5166
2um Parteitag, m
Aus allen Gau'n, aus Süden und aus Norden,
von Ost und Westen zöget ihr herbei
Heut' an des Rheines und des Neckars Borden
3n ernstem Tun im Dienste der Partei.
In manchem Streit zu schlichten und zu richten,
Heerschau zu halten über unsre wacht,
Mt klarem Blick zu prüfen und zu sichten
Die reiche Ernte, die das Jahr gebracht.
Denn nicht umsonst war unser Ramps und Mühen;
wohin das Auge rückwärtsschauend späht:
Allüberall ein sruchtberheiszend Blühen —
Rasch reift die Saat, die hoffend wir gesät.
Doch nicht zur Rückschau nur seid ihr berufen:
3u neuem wirken heiszt's gerüstet sein!
Dem Sukunstsbau, den unsre Stände schufen,
Fehlt mancher Balken noch und mancher Stein.
Fest steht der Grund, aus dem wir ihn errichten,
Doch, wie ün Gang der Seit der Würfel fiel,
Ruft jede Stunde uns zu neuen Pflichten
llnd jeder Tag zeigt uns ein neues Siel.
Nur frisch voran! Aus selbstgeschaffnen Bahnen
Aufwärts zum Licht durch Nacht und Finsternis!
Nur frisch voran! wir folgen euren Fahnen,
3um Ramps gerüstet und des Siegs gewiß!
Blitz-rahtinel-ungeii.
Valparaiso. Die Robinson-Insel Juan Fernande; ist im stillen Ozean ver-
sunken. Sie fürchtete: Minister v. Podbielskt habe sie als Ruheplätzchen für sich
und seine Schweinezucht ausersehen.
Berlin. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" schreiben: Unser Kolonialschiff
hat Pech; in einem fort ertönt vom Bug zum Heck der Schreckensrus: „Mann über
Bord!" Und unter solchen Verhältnissen, die jedem Patrioten das Herz im Leibe
umdrehen, erdrciftet sich die vaterlandslose Rotte zu schreiben, daß es am besten
sei, wenn der Teufel das ganze Kolonialschiff holen würde.
In Rrzski wurde ein Sittenverbrecher begnadigt, weil er versprach, sofort
nach feiner Entlassung zwei Streikposten totzuschlagen.
— Die russische Regierung stellt Versuche an mit weittragenden Geschützen.
Die Revolutionäre dagegen üben sich mit nah treffenden.
— In Frankreich hat ein kaiserlich russischer Staatsrat seinem Wirte einen
kostbaren Diamantring gestohlen. Man fand die Beute in einem Flacon mit Zahn-
pulver. — Da sieht man wieder mal, was dabei herauskommt, wenn ein „wahr-
haft russischer Mann" sich die Zähne putzt.
Mannheim.
Die Stadt ist sehr alt. Var dreihundert
Jahren schon wurde in Anwesenheit des da-
maligen deutschen Kaisers, der bei dieser Ge-
legenheit eine Rede hielt, Ihr Grundstein ge-
legt. Die ersten Bewohner waren flüchtige
Niederländer, ein Volksstamm, der sich bereits
in jenen rohen Zeiten durch so große Frucht-
barkeit auszeichnete, daß die Einwohnerzahl
Linnen kurzem gewaltig anwuchs. Um der
drohenden Übervölkerung vorzubeugen, dachte
man daran, eine Anzahl Prinzen reindeutschen
Geblüts zu importieren, die von sachkundigen
Gelehrten als wirksamstes Mittel gegen aus-
artende Vermehrungstendenzen des niederlän-
dischen Stamms empfohlen wurden. Die wohl-
tätigen Folgen des bald darauf ausbrechenden
dreißigjährigen Krieges machten indessen diesen
energischen Schritt überflüssig. Mannheim fiel
abwechselnd in die Hände der Franzosen,
Bayern, Schweden, Österreicher usw., bis es
in unfern Tagen endgültig von den teils ein-
geborenen teils eingedrungenen Horden der
Sozialdemokratie erobert ivurde, die unter
ihrem wilden Hetman Dreesbach hier eine
Schreckensherrschaft etablierten.
