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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0272
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- 4842


I

KL Hübnern änner. LT

6s wuchs uns zwischen Rhein u. Memel heran ein ganz apart Geschlecht,
Das macht zu seiner Süsse Schemel juristisches und ew’ges Recht;

Die Stirn ist aus granitnen Quadern, bedeckt mit hohem Seidenhut
Und in der Biedermänner Jtdern Messt träge kaltes weisses Blut;

Als ihre blosse Konkubine betrachten sie des Staates Macht,

Und als Multipliziermaschine dient ihr Gehirn bei tag und Dacht.

6in Ijerz von ihnen zu verlangen, und wär’s auch nur ganz nebenbei,
6in Fjerz voll fjoffen und voll Bangen - es ist die ärgste Simpelei.

Sie wussten’s längst in sich zu töten, sie überlassen es dem Pack,
Und sie mit so was anzuöden, verrät den schlechtesten Geschmack.
(Denn sie nur Gold zusammenraffen, mit stetem Blicke auf die Ubr-
Die Menschen, die die lüerte schaffen, sind ihnen tote Ziffern nur,

Sind dazu da, für sie zu fronen, von Arbeit und Gntbehrung blass,
Sind dazu da, die edlen Drohnen zu füttern ohne Unterlass,

Und mag die Hot die Zähne fletschen - sie leugnen alle Pflichten keck:
entbehrungslohn herauszuquetschen, ist ihres Daseins einz’ger Zweck.

(Das sie sich einmal vorgenommen, das führen sicher sie zum Ziel,
Ob drüber Dausende verkommen, gilt ihnen einen Pappenstiel,

Und wenn die Frauen und die Rinder zu hunderten zugrunde gehn,
Das ist für die honetten Schinder ein Skrupel, den sie nicht verstehn.

Sie werden deshalb ruhig schlafen auf weichem Pfühl die lange Dacht;
Sie brauchen willenlose Sklaven, die zittern vor dem (Dink der Macht,
Und wenn der (Deg zu freiem Schalten auch über viele Gräber führt
Don Rindern und von schwachen Alten - die ßerren gehn ihn ungerührt.

Sie möchten auf die Kniee bringen das trotzig-strebende Geschlecht,
Und um das endlich zu erzwingen, ist ihnen jedes Mittel recht.

„Ich bin der fjerr, ihr seid die Knechte, wie gross auch immer eure Zahl!
Gin Rungerlohn und keine Rechte!" Das ist ihr altes Ideal.

Das Ideal, das eines Cages, wenn man umsonst zum Frieden riet,
Die volle (Ducht des Gegenschlages herab auf ihre Häupter zieht.
(Denn beut’ das Schiff an dieser Klippe vorüberzog trotz (Dogenpralls,
An unsrer Kühnemänner Sippe lag dieser Ausgang keinesfalls! R.c.

Friedrich Harm.

Einen der Besten ans unseren Reihen hat der uner-
bittliche Tod dahingerafft. Friedrich Harm in Elber-
feld gehörte zu denen, welche die ersten Srürme der
deutschen Arbeiterbewegung miterlebt und durch ihre
zähe, rastlose Energie dem siegreichen Wachstum der
Sozialdemokratie die Wege geebnet haben.

Am 25. August ^844 wurde Harm in Leezen. Areis
Seegeberg, in Holstein geboren. Er wurde Weber und
wanderte in die fremde, wo er sich dem Allgemeinen
deutschen Arbeiterverein anschloß und seine freie Zeit
benützte, um für die Grundsätze des Sozialismus neue
Anhänger zu werben. Ende der sechziger Jahre ließ er
sich im Wuppertal nieder, wo er mit kurzer Unterbrechung
bis zuletzt für die Partei gewirkt hat. Als Lohn für seine
treue Hingabe wurde ihm s884 die Reichstagskandidatur
für Elberfeld zuteil, und er wurde zur Freude der Partei
auch gewählt. Vierzehn Jahre lang war er im Reichstag,
und auf ihn ist das Gesetz zurückzuführen, welches den zu
Übungen einberufeuen Reservisten und Landwehrleuten
Entschädigungen zusichert. Auch die Verfolgungen durch
das Sozialistengesetz mußte er mir erdulden und gehörte
unter anderem auch zu den Angeklagten in dem großen
Elberselder Sozialistenprozeß.

