Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0108
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 5019

Konfcroatiü. *r©

„Wissen Sie, ich bin fiiv die Erbschaftssteuer, sofern die Landwirtschaft
davon befreit bleibt!"

NoveWüne. es

„Ludwig Kossuth hat gerufen!"
Hieß es einst im Ungarland,
Und die Donnerworte schufen
Seinen Feinden Widerstand.

Heut ein Kossuth ward gerufen,
Und er kam aus Ungarland,
Knieend an. des Thrones Stufen
Gab er auf den Widerstand.

Männerstolz vor Königsthronen
War einst Ludwigs Heldentum,
Drum ob solcher Epigonen
Dreht er sich im Grab herum.

Um den vielfachen Bedenken zartfühlender Leute entgegenzukommen,
haben die Gastwirte die Abschaffung der Bezeichnung „Ochsenmanl-
salat" beschlossen. Sie werden dieses Gericht von jetzt ab „Diplo-
matenlippen" nennen, , t

Mit Spieß und mit Stangen der Reichsverband
Kommt grimmig durch Deutschland einhergerannt;
Es wollen seine begeisterten Scharen
Das Vaterland vor dem Umsturz bewahren.

Es sehen die „Retter" im Sonnenschein
Des Tages ganz übernächtig drein.

Was sollen, hört man allwärts die Frage,
Die vielen Nachtwächter am hellen Tage?

Viele Leute wundern sich, wenn sie hören, daß einstmals Pferde
zu Roms Senat zählten. Daran tun sie Unrecht. Wir zähle» doch
heute genug Esel in Ehrenstellen. sf)t ^treuer Säge, Schreiner.

ZmungMreiberz Lroft.

Vogelfang und Blütenprcmgen —
Linzug hielt der junge Lenz:

Doch zu Lnde ist gegangen
Die Marokkokonferenz.

Bowle trinken durst'ge Kehlen —

Ich hock' auf dem Schreibersttz
Trüb' und trocken, denn mir fehlen
Tattenbach und Radowitz,

Tränen meinem Aug' entquillen,
Meine Brust birgt banges Leiöl
Womit soll die Spalten füllen
Ich in dieser stillen Zeit?

Doch inmitten dieser Schmerzen
Blinkt aus nicht zu weiter Zern'
Meinem armen Schreiberherzen
Heiter froh ein Hoffnungsstern,

Baue, Herz, auf Gottes Segen,

-Bau' auf die Diplomatie!
vorwärts geht's auf neuen Wegen
Und die Dummheit rastet nie!

Drum laß ich den Mut nicht finken:
Denn am Saum des Firmaments
Seh' ich vielverheißend winken
Schon — die Zriedenskonferenz.

Das Ergebnis.

Tattenbach

Bülow

Radowitz

Marokko

Tanger

Algeciras

Konferenz

Summa: Blamage,

Vom Zentrum.

So oft der Gerichtsvollzieher den Abgeord-
neten Fnsangel besuchte, fand er wenig zum
Mitnehmen, nämlich nichts.

Nun will das undankbare Zentrum so eine
schätzenswerte Kraft hinauswimmeln, statt sie
in die Reichsschuldenkommission zu schicken,
wo sie dem Reichsschatzsekretär sicher recht
wertvolle Ratschläge für den Verkehr mit
Gläubigern erteilen könnte!

Lieber Jacob!

Nu is also der Mai jekommen un mit ihm
de scheene Zeit der Friehlingsjesiehle. De ver-
vernunftbegabte liebende Menschheit bejibt sich
uff's Standesamt, un die in ihren Sitten noch
sehr tiefstehende Hundewelt feiert uff de jol-
dene Mittelstraße ihre Hochzeiten, wo se leicht
von der Elektresche ieberjefahren werden kan».
Unser Amtsrat, ick meene den konservativen
Abjeornten aus Ostpreußen, der bei meine
Schwester ins Vorderhaus zwee meeblierte
Zimmer hat, erfreit sich seit acht Dagen an
den Besuch von seine wachsame Jattin, die
seine moralische Wasserdichtigkeit in diese
scheenen Dage »ich recht zu trauen scheint, ob-
jleich er doch Ehrenmitglied von den sittlichen
Mäßigkeitsbund is un in de kältere Jahreszeit
ooch immer sehr for de Lex Heinze jeschwärmt
hat. De Kohlenfnhren werden von de Spreng-
wagen verdrängest, de Winterkleider ziehen sich
bis uff weiteres diskret ins Leihamt zurick, de
Wiesen schmicken sich mit Blumen, de Mächens
mit Helle Blusen, un de jekreenten Heipter in
de Siejesallee sind schon abjeseeft.

Kurz un jut, et is Mai jeworden, un sojar
in de hohe Polletik bemerkt man Friehlings-
jefiehle. De Ungarn schmiejen sich wieder mit
Wollust an ihr anjestaimntes Herrscherhaus,
von det se 'n janzes Jahr lang nich sehr ville

hatten wissen wollen, un ooch in Aljeseires
haben de diplomateschen Schacherbrieder end-
lich de Klappe zujemacht un kreizweise dem
Bruderknß ausjetauscht. In de Schlußsitzung
klemmte noch jeder rasch, wat er'langen konnte,
un der deitsche Jesandte Jraf Tattenbach hat,
wie in de Zeitungen zu lesen stand, 'n Wand-
kalender injestochen. Det is nich ville, aber
wat andres brauchbares haben wir ja in die
jlorreiche Konferenz so wie so nich jeerntet,
un da »ruß man ebent schon jede Kleenigkeit
mitnehmen, Bescheiden sind wir ja, det kann
uns keen Mensch nich bestreiten, nn wenn wir
det Maul ooch noch so weit uffreißen — am
Ende stehlen wir uns durch- eenen Nasenpopel
beglickt. Ooch det der russische Oberkolleje
un Erbfreind uns am Ende noch 'ne saftije
Knallschote runterlaatschte, wird uns in unsere
zärtlichen Neijnngen for den anjenehmen Nach-
barn nich weiter beeinflussen. In Bezug uff
de Knute beherrschen uns de Friehlingsjesiehle
Jottseidank det janze. Jahr durch!

In 'ne sehr zweckensprechende Situazjon
befindet sich während diese einladende Maien-
zeit ooch de Krefelder Jungfernschaft. De be-
riehncten Tanzhusaren haben nach ihrem jlick-
lichen Einzug bereits eene ausjedehnte Wirk-
samkeit bejonnen. In un um de Kaserne
herum werden Jriffe jeiebt un de Nergler un
Armeefeinde wissen nu doch ooch endlich, wo-
zu det ville Milletär eejentlich jut is. Un
wenn trotz alledem außerhalb Krefelds noch
immer dieser oder jener in den um sich jreifen-
den Militarismus 'n Krebsschaden for det
Vaterland erblicken sollte — de bessere» Kre-
felder Birjerstechter aus de liebebedirftijen
un staatserhaltenden Kreise werden janz jewiß
bald alle voll juter Hoffnung in de Zukunft
sehen kennen!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Ranke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
Annotationen