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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0222
4792
-s« Das Fleischnotdiner.
von 2, S.
Das schöne Hotel „Raiserhof",
Berühmt durch seinen Fraß und Soff,
Sah jüngst erlesne Scharen,
Die froh versammelt waren,
Um hier bei Sekt und Braten
Die Fleischnot zu beraten.
Bevor die Edelsten des Lands —
Denn diese waren's, voll und ganz! —
Zur Tagesordnung schritten,
Lrhnb aus ihrer Mitten
Sich frisch ein wohlbeleibter Mann
Und fing zu reden inunter an.
„Ich spüre von -er Fleischnot nichts",
So sprach er frohen Angesichts,
,,Und Renner haben mir gestanden,
Daß überall in deutschen Landen
Die Schweinerei in diesem Jahr
So blühend wie noch niemals war.
Das nationale Säneheer
Zählt anderthalb Millionen mehr —
wer da kann über Teurung schrein,
Der muß schon ein Berliner sein!
Indes, zwar, allerdings, jedoch:
Die Preise sind ein wenig hoch,
Und die wohlweise Obrigkeit
war' auch zu Helsen gern bereit,
wenn sie nicht klar und sicher wüßt',
Daß schon nach einer kurzen Frist
Der Übelstand beseitigt ist.
Doch wenn die roten Rotten grollen
Und nicht so lange darben wollen,
So mögen sie, anstatt zu fluchen,
Doch selbst die Schweinezucht versuchen!
Ich bin bereit, für diesen Fall
Zu liefern prompt das Material —
Denn in mir lebt die stolze Rraft,
Die hunderttausend Ferkel schafft!"
Mit diesem jähen Geistesblitz
Ließ pod sich nieder aus den Sitz,
Daß unter seines Leibes Last
Barst der Ministersessel fast.
Die Festgenossen Beifall brüllten
Und zechend ihren Wanst sich füllten.
Indessen vor -es Saales Tor
Der Michel steht und spitzt sein Ohr.
Er hörte -es Ministers Worte,
Die Faust schlägt dräuend an die Pforte:
,,wart, pod, mein witziges Ministerlein,
Dies Hohnwort soll dir unvergessen sein!
Ls kommt die Stunde, da verstummt dein Lachen,
Ls kommt derTag, wo wir zwei Rechnung machen!"
Deutschtum, Kultur und Freiheit.
€s wurde verkündet, dass Deutschtum Kultur
Und Jreibeit bedeute — in Gnesen.
Das bat jeder vaterlandsliebende Wann
Mit Stolz und mit Jreude gelesen.
Gin Nörgler, wer zweifelt, ein frecher Patron,
Gin vaterlandsloser Geselle;
er schüttle von seinen Pantoffeln den Staub
Und schreite flugs über die Schwelle!
Wer unsre Kultur in der Däbe besieht,
Dem muss ja das fjerz gleich erwärmen;
Dass andere Uölker noch lang nicht so weit.
Wird immer den Deutschen erbarmen.
Kasernen und Kirchen, die wachsen seit je
ln Deutschland hervor aus der Erden,
Darinnen die Menschen gar emsig gedrillt
Zu Stechschritt und Gottesfurcht werden.
So zieht man ein fromm und gehorsam Geschlecht
Und pfercht es in Kriegervereine;
Dort braucht es die Manier zum Rurrageschrei,
Zu wonnigem Strampeln die Beine.
Roch über der Schicht des Relotenpacks stehn
Die Leutnants und Referendare;
Die tragen die Bärtchen gen Bimmel gesträubt
U.id zierlich gescheitelt die Raare.
Da stehen viel Räte von jeglichem Rang,
Uiel Pfaffen, Minister und Richter,
Knackfüssiges Maler- und Bildbauervolk
Und Pauker, Lakaien und Dichter;
Uiel Schnapsproduzenten, viel Wucherer auch
Jius adligem blauem Geblüte —
Die repräsentieren der deutschen Kultur
Erfreulichste, duftigste Blüte.
Das sind sie, die strahlenden Ritter vom Geist,
Die preussisdren, offiziellen,
Die funkelnden Sterne am Rimmelsgezelt,
Die unsre Gefilde erhellen.
