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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0019
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Der Heldenmut der KofaKen

<§2 Hovelspäne. eT

Das erfolgreichste Theaterstück der Neuzeit ist die Tragikomödie
„Der Kuhhandel", verfaßt von Spahn und Gröber. Das Stück hat
die Eigentümlichkeit, daß es nicht vor, sondern hinter den Kulissen
aufgeführt wird. . , *

Weinschmierer in der schönen Pfalz
Frohlocken allerorten.

Weil endlich der Sartorius
Ihr Sündenbock geworden.

Sie werden auch in Zukunft noch
Ein groß Geschrei vollführen,

Und, wenn's nicht merkt die Polizei,

Ganz ruhig weiter schmieren.

„Der Landwirtschaft ist jetzt endlich geholfen worden", sagte freude-
strahlend der Kleinbauer Jochen zu seiner Frau, „der gnädige Herr
kann jetzt wieder vierspännig fahren!"

Wir Deutschen bilden uns ein, „Feinde ringsum" zu besitzen, —
wir sind aber bloß „allgemein unbeliebt".

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

In Petersburg manch heißes
Gebet zum Himmel fliegt:

Die Revolutionäre
In Moskau sind besiegt.

Die „Ordnung" kehrt nun wieder,
Was das heißt, weiß inan schon,
Es rauscht mit dunklen Schwingen
Daher die Reaktion.

Verdreht nur eure Augen
So brünstig als ihr könnt,

Ihr steht doch erst am Anfang,
Statt, wie ihr glaubt, am End'!

,,Bisinarck"-wind.

Line wahre Geschichte.

<£s hat die Altmark eine Stadt,

Die den Ortsnamen ,,Bismarck" hat;

Von dort gibt's zu berichten
Merkwürdige Geschichten.

Lin Schlosser ging des Abends aus.

Zur Geisterstund' wollt' er nach LZaus,

Doch eh' er's könnt' erreichen,

Da ließ er —-einen streichen.

Alsbald erschien die Polizei,

Fand groben Unfug gleich dabei,

Sie hat den „wind" bekräftigt
Und das Gericht beschäftigt.

Die Strafe von fünf Mark ward nicht
Bestätigt von dein Amtsgericht.

Das der Naturkraft walten
Nicht wollt' zum Vergehn gestalten.

Jedoch der schneidige Amtsanwalt
Gab nichts auf die Naturgewalt,

Und also bracht' ganz stramm er
Den „wind" vor die Strafkammer.

Jedoch es sprach auch dies Gericht:

Solch „wind" ist ein Verbrechen nicht! —

Das Uammergericht nun befindet,

Ob strafbar, wer gewindet.

Und wenn es nun so weiter geht,
wer weiß, wohin der „wind" noch weht.

Und wie noch das Verbrechen,

Das nächtliche, sich wird rächen!

Drum, Freunde, kommt ihr nach Bismarck,

So seid in eurem willen stark,

Und führt euch auf nicht windig —

Die Polizei ist findig. §.§.

Der Trost.

Seit einiger Zeit siud die offenen Postkarten,
auf denen die Behörde etwaige Todesnach-
richten aus Südwestafrika den Hinterbliebene»
zu versetzen liebte, verschwunden. Man schickt
statt dessen jetzt immer zartfühlend einen Offizier.

Der Adjutant vom Bezirkskommando erhält
zum erstenmal diesen peinlichen Auftrag. Er
zieht dreifach Renntierlederne an — weil er
die Hand reichen muß — und begießt sich

literweise mit Kölnischein Wasser, denn er kann
den „Arme-Leute-Geruch" nicht vertragen. —
„Muß Ihnen leider... äh ... die traurige
Mitteilung machen, liebe Frau, daß Ihr Sohn
von den Hereros erschossen ist. Er starb für
Kaiser und Reich! Und wenn Sie vielleicht
sonst noch was trösten kann: ich bin vier
Treppen darum hochgeklettert. Mein Name
ist Schluckherr — Leutnant Freiherr von
Schluckherr. Morsen!!"

