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Pfingstlied der preußischen Junker. ■•«SÄSe**
Es braust ein Geist von Land zu Land,
Schürt der Empörung roten Brand.
In Feuerzungen springt das Wort
von West nach Ost, von Süd nach Nord
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Frankreich hat der Lahn gekräht;
Die Pfaffen hat es fortgeweht;
Und mit dem Traum der Monarchie
Ist's aus für immer — Kikeriki!
Lieb preußenland, magst ruhig fein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Rußland ist nach langer Nacht
Aus dumpfem Schlaf das Volk erwacht.
Und strampelt auch der 3ar und flennt,
Eröffnet ist das Parlament.
Lieb preußenland, magst ruhig fein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Österreich, dem Raiferstaat,
Der Völker mehr wie Babel hat,
Tönt siebensprachig nur ein Schrei:
Das Wahlrecht gleich, geheim und frei!
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
Der Baher selbst ward infiziert
Und hat sein Wahlrecht revidiert!
Und Schwaben — weh dem Deutschen Reich! -
Gs macht wohl auch den Schwabenstreich.
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
So braust der Geist von Haus zu Haus.
Ihr Funker, löscht das Feuer aus!
Sonst sitzt schon morgen — Weh und Ach! —
Der rote Hahn auf unserm Dach.
Lieb preußenland, dann hilft kein Schrei'n:
Der Geist kommt doch zu dir herein! en.
An die Nüssen!
Die Duttia habt ihr! Sorget, dass das UJollen
Des Holkes sie belebe, vorwärts treibe,
Dass sie ein Dort der Jreibeit werde, bleibe,
Dass nicht Cheaterdonncr dort nur rolle.
Dach hundert fahren wieder ein Konvent —
Das macht aus eurem neuen Parlament!
IDit Opfertod der Besten, Strömen Blutes
erkauftet teuer ihr die menschenrechte.
Run sorget, dass nicht feile, eitle Knechte
Sich zu Verwaltern setzen eures Gutes,
Jiir judasgroseben oder uicht'gen Cand
Preisgeben es in des Despoten Rand.
Gebt, Russen, acht und lasst von schönen Worten
Und glatten Jormen drum euch nicht betrügen,
Passt nicht den Schein euch für das Wesen lügen
Und haltet Wacht an eures Reichstags Pforten,
Und zwingt die Lässigen zur frischen Cat,
Die Jeigbeit strafet, strafet den verrat!
Ein Volk, das kämpfend sich sein Recht erzwungen,
Darf nicht die Waffen aus den Räuden legen
Und des Vertrauens auf die Worte pflegen,
Die fliessend gleiten von gewandten Zungen.
Die Volksgewalt zwang vorwärts den Konvent —
Bewacht und zwingt auch ihr das Parlament!
Sccundns.
Fremdes Silber.
Aus der internationalen Konferenz der Säotel-
besitzer zuin Schutze ihres Eigentums.
Nach dem Stenogramm unseres Spezialberichterstatters.
Hotelier X (Paris): ... Sie kennen alle,
meine Herrn, die niedliche Geschichte von den
zwei Kindern, die sich zanken, wessen Eltern
vornehmer seien. „Was willst denn du?" sagt
der kluge Hans. „Wir haben auf unserem
Hause vier Hypotheken." „Und wir", schreit
die kleine Marie, „wir haben zu Hause eine
Porzellantasse, auf der steht: Bahnhof Olten."
