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4805

Der Katholikentag in Straßburg beschloßt daß die Arbeitgeber sich in Zukunft
vor jedem großen Beutezug den Segen des Papstes erteilen lassen sollen.

m ßobelfpäne. eT

Die vielen hohen Steuern
Ach, sie erdrücken uns fast
Erleichterung tut nötig
Von dieser schweren Last.

Geduld! Der Herr von Stengel,

Der müht sich ab enorm,

Er wird uns baldigst bringen
Nun die Finanzreform.

Und schon bei dem Gedanken
Sind wir gar tief gerührt.

Weil jeder in den Taschen
Schon die Erleichterung spürt!

Die Agrarier behaupten, daß sie auch genügsam sein können —in
geistiger Beziehung wird es schon seine Richtigkeit haben.

Wenn Gott es regnen läßt, gedeihn
Nicht nur des Reichen Rosen allein.

Nein, auch die Nesseln des Armen!

Jeder Erfinder ist mehr oder minder ein Attentäter auf das
Bestehende; darum hütet sich auch die Bureaukratie so streng, auch
nur das Geringste zu erfinden.

In keinem Lebewesen
Ist der Naturtrieb still;

Gewahrt der Bock die Ziege,

So weiß er, was er will.

Die Astronomen haben viele Gründe für die letzte Sonnenfinsternis
angegeben. Einen haben sie übersehen: sie folgte unmittelbar auf
den Katholikentag. Ihr getre((er Säge, Schreiner.

Kein friede!

Alle jubeln sie zusammen
Und die Kirchenglocken läuten,

Und die Menschen sind glückselig:
Frieden hat es zu bedeuten!

Nicht mehr raufen die Kosacken
Blutig mit den gelben Teufeln,

Aus ift's mit dem Menschen schlachten,
Niemand kann es mehr bezweifeln.

Wirklich? Herrscht nun statt des Haffes
Nur die Liebe und die Güte?

Ach, wie ziehn die Friedensklänge
Lieblich mir durch mein Gemüte!

Torheit! Nur in Hinterasien
Fetzt die Donner schweigen sollen.

Hör' ich sie doch ganz vernehmlich
Noch in Vorderasien rollen!

Denn des Nuffenvolks Erhebung
Fst dort noch nicht abgeschlossen,

Dort spielt man mit der Verfassung,
Dort wird noch aufs Volk geschossen.

vor dem Blutstrom der dort stiebet,
Flohen längst die Friedenstauben,

Und in diesem großen Kampfe
Kann kein Mensch an Frieden glauben,

Bis daß sich die Feit erfüllet,

Die das Morgenrot läßt schimmern
Und der alte Despotismus
Endlich liegt in taufend Trümmern!

Nur kein Friede, bis der Hochmut
Des Kolosses erst gedämpft ist.

Nur kein Friede, bis die Freiheit
Für das Nussenvolk erkämpft ist! ji. z.

In Buddes Extrazug.

Or. Rauschbart, eifriges Mitglied des Flotten-
vereins, war in Swiüemünde gewesen und
beim Anblick der beiden Geschwader über-
geschnappt. Auf der Rückfahrt benützte er jede
Station, um mit Hilfe von Bier sein Tonnen-
gehalt und durch Schnaps seine Pferdekräfte
festzustellen. Dies gelang ihm so gut, daß er
sich kurz vor Berlin wie ein Panzerkreuzer vor-
kam, nach allen Seiten Signale gab und den
Stationsvorsteher, der ihm das verbot, in den
Grund bohren wollte. Durch einen Flanken-
angriff zweier Bahnportiers wurde er über-
wältigt und nach Dalldorf gebracht, wo die
Ärzte akuten Flottenkoller feststellten.

Lieber Jacob!

Bille herzliche Jlickwinsche zu det Jubeläum
von deine fünfhundertste Niederkunft! Wer,
wie ick, sieben lebendije Kinder in de Welt
verholfen hat, der weeß, wat for Schwitz et
lostet, sich mit Anstand zu vervielfältijen. Ick
meene damit nich de Erzeijung selber, wat
ja 'n selbstverständlicher Akt der Naturjesetze
is, sondern det ooch wat Propperes bei 'raus-
kommt. Un det kann ick dir — ohne schmeicheln
zu wollen, sagen, deine fünfhundert Ablejer
sind stramme Jungens, zwar 'n bisken jroß-
schnauzig un rotznäsig — det liegt nu mal
in de Familje —, aber mit 'ne jesunde Brust
un 'ne jesegnete Verdauung. Det se sich nich
jerade jeden Zeitjenossen zum Freind machen,
is keen Unjlick nich. Denn wer manchmal
eenen Lausekerl uff deHihneroogen zu trampeln
oder 'n Schweinigel de Fenstern inzuschmeißen
hat, der is nich jeeijent, sich det alljemeine
Wohljefallen zu erwerben. Aber da machen
wir uns ooch nischt draus: wir sind nu mal
sojenannte „impulsive Naturen".

Bülow, jloobe ick, liest dir nich, aber der
Staatsanwalt jenießt dir rejelmäßig — da
kannste Jift druff nehmen! Un det is am Ende
ooch schmeichelhaft un nitzlich. Schmeichelhaft
for dir un nitzlich for ihm, indem det er ville
Feines von dir lernen kann, selbst wenn er
so jeistreich is, wie wir et von de Mehrzahl
der deitschen Staatsamvälter mit Recht je-
wohnt sind. Darum rate ick dir: die Freind-
schaft halte dir warm un sieh, det de seine
Hochachtung nich verlierst. Denn der Staats-
anwalt is for dir, wat der Brechdurchfall for
liebevolle Eltern is: eh du dir versiehst, hat
er eens von deine Lieblinge dahinjerafft, un
denn sitzste da un weinst!

Erhalte ooch deine noch foljende Nachkom-
menschaft bei jute Jesundheit un sorge dafor,
det det nächste Halbdausend ebent so jut je-
rät wie det erste. Denn die Kinder deiner
Liebe sind ne Notwendijkeit for de moderne
Kulturentwicklung. Unsere Zeit neigt leider
dazu, allens uff de leichte Schulter zu nehmen
un sich aus nischt wat zu machen un in ihre
Pietätlosigkeit unsere heiligsten Jieter for '»
Nasenpopel zu erachten. Da is et denn 'n
Sejen, det eener wie du, der de Fijur zu hat
un den det moralische Pathos jut zu Jesicht
steht, de irrende Menschheit zu Jott zurickfiehrt.

Ick hätte dir meine Sejenswinsche zu deinen
Jubeltag jerne mindlich ieberbracht un dir
ooch jerne wat jeschonken — aber mir man-
gelte zu beides det neetije Reisejeld, indem
det meine liebe Frau mir wieder mal mit 'n
Familjenzuwachs zu ieberraschen in die anje-
»ehme Lage is. Jott sei Dank, det sich dieser
freidije Borjang nich, wie bei dir, alle vier-
zehn Dage wiederholen tut!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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