Lieber Jacob!

De „Wiederjeburt" des deitschen Volkes, zu
die Posadowsky doch neilich in'n Reichstag
animiert hat, scheint ja nu ooch schon mit
Elejanz in de Weje jeleitet zu werden. -Aller-
dings beweisen de älteren patriotischen Jahr-
jänge sich noch etwas hartleibig, aber bei de
Minderjährijen jeht et mit den „Opfermut"
schon haarig los, un wat de Leipzijcr Stu-
denten sind, die haben bereits in ihre ieber-
scheimende Vaterlandsliebe 'ne richtije Weih-
nachtsspende for de südafrikanischen Soldaten
uffjebracht. Leider sind allens in alles man
bloß fimfunzwanzig Mark zusammenjescheimt
— aber bet is doch schon immer 'ne janz er-
habene Leistung, wenn man bedenkt, det bet
Fest der Liebe an det Ende von'n Monat liegt,
wo de zukimftijen hoffnungsvollen Stitzen der
birjerlichen Kultur ihr janzes Jeld bereits ver-
soffen zu haben pflejen.

Ooch noch een anderer Teil von de aka-
demische Jugend hat et pletzlich mit den Idea-
lismus jekriegt. Wie nach de biblische Jeschichte
der Deiivel in de Säue, so is der Heldenmut
in hundertfuffzig deitsche Studenten jefahren.
Se haben sich bewaffnet un sind mit'n Dampfer
von Stettin nach Riga jereist, >vo se als frei-
willije Landsknechte for det in jroße Neete
sitzende, verivahrloste livländische Junkertum
zu kämpfen beabsichtijen. Jedenfalls niuß der

Kater schon sehr doll jewesen sind, der die
Brieder die Idee mjejeben hat. Dresche, scheint
mir, könnte» se doch uff ihre einheimischen
Fechtboden jenug besehen; dazu brauchten se
wahrhaftig nich in't Ausland zu jondeln. Wenn
de livländischen Bauern un Arbeeter uff'n
Platz sind, denn werden, jloobe ick, die studie-
renden Kosaken 'ne recht unanjenehme Erinne-
rung an diese Ferienreise mit nach Hause
nehmen!

Jedenfalls fehlt et de Russen in diese uff-
rejenden Zeiten nich an Amisemang. Schade,
det se wahrscheinlich nich de „Staatsbirjer-
zeitung" lesen: die kennte sie ville Verjniejen
bereiten mit ihren »eisten, jroßartijen Plan,
det janze südliche Rußland mit Jeivalt in't
Deitsche Reich inzuverleiben un dort deitsche
Ajrarier anzusiedeln. Det is det „Land unserer
Träume", sagt se, un se meent, so 'n kleener
russischer Feldzug wäre in de jejemvärtije
langstielije Zeit 'ne anjenehme Abwechselung.
Jedenfalls soll Pückler de Armee befehlijen
un Ahlwardt de Kriegskaffe verwalten. Un
wenn denn uff diese Weise det deitsche Vater-
land um det Doppelte verjreeßert is, denn
wird de „Staatsbirjerzeitung" ooch, dem Zu-
wachs der Bevölkerung entsprechend, sechs neie
Abonnenten kriejen, womit det erste Dutzend
endlich voll wäre un Ahlwardt sich 'n paar
neie Hosen koofen konnte.

Von erschitternde Mißjeschicke sind in de
letzte Zeit leider de eiropäischen Monarchen
verfolgt worden. Edeward von England is
vor kurzem erst in 'n Kaninchenloch rinjetrete»
un hat sich een Jottesjnadenbeen verrenkt, un
nu lese ick in de Zeitung, det Leopold von
Beljien sojar in dem Ehestand rinjetrete» is!
Ick sirchte — unter uns jesagt — det er sich
dabei ooch wat verrenken wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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