Sie sehen, meine Herren, hier handelt es sich
um simples Porzellan. Ganz natürlich! Die
Familie war bürgerlich. Heute aber, bei uns
handelt es sich um Silber und daher um eine
fürstliche Familie. Also, genau betrachtet: ein
ganz standesgemäßer Diebstahl oder, vor-
sichtiger ausgedrückt, eine offenbar vererbte
Kleptomanie, bei der der dabei verwendete
Lötapparat das sicherste Zeichen für die psycho-
pathische Anlage des Täters ist. Denir Löt-
apparate finden sich nur bei Kleptomanen von
fürstlichem Range; bei anderen Leuten wären
sie untrügliche Beweise für ganz gemeine
Diebesgesinnung. Aber für uns handelt es
sich darum: Wie schützeir rvir uns in Zukunft
gegen hochgeborene Liebhaber von silbernen
Platten und Saueieren? Kollege U vom
Kaiserhof in Berlin fragte, ob ivir das Silber-
geschirr nicht etwa an den Tischen sestketten
könnten, wie das in den Berliner Verbrecher-
kellern mit den Zinnlöffeln geschieht? Allein,
abgesehen von der Schwierigkeit der Reini-
gung, wäre dies Verfahre» doch zu auffällig
und könnte unsere Kundschaft, unter der sich
ja auch Unschuldige befinden können, stutzig
machen. Ich schlage daher vor, die ganze
Sache dem seinen Takte des Oberkellners an-
zuvertrauen. Der Mann braucht nur beim
Aufträgen des Diners wie beim Abservieren
die einzelnen Platten und Schüsseln in dis-
kreter, aber doch etwas auffälliger Weise mit
den Augen zu zählen, so wird sicher kein ein-
ziger Fall von adeliger Kleptomanie mehr
Vorkommen. Denn das Charakteristikum eines
adeligen Kleptomanen ist, daß er seinen Krank-
heitsanfall nur bekommt, wenn er nicht be-
obachtet ivird. Eine Ausnahme von dieser
Regel bilden nur die Abstimmungen der preu-
ßischen Junker im deutschen Reichstag, wenn es
sich um höhere Getreidezölle oder um Schweine-
einfuhrverbot und ähnliches handelt. . . .
(Hier kam der Stenograph leider nicht mehr mit.)
Eine moderne Fabel.
Die Esel wetteiferten untereinander, iver
von ihnen der größte sei. Dem Sieger war
eine goldene Distel als Prämie zugedacht.
„Ich habe mein Vermögen in russischer An-
leihe angelegt", erklärte ein Kandidat.
„Immerhin eine schöne Leistung", meinte
der Vorsitzende der Kommission. „Aber so
manches Schaf bringt das auch zustande. Der
nächste!"
„Ich bin überzeugt, daß bei der Untersuchung
gegen die Breslauer Polizeihelden die Schul-
digen herausgefunden und bestraft werden",
sagte der zweite Kandidat.
„Hier ist die goldene Distel, — sie sei dein!"
Mit diesen Worten überreichte die Kommission
dem zweiten Esel den Ehrenpreis, ohne die
folgenden Kandidaten auch nur anzuhören.
Denn es war klar, daß diese Dummheit nicht
mehr überboten werden konnte!
Die Heiligenbilder irr der Duma.
Der Sitzungssaal der Duma wurde mit
68 Leiligenbildern geschmückt.
68 Heiligenbilder
Glotzen ängstlich von den wänden,
Gleich als fragten sie bekümmert:
..Lieber Gott! wie wird das enden?
,,Sollen wir die Volksvertreter
weiden, wie der Hirt die Schafe?
Oder hängen wir hier oben
Ihnen oder uns zur Strafe?
,,Als der Zar zum Krieg uns holte,
hofften Sieg die guten Leute.
Doch wir konnten nicht verhindern,
Daß der Japs ihn arg zerbleute.
,,Und so faßt uns jetzt ein Ahnen.
Ach! wir werden es noch schauen,
wie die Russen ihren Zaren
Selber fürchterlich verhauen.
..Denn wo immer noch wir hingen,
Setzt' es fürchterliche Hiebe,
Sei's auch nur aus Christentum und
Allgemeiner Nächstenliebe.
,,Ach! wir armen Heil'gen kommen
Selbst uns vor wie alter Plunder.
Daß man uns noch nicht verprügelt,
Ist fürwahr das einzige wunder " Cri-Cri.