Die Jreibeit, entsprossen aus dieser Kultur,
Das heiligste, hehrste der Güter,
Die Jreibeit der Deutschen ist sicher gewahrt,
Rat treue und wackere Rüter.
Dass nimmer durch dreisten und freveln Gebrauch
Das Uolk diese Jreibeit entweihe.
Ist ihr polizeiliche Aufsicht bestellt
Und Wächter in zehnfacher Reibe.
„Das Deutschtum ist Jreibeit,dasDeutsdrtum Kultur,“
So wurde verkündet in Gnesen . . .
Und sämtliches Uolk schrie begeistert Rurra,
Was äusserst erbaulich gewesen. Secundus.
Glossen.
Wie Professor Schäffle in seinen Aufzeich-
nungen erzählt, sagte Kaiser Franz Josef
einmal zu ihm: „Ich bin ein Pechvogel". An
einem Kaiserwort, besonders an einem ge-
lungenen, soll man nicht herumklauben. Trotz-
dem will mir der Gedanke an das viele Pech,
welches die Österreicher einmal von dem er-
lauchten Vogel erben werden, gar keine Ruhe
lassen.
Das Gerücht, daß Deutschland im Vorjahr
England den Krieg „erklären" wollte, ist schon
an und für sich sehr unglaubwürdig. Die
Engländer verstehen sich darauf doch viel
besser und brauchen sich wahrhaftig nichts
von Deutschland erklären zu lassen. . . .
Seitdem die Russen in der Nordsee bereits
japanische Torpedoboote gesehen haben, sieht
der deutsche Flottenverein die englische Flotte
schon die Spree aufwärts fahren.
Auch die Montenegriner erhalten ein Parla-
ment. Ein wichtiger Bestandteil desselben
ist ihnen übrigens schon längst genau bekannt:
der Hammelsprung.
Bülows Kummer.
„Der schwarze Automat will gar nicht mehr funktio-
nieren. Ich stecke die Millionen hundertfach hinein,
aber es kommt nichts dabei heraus!"
-s« Das Fleischnotdiner.
von 2, S.
Das schöne Hotel „Raiserhof",
Berühmt durch seinen Fraß und Soff,
Sah jüngst erlesne Scharen,
Die froh versammelt waren,
Um hier bei Sekt und Braten
Die Fleischnot zu beraten.
Bevor die Edelsten des Lands —
Denn diese waren's, voll und ganz! —
Zur Tagesordnung schritten,
Lrhnb aus ihrer Mitten
Sich frisch ein wohlbeleibter Mann
Und fing zu reden inunter an.
„Ich spüre von -er Fleischnot nichts",
So sprach er frohen Angesichts,
,,Und Renner haben mir gestanden,
Daß überall in deutschen Landen
Die Schweinerei in diesem Jahr
So blühend wie noch niemals war.
Das nationale Säneheer
Zählt anderthalb Millionen mehr —
wer da kann über Teurung schrein,
Der muß schon ein Berliner sein!
Indes, zwar, allerdings, jedoch:
Die Preise sind ein wenig hoch,
Und die wohlweise Obrigkeit
war' auch zu Helsen gern bereit,
wenn sie nicht klar und sicher wüßt',
Daß schon nach einer kurzen Frist
Der Übelstand beseitigt ist.
Doch wenn die roten Rotten grollen
Und nicht so lange darben wollen,
So mögen sie, anstatt zu fluchen,
Doch selbst die Schweinezucht versuchen!
Ich bin bereit, für diesen Fall
Zu liefern prompt das Material —
Denn in mir lebt die stolze Rraft,
Die hunderttausend Ferkel schafft!"
Mit diesem jähen Geistesblitz
Ließ pod sich nieder aus den Sitz,
Daß unter seines Leibes Last
Barst der Ministersessel fast.
Die Festgenossen Beifall brüllten
Und zechend ihren Wanst sich füllten.
Indessen vor -es Saales Tor
Der Michel steht und spitzt sein Ohr.
