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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0014
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— 4924

Lin wintertag. Zeichnung von S.E.Lau.

Eiir Wintertag.

(Zu obigem Bild.)

Ein Wintertag. Das Land verschneit.

So weit auch deine Augen schaun
Nur weiße Wintereinsamkeit,

Voll Flockenpolster jeder Zaun.

Den Äimmel wölkt des Abends Äauch.

Ties steht die Sonne schon im West,

Und fröstelnd starrt an Baum und Strauch
Das schneebehangene Geäst.

Still liegt das Land. Ein Mütterlein
Stapft durch den Schnee. Sie schleicht gebückt.
Ein Reisigbündel, nicht zu klein,

Ihr hart den alten Rücken drückt.

Ein Krähenvolk schnarrt überm Weg.

Schon dunkelt jeder Schatten nach.

Der Sturm setzt ein. Weiß blinkt der Steg.
Zur Riiste geht der Wintertag. Ludwig Lesse».

Zur Flottenpolitik.

Schreiben des Quartaners Wilhelm Müller in Dammels--
hausen an seinen Freund, den Quartaner Emil Reumann
in Berlin.

Lieber Emil! Wie Du wohl gehört haben
wirst, sind in mehreren Städten die Gym-
nasiasten zu der festen Überzeugung gekommen,
daß es mit dem Bau der deutschen Flotte
noch viel schneller gehen müsse. Sie haben
deshalb Schülervereine gegründet und be-
schlossen, von ihrem Taschengeld so viel zu-
sammenzulegen, daß ein netter kleiner, nicht
zu teurer Kreuzer davon gebaut werden kann.

Mein Papa, der — unter uns gesagt — das
verdammte Saufen noch immer nicht lassen
kann und daher viele unangenehme Affären
mit den Vorgesetzten bestehen muß, hat sich
in letzter Zeit mit großer Lebhaftigkeit auf
die Flottenagitation geworfen, worauf seine
Stellung als Staatsanwalt sich sehr wesent-
lich verbesserte. Mein Papa riet mir nun,
auch hier in Dammelshäusen eine Flotten-
beivegung unter den Schuljungens ins Leben
zu rufen. Neulich fand die Gründungsversamm-
lung statt. Mein Papa hatte uns dazu unsere
gute Stube eingeräumt und ein Achtel Bier zur
Verfügung gestellt. Die Versammlung nahm
einen angeregten Verlauf. Leider hatten einige,
die so viel Bier nicht vertragen konnten, unseren
großen Smyrnateppich furchtbar verunreinigt,
weshalb meine Mama sehr böse war und die
Versammlungen des Flottenvereins in Zukunft
wo anders stattfinden müssen. Eine heftige
Debatte gab es wegen meines Freundes Meyer,
den einige Nörgler ausschließen wollten, weil
er doch damals dem Schulze die Bücher ge-
stohlen und verkauft hatte. Ich setzte aber
seine Aufnahme in den Verein durch, weil
mir mein Papa gesagt hatte, Meyer dürfe
unter keinen Umständen fehlen, da sein Vater
Vorsitzender des konservativen Wahlvereins
und des Vereins für innere Mission sei.

Meine Schwester bat mich, wir sollten mit
dein Bau noch drei Jahre warten, da sie dann
eingesegnet sein wird und gern den Stapel-

lauf vollziehen möchte. Sie hofft dann ebenso
berühmt zu werden wie die Alice Roosevelt
in Amerika, deren Porträts man ja immer in
der „Woche" und auch in anderen Witzblättern
sieht. Bis jetzt sind aber erst eine Mark und sieben
Pfennig zusammengekommen, und die Mehrzahl
der Vereinsmitglieder hat leider erklärt, daß
sie ihr Taschengeld für andere Zwecke ganz
notwendig brauchten und daher der Flotten-
propaganda nur noch ihre moralische Unter-
stützung leihen könnten. Schade, daß es uns
nicht möglich ist, die Geldsumme durch indi-
rekte Steuern herbeizuschaffen, von denen mein
Papa immer sagt, daß sie klotzig viel Geld
einbringen, ohne den besseren Kreisen Unkosten
zu verursachen.

Vielleicht ist es unter diesen Umständen
besser, wenn wir den Kreuzer nicht auf Be-
stellung bauen lassen, was ja immer teurer
ist, sondern irgendwo einen fertigen zu kaufen
suchen. Sei doch so gut, einmal bei Wertheim
oder Tietz nachzufragen, was sie da kosten.
Es kann schon einer von den ganz billigen
sein. Mein Papa meint, es käme überhaupt
nur auf die gute Gesinnung an, die wir durch
das patriotische Unternehmen bekunden, und
er hat auch dafür gesorgt, daß die' Sache in
die Zeitung gekommen ist. Seine Meinung,
daß die Gründung unseres Flottenvereins
meine Aussichten auf Versetzung nach Tertia
verstärken werde, kann ich allerdings leider
nicht teilen. Mit fünf Fächern „Ungenügend"
ist für Ostern absolut nichts zu hoffen, selbst
wenn meine besseren Leistungen im Singen
und Turnen mehr in Betracht gezogen werden
sollten, als es bisher geschehen ist.

Mit besten Grüßen

Dein Freund Wilhelm..
 
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