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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0055
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49 G 5

W Seine Ideale. >©

Abg. Bi,sing: An dm Idealen des deutschen Bürgertums werden
die Bestrebungen der Sozialdeinokrntie zerschellen.

M ikoveWane. LT

Wie anders hat hienieden
Der März sich sonst gemacht!
Sonst hat er frische Blüten
Und Freiheit uns gebracht.

Nun bringt er mit den Veilchen
Uns teures Fleisch und Brot
Und ringsum sieht man ivachsen
Den Mangel und die Rot.

Es stieg mir darum oftmals
Schon der Gedanke auf:

Es ist nicht mehr ganz richtig
Mit der Planeten Lauf.

Herr von Oldenburg-Januschau trug im Reichstag eine so genaue
Kenntnis von den Unterröcken seiner verstorbenen Arbeiterinnen zur
Schau, daß man sich bangen Herzens fragen mußte, wie viel Intimi-
täten er erst von den noch lebenden Arbeiterinnen zu erzählen geivußt
hätte! Wir legen ihn deshalb der schützenden Fürsorge des Kölner
Männerbundes zur Hebung der Sittlichkeit dringend ans Herz.

Es war einst Heinrich Heine
Bei Frau Hammonia,

Wo einen alten Kessel
Im Winkel er ersah.

WaS er darin gesehen,
Geheimnis ist es noch.

Er hat uns nur verraten,
Was er darinnen roch.
Doch Heine ist gestorben.

Vor langer, langer Zeit,

Nach altem Kohl und Juchten
Der Kessel riecht noch heut.

„Besitz ist kein Verdienst", behauptete Posa. Im Gegenteil: Besitz
ist ein Verdienst, — nämlich jener anderen, in deren Taschen er leider
nur zum allerkleinsten Teile fließt.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Der perfekte Staatsmann.

Worin des Staatsmanns Cugenden betubn?
5iir$t Bi'ilow sagt' cs uns — wir wissen s nu

Will der Agrarier irgend etwas haben,

Sei n es nun Zölle oder Liebesgaben:

Wenn, blühend unterm Sdrutz der deutschen £ii
Die Sau den Ehrgeiz hegt, im Preis zu steiget
Wenn das bescheid ne Korps der Schlotbarone
Aufträge wünscht auf Panzer und Kanone,
Weil die den Kriegsmut der Nation beleben
And ausserdem die Dividenden heben;

Wenn 'mal, gelegentlich, beim vollen Was,
Der fjerr Kommerzienrat andeutet, dass
Der deutschen Industrie zu Nutz und Ehren
Zucbtbausgesetze dringend nötig wären;

Oder das Zentrum Wünsche hat im Stillen —
Gleich ist bereit er, alles zu erfüllen;

Ein Wink genügt, schon setzt er sich in Crab
Und liest den Wunsch diskret vom Auge ab.
Seinfühlig wie die zarte Sliege ist er
Der ideale Staatsmann und Minister!

Doch wenn das Uolk am Hungertuche nagt,

Im Herrendienst sich schindet, plackt und plac
Wenn es, der Stetheit kümmerliche Reste
Zu wahren, sich zu flammendem Proteste,
Zum lauten Ruf nach seinem guten Recht
Sich aufzubäumen trutziglicl) erfrecht
Dann härten sich des Staatsmanns weiche Ziii
Dann wandelt rasch sich die sensible Sliege;
Des armen Uolkes stürmisches Begehr
Werkt, sieht, hört und empfindet sie nicht me
Der jüngst von Menschenliebe überfloss,
tr kriegt ein Seil wie ein Rhinozeros!

Mehr **•,*«* Hofrat scheinen mich nicht

auf dem lebt?' fi"d Sie mir erst

vten Hofball vorgestellt worden?

Das läßt tief blicken.

Hofrat: Pardon, Gnädige, jetzt erst kenne
ich Sie, Sie waren ja die Dame mit dem
reizenden Leberfleck auf der Brust.

Lieber Jacob!

