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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0273
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4843

Alpdrücken.

Dun bin ich wieder froh und aufgeräumt,

Doch beute früh lag mir’s wie Blei im Magen:

Ich batte nämlich dummes Zeug geträumt,

Und in die Knochen war mir das geschlagen.

Um mich nicht weiter mit dem Craum zu quälen.
Will ich hier seinen Inhalt gern erzählen.

Im tiefsten Frieden gingen wir zu Bett,

Nachdem den nöt’gen Schlaftrunk wir genommen,
Doch über Dacht, da hatten unser Jett
Durch König Eduards Jlotte wir bekommen.

Wie Nelson einst erschien vor Kopenhagen,

So hatte man den Krieg ins Land getragen.

Denn während wir in unserm Kahn geschmort.
Wie man mit ruhigem Gewissen nächtigt,

War unsre Jlotte in den Grund gebohrt;

Man hatte sich der Seestadt Kiel bemächtigt
Und war, nachdem auch der Kanal genommen,

Mit hunderttausend Mann ans Land gekommen.—

In Scbweiss gebadet bin ich aufgewacht,

Und sehr allmählich nur ist es zerronnen,

Das fabelhafte Schreckphantom der Nacht,

Und nur allmählich bab' ich mich besonnen:

„Die hunderttausend Englisbmen zum Landen,

Die sind ja — in ganz England nicht vorhanden!“

Vom verflossenen Handelsminister.

Den langen Möller hat sein verdientes
Schicksal erreicht. Er war eben gar zu lang
und daher hat er halt — oben angestoßen.

Der lange Mölleristwohl der längste Minister,
aber nicht „am längsten" Minister gewesen.

Lieber Jacob!

Nu haben wir also durch die. erfolgreichen
Bemiehungen unseres staatserhaltenden Jroß-
jrundbesitzes jlicklich ooch die Cholera janz in
die nächste Nähe bekommen. In een verlaustes
Junkerparadies bei Stolpe an die Nordbahn
is sie unter jalizische Arbeeter ausjebrochen,
un der Pächter pon bet adelije jRitterjut hat.
bereits die umfassendsten Maßrejeln jetroffen,
det — seine Milchwirtschaft nich drunter leiden
tut. Die Leite jraulen sich nämlich vor die
aus diese edle Quelle koinmende Flissigkeit un
verweijern de Abnahme. Da hat denn der
Mann — et is ’n pangsionierter Hauptmann —
in ’n wehmietijes Rundschreiben an seine hoch-
jeehrten Abnehmer die heilste Versicherung je-
leistet, det seine Milch so rein is, wie seine
agrarische Jesinnung, un det se mit den jali-
zischen Dreck in jar keene Beriehrung nich je-
kommen wäre. Der Dreck soll nämlich selbst
for patriarchalische ländliche Verhältnisse ’n
bisken knollig jewesen sind, un et is ’n Jammer,
det der hochwohljeborene Besitzer von det Jut,
een keeniglicher Kammerherr, nich nebenbei
ooch Kammerjäger is — er hätte sonst uff
die Köppe von seine jalizischen Lieblinge die
scheensten Parforze- un Hubertusjagden ver-
anstalten können. Schade is et ooch, det die
braven Jalizier nich die Rinderpest oder die
Schweineseuche einzuschleppen in die Lage sind:
in diesem Fall wäre Podbielski schon längst
hinter sie her un hätte die Grenzen jesperrt.
Die Cholera scheint aber nach die besagten
Umstände ’ne agrarjerfreundliche Krankheit zu
sind.

Ooch sonst erleben wir jejenwärtig in unsere
ausländischen Beziehungen keene rechte Freude
nich. Die Engländer, die Franzosen, die Ital-
iener, die Dänen lieben uns nich, un wat die
russischen Erbfreunde sind, die leisten zwar

„Erwerbsgenosse Möller."

„Sie, Herr Minister, imponieren mir
noch lange nicht. Wenn Sie den nöti-
gen Spiritus im Kopfe hätten,
wäre aus Ihrem Kupferhämmerchen
längst etwas anderes geworden."

Geheimer Kommerzienrat Kirdorf.

Merkur a. D.

fcobelfpäne.

Und wiederum in Kattowitz
Bekam das Zentrum Schmisse,

Der schwarze Fledermäuseturm
Zeigt immer tiefre Risse,

Bis endlich durch der Zeiten Macht
Der finstre Bau zusammenkracht.

Die Diplomaten treiben dasselbe traurige
Handwerk in der Politik, wie die Geheim-
mittelschwindler in der Medizin. Wie diese
nehmen sie den Leuten erst gehörig das Geld
ab, und dann kurieren sie sie zu Tode.

Ihr Völker, denkt an Delcass«,

Kocht selbst euch euer Frieass«!

Dann wird’s bedeutend besser schmecken

Und kein Bauchgrimmen mehr erwecken.

Weil eine Frau vor einem Arbeitswilligen
ausgespuckt hatte, wurde sie mit Gefängnis
bestraft. Der Richter war jedenfalls der
Meinung, daß ein Arbeitswilliger nicht das
Anspucken wert ist.

Ich ärgere mich ganz enorm
Ob jeglicher „Finanzreform";

Das Wort allein macht mir schon Qualen,
Denn es bedeutet: Wir sollen mehr zahlen!

Erst haben die Russen und Japaner gegen-
einander gejochten, und nun müssen sie ge-
meinsam bei anderen fechten gehen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

als jlänzende Vorbilder in Staatsweisheit un
nazjonale Kulturpflege die deutsche Rejierung
ville sejensreiche Dienste, aber uff unsere Lie-
besbewerbungen antworten sie man bloß mit
trockene Worte un saftije Ribbenstöße. Jn’t
Nachbarhaus von uns wohnte mal uff'n Hof
’n älteres Mächen, det seine Nahrung abends
in de Friedrichsstraße nachjing. Da seine Reize
selbst for bescheidene Ansprüche nich jerade
verlockend waren, fand et trotz seinem sehr
entjejenkommenden Wesen nirjends keeneJejen-
liebe nich, und et jing ihm andauernd kletrig.
Der Ludewig, wat’n Russe soll jewesen sind,
schimpfte un verballerte et jeden Tag, aber
et hing trotz alle Fußtritte wie 'ne Klette an
den Lausekerl, un versuchte sein Jlück immer
wieder verjebens uff die Straße. Jet weeß
nich, bei die Erinnerung an diesen vernnjlick-
ten Lebenswandel fällt mir immer unsere
nazjonale hohe Politik ein — wahrscheinlich,
weil det Mächen wejen ihren torkelijen Jang
von ihre Bekanntschaften immer die Zickzack-
Olja jenannt wurde.

Die Heilsarmee scheint nu ooch ihre scheen-
sten Tage hinter sich zu haben. Ick hatte die
fidelen Onkels un Tanten immer riesig jern
und wenn mir mal eenen Abend jar zu mise-
petrig war, dann brauchte ick bloß uff’ne
Stunde in eens von ihre relijieesen Tingel-
tangels zu jehen, un hatte jleich for die janze
Woche wat zum Lachen. Aber der liebe Jott
hat mit seine Feldwebels keen Jnsehen nich
jehabt un nu soll sich der Staatsanwalt mit
sie bemengelieren. Ick sage et immer: die
Soldatenspielerei bringt Maleer — janz ejal,
ob sie mit Hurra oder mit Hallelujah betrie-
ben wird!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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