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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0211
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4781 —

8

Der Zar: Zu den Friedensverhandlungen haben wir dringend einen
Sieg nötig!

Lenemitsch: Majestät, wir werden uns wieder glänzend zurückziehen.

es nobelfpäne. LT

Teures Fleisch schon haben wir,
Teurer wird auch Brot und Bier,
Und auch auf der Eisenbahn
Ziehn die Preise mächtig an.

Edler deutscher Patriot,

Klage nicht ob dieser Not
Und erdulde gern noch mehr
Für die Flotte und das Heer.

Die kleinen Diebe hängt man, die großen
läßt man laufen, und die allergrößten be-
fördert man in Luxuszügen.

„Auf unsre Kosten sorgt der Staat Zur selben Zeit wird ausgesperrt
Nur für die Proletarier!" Das Arbeitsvolk in Massen —

So rufen voll Entrüstung stets Was tut der Staat? Er steht dabei

Die Protzen und Agrarier. Und muß es geschehen lassen!

Bei den Landtagswahlen in Baden werden die Nationalliberalen
den Demokraten als „Block" im Wege liegen, und die Demokraten
werden über das Ding stolpern.

Im russischen Reiche wird voll Wut
Geschlachtet, in Strömen fließt das Blut,

Und bildet ein neues rotes Meer,

Das den Pharao mit seiner Schergen Heer
Erfaßt und auf inuner hinunter rafft —

Ja, Blut ist ein ganz besonderer Saft!

Es gibt etwas, was noch weit mehr gefälscht wird als Wein
und Kaffee: die Geschichte. getreuer Säge, Schreiner.

Die Studienreise.

„Schn Sie hier das Schiff, das preußische
— Nie rebellisch wie das reußische
Also sprach der brave Reedersmann,

„Auf, verlassen Sie Germanien,

Sehn Sie, meine Lerrn, sich Afrikanien
And die schönen Schutzgebiete an!"

Weil es nichts da zu „debatteln" gab.

Fuhr man nach dem Land der Datteln ab -
„Studienreise" klang das stolze Wort.

Erst zum Oste», dann ins Westliche
Ging die Reichstagsfahrt, die festliche.

And es ward denn auch studiert sofort.

Erst in Togo gab's gewaltige
Festdiners, und sehr gehaltige
Reden würzten jedes Mahl voll Kraft.

'Auch in Kamerun gab's Studien, wichtige.
Denn alldort stand eine richtige
Rabenschwarze Ehrenjungfrauschaft.

Am Ryassasee sind Studien kritischer,

Denn die Gegend ist politischer —

Drum genügte hier ein Dejeuner;

In Ovambo aber, laut verkünd' ich es,

War ein großes, vierzehnstündiges
Ehrengastbegrüßungsfestsouper.

Nächte gab es, italienische.

Manches Schauspiel, manches szenische.
Kurz, was so ein hohes Amt bedingt.

Auch die Frage selbst, die schwierigste.
Ward erörtert aufs begierigste:

Ob man Söhnlein oder Äenckel trinkt?-

Doch — zu Ende gehn die Ferigen,

And die Reichstagsangehörigen
Fahren heimwärts auf dem Wasserpfad.
Keinen freut sein Glück, sein häusliches.
Den» die Äeimat ist was Scheußliches,
Wenn man — eine Studienreise tat. . .

TcrentinS.

Lieber Jacob!

Jeder Beruf hat seine beese Zeit: de Maurer
haben in'n Winter nischt zu tun, un de Schnee-
schipper missen in'n Sommer feiern. Bloß wat
de Diplomaten sind, for die jibt et keene Ar-
beetslosigkeit »ich. Ob Stiemwetter oderHunds-
tagshitze — die Brieder sin immer in't Je-
schäft. Det liegt nämlich daran, bet se sich ihre
Arbeetsjelejenheit selber schaffen kennen, wenn
de Konjunkturen for ihnen mal flau stehen.
Wenn et zum Beispiel in't teire Vaterland still
un friedlich aussieht, denn riehren se irjendwo
in Afrika'ne kleene marokkanische Schweinerei
an, erst 'n bisken, denn immer doller, bis man
schließlich denkt, de janze Welt jetzt in Flammen
uff. Un wenn se mit diesen Teil von ihre
sejensreiche Tätigkeit fertig sind, denn zeijen
se erst, wat se eejentlich kennen, indem det se
mit ville Jeschrei un Hantierungen det sei»
anjelegte Feier wieder janz allmählich ab-
löschen un dem mühsam anjeheiften inter-
nazjonalen Dreck beiseite schaffen. Wenn et se
jelingt, kriejen se 'ne schwere Menge Ordens
un werden uff Lebenszeit
unsterblich. Un wenn et
se nich jelingen tut, denn
kriejen se noch mehr
Ordens un werden se
noch unsterblicher. Denn
entsteht nämlich 'n fröh-
licher, jlorreicher Krieg.

Bei diese Jelejenheit
beißen zwar von det so-
jenannte Volk 'n paar
Dausend in't Jras, aber
det schad't nich ville:
denn aus dieses Jras
wächst for de Diplomaten
un andere staatserhal-
tende Berufe de reichste
un scheenste Ernte.

Schade bloß, det et jetz
so ville Leite jibt, die
partuh nich bejreifen

wollen, wat de Welt de Diplomaten allens zu
verdanken hat! Ooch in Deitschland loofen so'n
paar Millionen Schlappschwänze 'rum, die im-
mer sagen: „Wat hat mich der Franzose un wat
hat mich der Engelländer jetan, det ick ihm um-
bringen soll?" Diese unchristliche Weltanschau-
ung kommt von de uffhetzende Tätigkeit der
Sozialdemokratie her, die de Menschen rebellisch
un wild macht, det se sich jejenseitig nich mehr
jern dotschießen wollen, wie det de Polletik
juter un christlicher Rejierungen von sie mit
Recht winschen un erwarten tut. Wenn det so
weiter jetzt, denn erleben wir vielleicht den Tag,
wo in de Welt'n jotteslästerlicher ewijer Friede
inziehen tut.

Aber Jott sei Dank leben wir heute noch in'n
wohljeordnetes Staatswesen, un'ne zielbewußte
Obrigkeit wird noch immer det Jlatteis zu
finden wissen, uff det se uns fiehren nmß, wenn
uns mal anfängt, zu wohl zu werden!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

„Seg mal, Hein, wat hewt wol de engelschen Scheep bi uns in de Ostsee
to söken?"

„Tat will ist di seggen: de Atiantschc NN de Stille Ozijan flind all besctt,
un da will Edcward nu .Admiral nun de Ostsee' warn!"
 
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