geglückt: Reichskanzler Bernhard Vülow
Löst jetzt allein den marokkan'schen Knoten.

Vorher jedoch — welch herrliches Gefühl, o —

Warb tausend neue Freunde er den Roten.

—— Erich Mühsam.

Die Äaideflotte.

Zukunftsphantasie eines Flottenvereinlers.

Die stille Laibe mit lautem Töff, Töff
Befährt der Autler erhabner Chef;
Begeisterungsblitze sieht man zucken
Selbst durch das Lerz der Laideschnucken.
 
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