Die Stadt ilnd ihre Umgegend ist sehr schön
und fruchtbar. Auf den Lagerplätzen i» der
Nähe des Bahnhofs wuchern Tabak, Reis,
Rohzucker, Baumwolle, Kaffee, Petroleum und
künstliche, hinter den Frachtschuppen haupt-
sächlich natürliche Düngemittel in tropischer
Fülle. Auf der Fohlenweide wird eine aus-
gedehnte Pferdezucht betrieben und in den be-
nachbarten Bergen fördert der fleißige Knappe
das edle Mannheimer Gold.
Die Sprache der Eingeborenen soll sich, nach
den neuesten philologischen Forschungen, aus
dem Suaheli unter starker Beeinflussung durch
kamtschadalische und malaiopolynesische Dia-
lekte entivickelt haben. Sie ist daher außer-
ordentlich ivohltönend, aber sehr schiver zu
erlernen und für Europäer schlechterdings un-
verständlich.
Bon der kompromittierenden Rolle, die die
Stadt Mannheim in den Wirren des Jahres
1849 spielte, wollen wir lieber schweigen. Ein
unbedachter Hinweis auf die dainalige Ver-
brüderung des zum Schuhe des, Thrones
berufenen Militärs mit den revolutionären
Rebellenscharen könnte nur aufreizend wirken.
Die Scharte wurde überdies bald darauf durch
das kühne Eingreifen der preußischen Truppen
unter Führung des späteren greisen Helden-
kaisers wieder ausgewetzt und dem letzteren
dabei Gelegenheit geboten, in zahlreichen un-
erschrockenen Hinrichtungen nicht nur Mann-
heimer Bürger, sondern auch preußischer Lan-
deskinder, dem Vaterlande schon damals ein
leuchtendes Beispiel heroischer Opferfreudig-
keit zu geben. J.s.
Oie Nützlichkeit der Fortpflanzung
der Dynastie.
Viedermeiersang von Secundus.
Wahrlich, wenn wir es nicht lange wüßten.
Daß die Dynastien uns sehr nötig sind.
Aus der neuesten Erfahrung müßten
Wir's ersehen, wären wir auch gänzlich blind.
Weiß der Liinmel, wie es wär' gegangen.
Wenn die hochverehrte Kronprinzessin nicht
Kätte zu der rechten Zeit empfangen
Vom Gevatter Storch den fröhlichen Bericht:
„Ich Hab' hier ein Knäblein abzugebe».
Welches wirklich all und jeder Tugend voll.
Die für künftighin ersprießlich Leben
Zeder Kohenzoller merkbar haben soll."
Dieses Knäblein fing mit Ruhinestaten
Indirekt schon in der hohen Wiege an;
Einen Präsentiermarsch für Soldaten
Kat vom Großpapa die Kaiserjacht empsahn.
Zn der allerhöchsten Taufe Feier
Kam für Preußen auch noch eine Amnestie,
Welche Lehmann, Schulze und Frau Meyer
Deren Majestätsbeleidignng verzieh.
Dieses alles sind zwar Lorbeerreiser
Für den übernächsten kaiserlichen Kerrn;
Doch die allergrößte Großtat sieht ein weiser
Deutscher Barde in der neuern Leistung gern.
Nämlich bei der preislichen Regierung,
Welche unsres Reichs Geschicke fröhlich lenkt.
Zeigte sich bereits Atomisierung;
Dies ist schlimmer, als die große Masse denkt.
Bülow, welcher erster an der Spritze,
Schwärmt im Sommer eifrig für die Reinlich-
Geht mit seinem Pudel oder Spitze [feit.
In das Wasser öfter übermäßig weit.
Wohingegen Pod, der Landwirtschafter,
Sich befaßt mit profitabler Schweinerei,
And als seiner Gattin tugendhafter
Stellvertreter, Tippelskirch steht wacker bei.
Andere Minister aber fröhnten
Ihrer respektiven Neigung anderswo.
And die braven Antertanen stöhnten:
„Ist denn das Regieren ferner möglich so?"
Selbst die frömmsten und die besten Blätter
Waren täglich voll Enthüllung und Skandal,
Riefen unisono: „Donnerwetter!
Jetzt, Regierung, zeige endlich dich einmal!"
