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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0043
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— 4953

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Sie kommen ja recht ins Gedrängel,
Mein hochverehrter Herr v. Stengel,
Und Ihrem schönen Steuerstrauß '
Rupft man die besten Blumen aus.

Der Strauß gefällt doch keinem recht,
Und wenn die Dinge gar so schlecht
Im selben Tempo weiterlaufen,

Fliegt er noch auf den Kehrichthaufen.

Graf Oriola verlangte die Anstellung eines
Barbiers für den Reichstag. Könnte nicht
ein Fraktionskollege des Grafen Oriola dies
Amt übernehmen? Die Nationalliberalen
haben doch das Volk schon so oft über den
Löffel barbiert!

Sonst nur in den heißen Tagen des Hundes
Entstieg der Tiefe des Meeresschlundes
Die große Seeschlange, aber heut
Erscheint sie schon in der Winterszeit
Und legt faule Eier ein ganzes Schock — o!

Die große Seeschlange von Marokko!

In Berlin hat man einen Mann dingfest gemacht, der kleinen
Mädchen die Zöpfe abschnitt. Wahrscheinlich hatte man Furcht da-
vor bekommen, daß der Mann auch einigen preußischen Bureau-
kraten ein Leid antun könnte . . .

Früher richteten die Monarchen ihre Erlasse „An mein Volk!"
Heutzutage heißt es: „An meine Schutzmaunschaft!"

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Ein Anzufriedener.

ztvün"? ^"Mliche Jeschichte — diese sojcnannte Dts-
iiam- roten Brut! Hätte jrade noch Platz für'n
Orden jehabt!"

Narrenweisheit.

»Einen Gesetzentwurf der Regierung darf
man nicht als unreife Schülerarbeit bezeichnen",
^sef der Vizepräsident des Reichstags, Graf
^tolberg, einem sozialdemokratischen Redner
SM Ganz recht, eine solche Kränkung brauchen

— die armen Schüler auch nicht gefallen
SU lassen!

Kamerun hat sich unter seinem letzte,i
verneur zu einem „Puttkamerun" entw
-llun, wo er fort ist, darf man wohl
Namen um noch eine Silbe verlängern
die Kolonie „Kaputt-Kamerun" nennen.

Es ist gelungen, das Vieh einzufangen, das
zum deutschen Reichsadler Modell gestanden
hat. Merkwürdigerweise ist es kein Stein-
oder Königsadler, sondern ein ganz gewöhn-
licher Schreiadler, der sich mit Vorliebe an
der Küste fremder Leute herumtreibt und auf
jeden faulen Fisch anbeißt.

Wenn ein Nationalliberaler zum drittenmal
schwort, daß eine Vorlage für ihn unannehm-
bar sei, dann weiß man ganz gewiß, daß er
Umfallen wird.

Lieber Jacob!

Det jeistvolle Orjan des Bundes der Land-
wirte is et nach einijes Koppzerbrechen je-
lungen, eenen janz neien, zwingenden Jrund
for de absolute Notwendigkeit der Biersteier
zu entdecken. „Zum Schutze des Vaterlandes
brauchen wir »u mal 'ne starke Ristung, un
et kann jeden Biertrinker doch bloß 'n freind-
liches Jefiehl erwecken, wenn er weeß, det er
mit jedes jcleerte Jlas dazu beiträgt, det
Vaterland zu schitzen und et stark un mächtig
zu erhalten." So kannste et wörtlich in det
jeschätzte Blatt lesen! Ick jloobe aber doch,
de Ajrarjer befinden sich mit diese ihnen ja
sonst janz scheen zu Jesicht stehende Jefiehls-
duselei uff 'n bedauerlichen Holzweg. Der
wahre Patriotismus, sage ick, steigt vielmehr
mit de fallenden Bierpreise. Denn der wahre
Patriotismus, wie er zum Beispiel von de
Kriejervereine un andere keenigsjetreie Zivil-
versorjungsaspiranten als heilijes Vermächt-
nis eener jroßen Verjangenheit in uneijen-
nitzliche Hinjabe jeflegt wird, beruht eenfach
uff den umfangreichen, durch keene Nerjler-
mißjunst nich beschränkten Konsum von vater-
ländische Brauereiprodukte. Det kannste an
jedes Sedanfest, bei jede milletärische Denk-
malsenthillung, an jede Fahnenweihe un an
sonstije alltägliche Ruhmestage beobachten, wo
der Jrad der Anjerissenheit ooch immer un
ziemlich jenau den Pegelstand der nazjonalen

Bejeisterung anjibt. Wo nu aber eene falsche
Steierpolletik von wejen zu hohe Bierpreise
de notwendije Erzielung der jeistijen Jllu-
minierung verhindert, da wird et, det jloobe
mir, mit de Vaterlandsliebe bald Essig sind. Ick
kenne staatserhaltende Mittelstandspersonen,
bei die de pollitesche Jberzeigung erst mit det
achte Jlas Hilsebein anfängt un bei det fuf-
zehnte in 'n Flottenverein ausartet. Wenn
se immer vollständig nichtern blieben, denn
wirden se, det steht sehr zu befirchten, villeicht
mit de Zeit sojar janz rot werden. Daher rufe
ick de Rejierung die warnenden Propheten-
worte zu: Dem patriotischen Volke muß de
Besoffenheit erhalten bleiben!

Ick wundere mir, det de Obrigkeit in diese
Hinsicht nich mehr Jnsehen hat, wo se doch
sonst Tag und Nacht druff aus is, det Wohl-
befinden ihrer Untertanen zu heben. Zu Weib-
nachten wollte se uns diesmal sojar mit '»
kostspielijes Jeschenk iberraschen, un det janz
heimlich, ohne det eener wat von merken
konnte. Ick meene det neie Sozjalistenjesetz,
det Bülow un Jenossen im Dezember in alle
Stille vorbereitet hatten. Aber leider wurde
det zum Fest der Liebe jeplante jottwohl-
jefällije un menschenfreindliche Unternehmen
schon in det zarte Stadijum seiner ersten Ent-
wicklung dahinjerafft. Det Zentrum biß näm-
lich nich an — wahrscheinlich, weil det dafor
versprochene Trinkjeld nich nobel jenug aus-
jefallen war. Aber nu, wo de Kerls Diäten
bewilligt bekommen sollen, sieht det Jeschäft
ja wohl anderst aus, un villeicht versuchen se
mitJottrsSejen zuOstern det nachzuholcn,wat
zu Weihnachten noch nich meejlich jewesen war.
Aber denn machen wir ihnen, ei wei! an'n
ersten Mai wieder so fraulich, wie jetz an'n
roten Sonntag, un ick jarantiere, det se for
Angst det janze Jahr nich inehr aus de be-
schmutzten Hosen 'rauskommen. Spaß muß
sind, besonders wenn er nischt kosten tut!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörliher Bahnhof, jleich links.
 
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