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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0042
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• . 4952

-?&• Aarneval.

Die Pritsche klappt, die Schelle klingt,
Hanswurst auf die Tribüne springt,

Und überall inr Deutschen Reich,

Da klappert's heut und klingt es gleich -
Allüberall Hanswurste!

Wir kennen sie nicht erst von heut
Lin Philosoph kam seinerzeit
And sprach: „Mir ward im Aops so dumm,
Als ging' ein Mühlrad drin herum -"
Allüberall Hanswurste!

Politikus, gespreizt und steif,

Der spricht: „Das Volk ist noch nicht reif !'i
And ist doch selbst ein Aindskops nur,
Schleift einen Zopf aus seiner Spur!
Allüberall Hanswurste!

Der Sittlichkeitsapostel kam,

Lr seufzt', erfüllt von Schmerz und Scham,
Gb der Verderbnis weh und Ach
And läuft doch jeder Schürze nach
Allüberall Hanswurste!

Der Patriot zum Vaterland
Zweckessend ist in Lieb' entbrannt;

Da soll er zahlen und er schreit:

„will man mich ganz denn plündern heut?"
Allüberall Hanswurste!

Der Dichter ruft: „Schenk deine Gunst,

O Volk, doch meiner hehren Aunst!"

And dichtet grad und dichtet krumm,
wenn's nur bezahlt das Publikum.
Allüberall Hanswurste!

Der Protz an seiner Tafel sitzt
And schmaust so emsig, daß er schwitzt,
And spricht: „Das größte Anglück heut
Ist doch des Volks Begehrlichkeit!"
Allüberall Hanswurste!

Du siehst, was hier, mein liebes Aind,
Doch alles für Hanswurste sind,

Und überzeugst dich wieder mal:

Das ganze Jahr ist Aarneval!

Allüberall Hanswurste! h.s.

faföjmgstrauer.

7ld), man kann es nicht bestreiten,
wenn der Blick die Welt durchirrt!
Schwer und trübe find die Zeiten
Und man weiß nicht, was noch wird,

Drum, die Brust voll bangem Leide,
Der besorgte Bürger spricht:

Keine rechte Zaschingsfreude
Gibt's in diesem Jahre nicht,

Unheil prophezeit» die weisen
Dem geliebten Vaterland,

Und in gutgesinnten Kreisen
Munkelt man so allerhand,

was im Schoß der Zukunft dämmert,
Dieses weiß man nicht genau;
Zedenfalls ist man belämmert,

Und der Börse geht es flau,

Rur mit angstbeklommnem Zögern
Blickt man nach den Kolonien,
wo im Kampf mit wilden Negern
Meistens wir den kürzern ziehn.

Glorreich knallen die Granaten,

Doch am End' — ich seh's voll Graus —
Geht von all den Ruhmestaten
puste uns und pinke aus.

Auch im Znnern steht's schon lange
Leider nicht so, wie es soll:
wühlend saugt die rote Schlange
Sich am Bürgerblute voll.

Dreiste Reden hört man schallen,
Aufruhr glüht aus jedem Blick,

Und man scheute vor Krawallen
pfui! — in Sachsen nicht zurück.

Sprich, wie soll ein Volk gesunden,
wenn ihm, ohne Scham und Scheu,
Selbst die Ehrfurcht ist entschwunden
vor der sächsischen Polizei? -

Auch bekümmert mich nicht wenig,
was im Rorden jüngst passiert,
wo man einen richt'gen König
Dhne Künd'gung exmittiert.

Doch vor allem schmerzt die Seele,
was man von dem Russen liest,

Der bei Tage Generäle
Auf den Straßen niederschießt,

Restaurants und Bäckerladen
plündert er und frißt sich satt,
Unerlaubte Barrikaden
Baut er mitten in der Stadt,

Der Gesetze, selbst der strengsten,

Spottet er mit frechem Hohn,

Und in fürchterlichen Ängsten
Sitzt der Zar auf seinem Thron,

Alles dieses macht mir Schmerzen,

Hat den Sinn mir tief bewegt;

Drum zu Maskenspiel und Scherzen
Bin ich heut nicht aufgelegt.

Unter düftern Trauerweiden
Harr' ich auf das Weltgericht —

Keine rechten Zaschingsfreuden
Gibt's in diesem Zahre nicht! z, s.

Der.Hamburger Wahlrechtsraub.

Es ist vollbracht! So jubeln laut
Die Geld- und Pfefferfacks-Magnaten.

Doch währt's nicht lange wohl, dann graut
Cs ihnen vor den eignen Taten.

Noch üben frech sie die Gewalt,

Noch wissen sie das Recht zu brechen
Scham- und gewissenlos; doch bald
Wird ihre Sündenschuld sich rächen.

Es ist genug! Das Maß ist voll!

Das Volk läßt sich nicht langer höhnen.

Ihr triebt die Wirtschaft doch zu toll.

Jetzt Pfeift der Wind in andern Tönen!

Das Volk steht auf im grimmen Zorn
Und fegt die Räuberbrut von hinnen.

Zum Freiheitskampfe stößt's ins Horn,

Im Kampf wird es sein Recht gewinnen.

Das gleiche Recht! Wir holen's her.

War' es verbannt auch in die Hölle,

Und wenn die Welt voll Teufel war'.

Wir holen es auf alle Fälle,

Das freie Wahlrecht! — Nun wohlan,
Lammonia, rüste dich zum Tanze!

Das Proletarierheer rückt an —

Nichts Halbes mehr, jetzt geht's aufs Ganze!

—_1 E. F.

Spremberg—Tilsit.

Die Eisenbahn in Tilsit hat ihren Leuten
das Bockbier verboten. Mit Recht, denn sie
konnten sonstBöcke schießen; und die zu schießen
ist die Sache anderer Leute. Das Personal
muß sich damit begnügen, als Sündenbock in
die Wüste geschickt zu werden.

Kasinogespräch.

„Der neue Moltke! Hm, na ja! Ein zweites
Gravelotte-St, Privat — äh — mag er ja wohl
deichseln können, aber ein zweites Kaiser-
manöver -?"
 
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