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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0234
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4804

-L» Vcrs nationale Schwein.

Ls braust ein Ruf wie Donnerhall,

Das Lcho schallt von jedem Stall:

Das Schwein, das Schwein, das deutsche Schwein,
Das Schwein muß noch viel teurer sein!

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Lin fremdes Schwein kommt nicht herein!

Durch alle Ställe zuckt es schnell,

Halb Grunzen ist es, halb Gebell:

Der Schweinezüchter, dreist und stark,

Bewacht die hcil'ge Landesmark.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Lin fremdes Schwein kommt nicht herein!

Lr blickt mit frommer Reverenz
Auf pod, die Schweine-Lxzellenz,

Und schwört mit stolzer Zuversicht:
„verhungert nur, das rührt uns nicht!"

Lieb Vaterland, magst ruhig feilt,

Lin fremdes Schwein kommt nicht herein!

So lange sich mit Schweinemast
Der deutsche Junker noch befaßt
Und Ferkel zieht im märk'schen Sand,

Betritt kein fremdes Schwein das Land.

Lieb Vaterland, magst ruhig fein,

Lin fremdes Schwein kommt nicht herein!

Das Ferkel quiekt, es grunzt die San,

Der Junker tanzt mit seiner Frau:

Das Schwein, das Schwein, das deutsche Schwein,
Das bringt uns goldne Schätze ein.

Lieb Vaterland, magst ruhig fein,

Lin fremdes Schwein kommt nicht herein!

fln den Parteitag.

Seit) uns gegrüßt, Genossen,

Die Heuer unsre Wahl
Zu ernstem Tun berufen
Ins grüne Saaletal!

Arbeiten harren eurer
Fürwahr im Überfluß,

Und frisch zu Knacken gilt cs
So manche harte Nuß.

So manchen Pfad zu ebnen
Ins neu erschlossue Land,

So manchen Streit zu schlichten
mit weiser Freundeshand.

Nicht leicht sind eure Pflichten —
Doch wird uns drob nicht bang:

Es wird auch jetzt gelingen,
was früher euch gelang!

So prüfet Kund'geu Auges
Die Rüstung, altbewährt,

Und schärft zu frischem Rumpfe
Uns unser gutes Schwert!

wir aber stehn in Treuen
Euch Mann für Mann zur Seit'.
Und harren eures Rufes,

Siegfroh und kampfbereit!

Jena.

Jena (auf französisch: „Sedan") gehört zu
den ältesten Städten Deutschlands. Bereits
seit dem zwölften Jahrhundert liegt es am
linken Ufer der Saale — wie es scheint, in
schwer zugänglicher Position, denn länger als
ein halbes Jahrtausend hat es warten müssen,
bis die deutsche Sozialdemokratie es entdeckte,
und durch die Wahl zum Sitz des Partei-
tages 1906 seinen Namen in weiteren polizei-
lichen Kreisen bekannt machte.

Die Zahl der Einwohner betrug nach
der letzten Zählung 15000. Die Bevölkerung
hat sich also — von der Begründung der Stadt
an gerechnet — jährlich nur um 2^/» Seelen
vermehrt, was wohl daraus zu erklären ist, daß
ein großer Teil der Einwohner, die sogenann-
ten „Burschenschafter", lange Zeit hindurch
einem strengen Keuschheitsgelübde unter-
tan war. Seit einigen Jahren ist es aber
gelungen, darin Wandel zu schaffen, und
so erscheint eine gedeihlichere Entwicklung
des Gemeinwesens für die Zukunft garan-
tiert.

Den zahlreichen theologisch gebildeten Dele-
gierten des Parteitags wird es interessant sein,
zu erfahren, daß der uralte Gelehrtenstreit um
die Frage, wo auf Erden das Paradies ge-
legen habe, von den Eingeborenen Jenas seit
langer Zeit entschieden ist. Das Paradies lag
und liegt noch heute, wovon sich jeder durch
den Augenschein leicht überzeugen kann, in
der nächsten Umgegend Jenas, nicht weit von
der Grabenpromenade. Der Ort ist natür-
lich zeitgemäß renoviert, die Schlange aus-
gerottet, der Baum der Erkenntnis abgehauen.
Auch der Engel mit dem feurigen Schiverte
waltet nicht mehr seines Amtes, ist aber durch
einen tatkräftigen Hausknecht ersetzt, so daß
derjenige, der seine biblischen Studien dort bis
in fpätereNachtstunden hinein ausdehnen will,
noch heute leicht eine „Austreibung aus dem
Paradiese" erfahren kann.

Für die verschiedenartigen individuellen Be-
dürfnisse der Delegierten bietet der Ort die
mannigfaltigsten Gelegenheiten zur Befriedi-
gung. Die Diplomaten der Partei werden
gern im „Fuchsturm" weilen. Wer es nötig
hat, seinen Scharfblick zu vergrößern, mag sich
an die berühmten Zeißschen Anstalten wenden.
Zur Sanftmut und Milde neigende Gemüter
dürsten in dem beliebten „Lichtenhainer",
nach neuester chemischer Analyse ein leicht
verdünntes Saalewasser, eine ihrer Indivi-
dualität entsprechende Nahrung finden, wah-
rend scharfen Polemikern die in einem Nach-
bardorfeJenas hergestellten „Ziegenhainer"
zur Stärkung ihrer Persönlichkeit willkommen
sein werden. I.

Nummer 5 oo.

Am Webstuhl unsrerZeit, der faufcnö
Wirkt an des neuen Geists Gewand,
Da brachten nun ein halbes Taufend
Der roten Rummern wir zu Stand;
Es ließ uns niemals noch erbeben
Der Finsterlinge Haß und Fluch,
Und weiter geht das emsige weben
Und heller stammt das rote Tuch.

Db auch das Rindvieh sich erbose
An dieser Farbe frischer Glut —

Wir wissen, aus der Zeiten Schooße
Geht doch hervor das höchste Gut;
Drum werden fröhlich stets wir singen
von jenem holden Morgenrot,

Das wird dem armen Volke bringen
Dereinst die Freiheit und das Brot.

viel ekle, gift'ge Rebel wallten
Dft um uns wie ein trostlos Meer,
Es sandte dräuender Gestalten
Die Reaktion manch wildes Heer;
Doch stets von neuem ist gefahren
Der rote Strahl in dunkle Rächt,
Dann wurden derGefpenster Scharen
Mit frischem Mut hinweg gelacht.

Es drängen sich der Feinde Massen,
Herbeigeströmt von weit und breit,
Sie müssen all sich spiegeln lassen
Bei uns in ihrer Herrlichkeit.

Und man chen.dervoll Wut und Tücken
Dort tobt und brüllt so überlaut:
Bei uns, da könnt ihr ihn erblicken
Als Esel in der Löwenhaut. A. z.
 
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