Im Jahre J898 trat er auf seinen Wunsch von dem
Reichstagsmandat zurück, vermochte aber noch bis \903
der Partei seine Dienste als Agitator zu widmen. Ein
schweres Herz- und Rierenleiden hat feiner Arbeit ein
unfreiwilliges Ende bereitet, und am Wahltage des
Iahres J903 mußte er sich aus dem Arankenhaus ins
Wahllokal transporlieren lasten, um noch seine Stimme
für die Partei in die Wagschale werfen zu können. Seit-
dem hat er schwer gelitten, und der Tod war ihm eine
Erlösung von fast ununterbrochenen Hualen. Die Partei
wird dem kühnen Vorkämpfer ein ehrenvolles Andenken
bewahren und seinem vorbilde nachzustreben suchen.

ver Hexenkessel.

Die Herren Diplomaten
War'n wieder mal dabei,

3m alten Hexenkessel
3u kochen ein Gebräu.

Und aus den mächt'gen Dämpfen
Lmpor ein Schemen stieg.

Das war grad anzuschauen
Wie der leibhaft'ge Krieg,

Der blutig seine Geißel
Db allen Völkern schwingt,

Und der den blüh'nden Ländern
Tod und Verheerung bringt.

Zum Glück zerstoß der Schemen
Noch einmal zu lauter Dunst;

Ls stuchen alle Völker
Der Diplomatenkunst.

Ls wird nicht besser werden,

Bis sie den Abschied kriegt

Und bis der Hexenkessel

Zum alten Lisen fliegt. y. §t.

Er ist kein Anmensch.

Fabrikdirektor Klotzig hatte von der sozial-
demokratischen Presse die Wahrheit über seinen
Betrieb gesagt bekonimen. Infolgedessen
schmeckte ihm das Mittagessen nicht. Erwandte
sich an das Dienstmädchen:

„Da — Anna — nehmen Sie die volle
Kompottschüssel und tragen Sie sie in die
Fabrik. Diese Hetzer sollen mal sehen, wie ich
praktische Sozialpolitik treibe!"

Guter Rat.

Im Schützenhause zu Annaberg konnte eine
Buchbindereiarbeiterversammlung nicht statt-
stnden, da der überwachende Beamte wegen
mangelhafter Heizung fror. Woraus die Lehre
zu ziehen ist, daß die Arbeiter der Polizei in
Zukunft etwas mehr einheizen müssen.

Ein kleiner Etikettefehler.

Samuel Maharero hatte Frieden gemacht
mit dem großen General des mächtigen Kaisers.
Er war wieder in Gnaden ausgenommen wor-
den und erhielt den Orden Uour le nwrite.
Jeder Posten hat vor dem Ding zu präsen-
tieren — das wußte Samuel, und deshalb
ging er stolz durch Windhoek spazieren.

Drei Tage später traf eine gesalzene Be-
schwerde von ihm auf dem kaiserlichen Gouver-
nement ein: der Posten präsentiere immer erst
daün, wenn er, Samuel, schon vorbei wäre.

Als man» nachforschte, entdeckte man, daß
der verdammte Wollschädel sich den höchsten
preußischen Kriegsorden hinten vorgebunden
hatte! ,

An die Norweger!

Es hat euch nun gewinkt das Glück,

Zu kriegen eine Republik,

Ihr aber späht in Europa umher,

Wo schnell ein Herrscher zu finden wär'!

Gehabt euch wohl, norwegische Brüder!

Die Chance kommt so bald nicht wieder!

Abhilfe.

Ein Volksschullehrer beklagte sich bei seinem
Schulrate darüber, daß infolge der schlechten
Zeiten den Kindern beim Unterricht fortwäh-
rend der Magen knurre. Das sei bei seiner
großen Schülerzahl recht störend, so daß der
Unterricht bis zu Eintritt besserer Zeiten besser
ausfallen würde.

„Ausfallen? Nein, das geht nicht", erwiderte
der Herr Schulrat, „aber wissen Sie was,
wenn die Sache gar nicht mehr gehen sollte,
dann halten Sie von jetzt ab, damit man das
Knurren nicht so hört, nurnoch Sing stunde ab."

Ein Bekenntnis.

Wenn ick Suppe, Braten un Jemüse habe,
will ick jern uf dem Kompott verzichten.

Schulze.

Im Dienste königstreuer
Eisenbahnarbeiter.
 
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