Pfingstlied der preußischen Junker. ■•«SÄSe**
Es braust ein Geist von Land zu Land,
Schürt der Empörung roten Brand.
In Feuerzungen springt das Wort
von West nach Ost, von Süd nach Nord
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Frankreich hat der Lahn gekräht;
Die Pfaffen hat es fortgeweht;
Und mit dem Traum der Monarchie
Ist's aus für immer — Kikeriki!
Lieb preußenland, magst ruhig fein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Rußland ist nach langer Nacht
Aus dumpfem Schlaf das Volk erwacht.
Und strampelt auch der 3ar und flennt,
Eröffnet ist das Parlament.
Lieb preußenland, magst ruhig fein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
In Österreich, dem Raiferstaat,
Der Völker mehr wie Babel hat,
Tönt siebensprachig nur ein Schrei:
Das Wahlrecht gleich, geheim und frei!
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
Der Baher selbst ward infiziert
Und hat sein Wahlrecht revidiert!
Und Schwaben — weh dem Deutschen Reich! -
Gs macht wohl auch den Schwabenstreich.
Lieb preußenland, magst ruhig sein!
Der Geist darf nicht zu dir herein!
So braust der Geist von Haus zu Haus.
Ihr Funker, löscht das Feuer aus!
Sonst sitzt schon morgen — Weh und Ach! —
Der rote Hahn auf unserm Dach.
Lieb preußenland, dann hilft kein Schrei'n:
Der Geist kommt doch zu dir herein! en.
An die Nüssen!
Die Duttia habt ihr! Sorget, dass das UJollen
Des Holkes sie belebe, vorwärts treibe,
Dass sie ein Dort der Jreibeit werde, bleibe,
Dass nicht Cheaterdonncr dort nur rolle.
Dach hundert fahren wieder ein Konvent —
Das macht aus eurem neuen Parlament!
IDit Opfertod der Besten, Strömen Blutes
erkauftet teuer ihr die menschenrechte.
Run sorget, dass nicht feile, eitle Knechte
Sich zu Verwaltern setzen eures Gutes,
Jiir judasgroseben oder uicht'gen Cand
Preisgeben es in des Despoten Rand.
Gebt, Russen, acht und lasst von schönen Worten
Und glatten Jormen drum euch nicht betrügen,
Passt nicht den Schein euch für das Wesen lügen
Und haltet Wacht an eures Reichstags Pforten,
Und zwingt die Lässigen zur frischen Cat,
Die Jeigbeit strafet, strafet den verrat!
Ein Volk, das kämpfend sich sein Recht erzwungen,
Darf nicht die Waffen aus den Räuden legen
Und des Vertrauens auf die Worte pflegen,
Die fliessend gleiten von gewandten Zungen.
Die Volksgewalt zwang vorwärts den Konvent —
Bewacht und zwingt auch ihr das Parlament!
Sccundns.
Fremdes Silber.
Aus der internationalen Konferenz der Säotel-
besitzer zuin Schutze ihres Eigentums.
Nach dem Stenogramm unseres Spezialberichterstatters.
Hotelier X (Paris): ... Sie kennen alle,
meine Herrn, die niedliche Geschichte von den
zwei Kindern, die sich zanken, wessen Eltern
vornehmer seien. „Was willst denn du?" sagt
der kluge Hans. „Wir haben auf unserem
Hause vier Hypotheken." „Und wir", schreit
die kleine Marie, „wir haben zu Hause eine
Porzellantasse, auf der steht: Bahnhof Olten."