Diese aber ließ von sich nichts hören,
Trieb getrennt herum sich in der weiten Welt;
Keiner ließ in seiner Ruh sich stören —
Bis dem allerhöchsten Prinzen es gefällt.
Plötzlich, als der Tauftag angebrochen,
Waren die Minister alle pünktlich da.
And zum ersten Mal feit vielen Wochen
In Berlin man etwas wie Regierung sah.
Diese Leistung nach so langer Pause
Danken wir der Prinzentaufgelegenheit
And dem hiermit eng verbundnen Schmause;
Sonst natürlich wär's noch lange nicht so weit.
Wahrlich, schon in Windeln hat der zarte
Prinz gezeigt ererbtes herrliches Genie! —
Schon sein Dasein glänzend offenbarte
Zweck und Nutzen fortgepflanzter Dynastie.
2um Parteitag, m
Aus allen Gau'n, aus Süden und aus Norden,
von Ost und Westen zöget ihr herbei
Heut' an des Rheines und des Neckars Borden
3n ernstem Tun im Dienste der Partei.
In manchem Streit zu schlichten und zu richten,
Heerschau zu halten über unsre wacht,
Mt klarem Blick zu prüfen und zu sichten
Die reiche Ernte, die das Jahr gebracht.
Denn nicht umsonst war unser Ramps und Mühen;
wohin das Auge rückwärtsschauend späht:
Allüberall ein sruchtberheiszend Blühen —
Rasch reift die Saat, die hoffend wir gesät.
Doch nicht zur Rückschau nur seid ihr berufen:
3u neuem wirken heiszt's gerüstet sein!
Dem Sukunstsbau, den unsre Stände schufen,
Fehlt mancher Balken noch und mancher Stein.
Fest steht der Grund, aus dem wir ihn errichten,
Doch, wie ün Gang der Seit der Würfel fiel,
Ruft jede Stunde uns zu neuen Pflichten
llnd jeder Tag zeigt uns ein neues Siel.
Nur frisch voran! Aus selbstgeschaffnen Bahnen
Aufwärts zum Licht durch Nacht und Finsternis!
Nur frisch voran! wir folgen euren Fahnen,
3um Ramps gerüstet und des Siegs gewiß!
Blitz-rahtinel-ungeii.
Valparaiso. Die Robinson-Insel Juan Fernande; ist im stillen Ozean ver-
sunken. Sie fürchtete: Minister v. Podbielskt habe sie als Ruheplätzchen für sich
und seine Schweinezucht ausersehen.
Berlin. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" schreiben: Unser Kolonialschiff
hat Pech; in einem fort ertönt vom Bug zum Heck der Schreckensrus: „Mann über
Bord!" Und unter solchen Verhältnissen, die jedem Patrioten das Herz im Leibe
umdrehen, erdrciftet sich die vaterlandslose Rotte zu schreiben, daß es am besten
sei, wenn der Teufel das ganze Kolonialschiff holen würde.
In Rrzski wurde ein Sittenverbrecher begnadigt, weil er versprach, sofort
nach feiner Entlassung zwei Streikposten totzuschlagen.
— Die russische Regierung stellt Versuche an mit weittragenden Geschützen.
Die Revolutionäre dagegen üben sich mit nah treffenden.
— In Frankreich hat ein kaiserlich russischer Staatsrat seinem Wirte einen
kostbaren Diamantring gestohlen. Man fand die Beute in einem Flacon mit Zahn-
pulver. — Da sieht man wieder mal, was dabei herauskommt, wenn ein „wahr-
haft russischer Mann" sich die Zähne putzt.
Mannheim.