Er hörte -es Ministers Worte,
Die Faust schlägt dräuend an die Pforte:
,,wart, pod, mein witziges Ministerlein,
Dies Hohnwort soll dir unvergessen sein!
Ls kommt die Stunde, da verstummt dein Lachen,
Ls kommt derTag, wo wir zwei Rechnung machen!"
Deutschtum, Kultur und Freiheit.
€s wurde verkündet, dass Deutschtum Kultur
Und Jreibeit bedeute — in Gnesen.
Das bat jeder vaterlandsliebende Wann
Mit Stolz und mit Jreude gelesen.
Gin Nörgler, wer zweifelt, ein frecher Patron,
Gin vaterlandsloser Geselle;
er schüttle von seinen Pantoffeln den Staub
Und schreite flugs über die Schwelle!
Wer unsre Kultur in der Däbe besieht,
Dem muss ja das fjerz gleich erwärmen;
Dass andere Uölker noch lang nicht so weit.
Wird immer den Deutschen erbarmen.
Kasernen und Kirchen, die wachsen seit je
ln Deutschland hervor aus der Erden,
Darinnen die Menschen gar emsig gedrillt
Zu Stechschritt und Gottesfurcht werden.
So zieht man ein fromm und gehorsam Geschlecht
Und pfercht es in Kriegervereine;
Dort braucht es die Manier zum Rurrageschrei,
Zu wonnigem Strampeln die Beine.
Roch über der Schicht des Relotenpacks stehn
Die Leutnants und Referendare;
Die tragen die Bärtchen gen Bimmel gesträubt
U.id zierlich gescheitelt die Raare.
Da stehen viel Räte von jeglichem Rang,
Uiel Pfaffen, Minister und Richter,
Knackfüssiges Maler- und Bildbauervolk
Und Pauker, Lakaien und Dichter;
Uiel Schnapsproduzenten, viel Wucherer auch
Jius adligem blauem Geblüte —
Die repräsentieren der deutschen Kultur
Erfreulichste, duftigste Blüte.
Das sind sie, die strahlenden Ritter vom Geist,
Die preussisdren, offiziellen,
Die funkelnden Sterne am Rimmelsgezelt,
Die unsre Gefilde erhellen.
Die Jreibeit, entsprossen aus dieser Kultur,
Das heiligste, hehrste der Güter,
Die Jreibeit der Deutschen ist sicher gewahrt,
Rat treue und wackere Rüter.
Dass nimmer durch dreisten und freveln Gebrauch
Das Uolk diese Jreibeit entweihe.
Ist ihr polizeiliche Aufsicht bestellt
Und Wächter in zehnfacher Reibe.
„Das Deutschtum ist Jreibeit,dasDeutsdrtum Kultur,“
So wurde verkündet in Gnesen . . .
Und sämtliches Uolk schrie begeistert Rurra,
Was äusserst erbaulich gewesen. Secundus.
Glossen.
Wie Professor Schäffle in seinen Aufzeich-
nungen erzählt, sagte Kaiser Franz Josef
einmal zu ihm: „Ich bin ein Pechvogel". An
einem Kaiserwort, besonders an einem ge-
lungenen, soll man nicht herumklauben. Trotz-
dem will mir der Gedanke an das viele Pech,
welches die Österreicher einmal von dem er-
lauchten Vogel erben werden, gar keine Ruhe
lassen.
Das Gerücht, daß Deutschland im Vorjahr
England den Krieg „erklären" wollte, ist schon
an und für sich sehr unglaubwürdig. Die
Engländer verstehen sich darauf doch viel
besser und brauchen sich wahrhaftig nichts
von Deutschland erklären zu lassen. . . .
Seitdem die Russen in der Nordsee bereits
japanische Torpedoboote gesehen haben, sieht
der deutsche Flottenverein die englische Flotte
schon die Spree aufwärts fahren.
Auch die Montenegriner erhalten ein Parla-
ment. Ein wichtiger Bestandteil desselben
ist ihnen übrigens schon längst genau bekannt:
der Hammelsprung.
Bülows Kummer.
„Der schwarze Automat will gar nicht mehr funktio-
nieren. Ich stecke die Millionen hundertfach hinein,
aber es kommt nichts dabei heraus!"