Sie sehen, meine Herren, hier handelt es sich
um simples Porzellan. Ganz natürlich! Die
Familie war bürgerlich. Heute aber, bei uns
handelt es sich um Silber und daher um eine
fürstliche Familie. Also, genau betrachtet: ein
ganz standesgemäßer Diebstahl oder, vor-
sichtiger ausgedrückt, eine offenbar vererbte
Kleptomanie, bei der der dabei verwendete
Lötapparat das sicherste Zeichen für die psycho-
pathische Anlage des Täters ist. Denir Löt-
apparate finden sich nur bei Kleptomanen von
fürstlichem Range; bei anderen Leuten wären
sie untrügliche Beweise für ganz gemeine
Diebesgesinnung. Aber für uns handelt es
sich darum: Wie schützeir rvir uns in Zukunft
gegen hochgeborene Liebhaber von silbernen
Platten und Saueieren? Kollege U vom
Kaiserhof in Berlin fragte, ob ivir das Silber-
geschirr nicht etwa an den Tischen sestketten
könnten, wie das in den Berliner Verbrecher-
kellern mit den Zinnlöffeln geschieht? Allein,
abgesehen von der Schwierigkeit der Reini-
gung, wäre dies Verfahre» doch zu auffällig
und könnte unsere Kundschaft, unter der sich
ja auch Unschuldige befinden können, stutzig
machen. Ich schlage daher vor, die ganze
Sache dem seinen Takte des Oberkellners an-
zuvertrauen. Der Mann braucht nur beim
Aufträgen des Diners wie beim Abservieren
die einzelnen Platten und Schüsseln in dis-
kreter, aber doch etwas auffälliger Weise mit
den Augen zu zählen, so wird sicher kein ein-
ziger Fall von adeliger Kleptomanie mehr
Vorkommen. Denn das Charakteristikum eines
adeligen Kleptomanen ist, daß er seinen Krank-
heitsanfall nur bekommt, wenn er nicht be-
obachtet ivird. Eine Ausnahme von dieser
Regel bilden nur die Abstimmungen der preu-
ßischen Junker im deutschen Reichstag, wenn es
sich um höhere Getreidezölle oder um Schweine-
einfuhrverbot und ähnliches handelt. . . .
(Hier kam der Stenograph leider nicht mehr mit.)
Eine moderne Fabel.
Die Esel wetteiferten untereinander, iver
von ihnen der größte sei. Dem Sieger war
eine goldene Distel als Prämie zugedacht.
„Ich habe mein Vermögen in russischer An-
leihe angelegt", erklärte ein Kandidat.
„Immerhin eine schöne Leistung", meinte
der Vorsitzende der Kommission. „Aber so
manches Schaf bringt das auch zustande. Der
nächste!"
„Ich bin überzeugt, daß bei der Untersuchung
gegen die Breslauer Polizeihelden die Schul-
digen herausgefunden und bestraft werden",
sagte der zweite Kandidat.
„Hier ist die goldene Distel, — sie sei dein!"
Mit diesen Worten überreichte die Kommission
dem zweiten Esel den Ehrenpreis, ohne die
folgenden Kandidaten auch nur anzuhören.
Denn es war klar, daß diese Dummheit nicht
mehr überboten werden konnte!
Die Heiligenbilder irr der Duma.
Der Sitzungssaal der Duma wurde mit
68 Leiligenbildern geschmückt.
68 Heiligenbilder
Glotzen ängstlich von den wänden,
Gleich als fragten sie bekümmert:
..Lieber Gott! wie wird das enden?
,,Sollen wir die Volksvertreter
weiden, wie der Hirt die Schafe?
Oder hängen wir hier oben
Ihnen oder uns zur Strafe?
,,Als der Zar zum Krieg uns holte,
hofften Sieg die guten Leute.
Doch wir konnten nicht verhindern,
Daß der Japs ihn arg zerbleute.
,,Und so faßt uns jetzt ein Ahnen.
Ach! wir werden es noch schauen,
wie die Russen ihren Zaren
Selber fürchterlich verhauen.
..Denn wo immer noch wir hingen,
Setzt' es fürchterliche Hiebe,
Sei's auch nur aus Christentum und
Allgemeiner Nächstenliebe.
,,Ach! wir armen Heil'gen kommen
Selbst uns vor wie alter Plunder.
Daß man uns noch nicht verprügelt,
Ist fürwahr das einzige wunder " Cri-Cri.