Ick bin leider nich katholisch jenug, um in
de Heilijenlejenden jenau Bescheid zu wissen.
Aber bet is nu mal sicher: et jab nich bloß in
die janz entfernt liejenden un heile nich mehr
jlaubwirdijen Zeiten unwahrscheinliche, mit
ieberirdische Kräfte bejabte Menschen, sondern
ooch in unsere pollezeilich jemeldete und kon-
trollierte Jejenwart jibt et bejnadete Lieb-
linge des Himmels un jeborene un jebackene
Wunder. Ick werde Dir mal eens erzählen.

In een weit von alle Verderbnis der Kultur
un Sozialdemokratie entferntes westpreißisches
Jammertal hauste een frommer, mit seinen
Jott un seine Jleibijer schwer ringender Junker
un Ritterjutsbesitzer. De Not des Lebens lastete
beinahe so drückend uff ihm, wie er uff sein
ihm anbetendes Jesinde. De Untertanen wuß-
ten manchmal nich, wo se dem Schnaps zu
Kaisers Jeburtstag herkriejen sollten, un ihm
ztveifelte, wer ihm denn eejentlich seine Hypo-
thekenzinsen zum nächsten Quartalsersten woll
berappen werde. Aber siehe, da effnete sich
ihm im Traum der Himmel, un die laute
Stimme von den selijen Vater Plötz eißerte
sich foljendermaßen: „Mein lieber v. Olden-
burg-Januschau! Et is nich hibsch von dir, det
de an deinen Jott anfängst irrsinnig zu wer-
den un im Zirkus Busch immer so ville Kaleika
machst mit deinen un deiner Standesjenossen
anjeblichen Dalles. Der Jott der Ajrajer lebt
noch, sage ick dir, un rejiert sein auserwähltes
Volk, wat de Deitschen sind. Un mir hat er
beufftragt, dir mitznteilen, det er dir mit 'n
Wunder bejnaden will. Stehe uff, ziehe dir
deine langen Stiebelu an, jieße eenen jroßen

Kümmel oder zwee uff de Lampe deines Jeistes
und bejib dir eiligst hinten in die kleene Stroh-
baracke neben den jroßen neien Schweinestall,
wo eene alte Frau von deine Jnstarbeeter so-
eben jestorben is. Enteißere dir deiner Wirde
un stecke deine Neese in den Hinterbliebenen
Unterrock, un ick jarantiere dir uff Ehre, du
wirst 'n Wunder erleben?'

Da tat der fromme Junker, wie ihn jeheißen
war, — un tvat soll ick Dir sagen? — er fand
in den wattierten Rock eendausendfimfhundert
Märker injenäht! Un er fuhr stantepeh uff
Freikarte zum Reichstag nach Berlin un er-
zählte det sindije Volk von die Dinge, die ihn
passiert waren. Un alle Welt sah in, det hier
'n Wunder jeschehen war, denn det sich 'ne
ostelbische Arbeeterfrau so ville Jeld nich von
ihren Lohn' sparen kennte, det wußten se alle.
Un alle Junker steckten die Neesen in de
Unterröcke von ihre ollen Jnstweiber, aber
siehe! wat se drin fanden, war keen Jold nich,
sondern im Jejenteil. lln se ließen nich locker
un bestellten sich zu det Bundesfest im Zirkus
Busch ’n janzen jroßen Haufen Weiber, die
sonst keenen Zutritt nich jehabt hatten, un
hofften, det in de Unterröcke vielleicht der
Jottessejen werde enthalten sind. Aber ooch
hier war et Essig, un nich minder bei de
Damens uff de Friedrichstraße, an die se sich
in ihre Not später abends wendeten. Wat
se sich da holten, war keen Jold nich, noch
Joldes Wert. Da erkannten se denn, det von
Oldenburg-Januschau zu den Heilijen jeheert.
Un se bekehrten sich alle, un wie kurz danach
der neie Zolltarif in Kraft trat, beteten se
wieder jläubig un unwandelbar zu den Jott
der Ajrarjer, der noch immer det Deitsche Reich
rejieren tut!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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