Die Stadt ist sehr alt. Var dreihundert
Jahren schon wurde in Anwesenheit des da-
maligen deutschen Kaisers, der bei dieser Ge-
legenheit eine Rede hielt, Ihr Grundstein ge-
legt. Die ersten Bewohner waren flüchtige
Niederländer, ein Volksstamm, der sich bereits
in jenen rohen Zeiten durch so große Frucht-
barkeit auszeichnete, daß die Einwohnerzahl
Linnen kurzem gewaltig anwuchs. Um der
drohenden Übervölkerung vorzubeugen, dachte
man daran, eine Anzahl Prinzen reindeutschen
Geblüts zu importieren, die von sachkundigen
Gelehrten als wirksamstes Mittel gegen aus-
artende Vermehrungstendenzen des niederlän-
dischen Stamms empfohlen wurden. Die wohl-
tätigen Folgen des bald darauf ausbrechenden
dreißigjährigen Krieges machten indessen diesen
energischen Schritt überflüssig. Mannheim fiel
abwechselnd in die Hände der Franzosen,
Bayern, Schweden, Österreicher usw., bis es
in unfern Tagen endgültig von den teils ein-
geborenen teils eingedrungenen Horden der
Sozialdemokratie erobert ivurde, die unter
ihrem wilden Hetman Dreesbach hier eine
Schreckensherrschaft etablierten.
Die Stadt ilnd ihre Umgegend ist sehr schön
und fruchtbar. Auf den Lagerplätzen i» der
Nähe des Bahnhofs wuchern Tabak, Reis,
Rohzucker, Baumwolle, Kaffee, Petroleum und
künstliche, hinter den Frachtschuppen haupt-
sächlich natürliche Düngemittel in tropischer
Fülle. Auf der Fohlenweide wird eine aus-
gedehnte Pferdezucht betrieben und in den be-
nachbarten Bergen fördert der fleißige Knappe
das edle Mannheimer Gold.
Die Sprache der Eingeborenen soll sich, nach
den neuesten philologischen Forschungen, aus
dem Suaheli unter starker Beeinflussung durch
kamtschadalische und malaiopolynesische Dia-
lekte entivickelt haben. Sie ist daher außer-
ordentlich ivohltönend, aber sehr schiver zu
erlernen und für Europäer schlechterdings un-
verständlich.
Bon der kompromittierenden Rolle, die die
Stadt Mannheim in den Wirren des Jahres
1849 spielte, wollen wir lieber schweigen. Ein
unbedachter Hinweis auf die dainalige Ver-
brüderung des zum Schuhe des, Thrones
berufenen Militärs mit den revolutionären
Rebellenscharen könnte nur aufreizend wirken.
Die Scharte wurde überdies bald darauf durch
das kühne Eingreifen der preußischen Truppen
unter Führung des späteren greisen Helden-
kaisers wieder ausgewetzt und dem letzteren
dabei Gelegenheit geboten, in zahlreichen un-
erschrockenen Hinrichtungen nicht nur Mann-
heimer Bürger, sondern auch preußischer Lan-
deskinder, dem Vaterlande schon damals ein
leuchtendes Beispiel heroischer Opferfreudig-
keit zu geben. J.s.
Oie Nützlichkeit der Fortpflanzung
der Dynastie.
Viedermeiersang von Secundus.
Wahrlich, wenn wir es nicht lange wüßten.
Daß die Dynastien uns sehr nötig sind.
Aus der neuesten Erfahrung müßten
Wir's ersehen, wären wir auch gänzlich blind.
Weiß der Liinmel, wie es wär' gegangen.
Wenn die hochverehrte Kronprinzessin nicht
Kätte zu der rechten Zeit empfangen
Vom Gevatter Storch den fröhlichen Bericht:
„Ich Hab' hier ein Knäblein abzugebe».
Welches wirklich all und jeder Tugend voll.
Die für künftighin ersprießlich Leben
Zeder Kohenzoller merkbar haben soll."
Dieses Knäblein fing mit Ruhinestaten
Indirekt schon in der hohen Wiege an;
Einen Präsentiermarsch für Soldaten
Kat vom Großpapa die Kaiserjacht empsahn.
Zn der allerhöchsten Taufe Feier
Kam für Preußen auch noch eine Amnestie,
Welche Lehmann, Schulze und Frau Meyer
Deren Majestätsbeleidignng verzieh.
Dieses alles sind zwar Lorbeerreiser
Für den übernächsten kaiserlichen Kerrn;
Doch die allergrößte Großtat sieht ein weiser
Deutscher Barde in der neuern Leistung gern.
Nämlich bei der preislichen Regierung,
Welche unsres Reichs Geschicke fröhlich lenkt.
Zeigte sich bereits Atomisierung;
Dies ist schlimmer, als die große Masse denkt.
Bülow, welcher erster an der Spritze,
Schwärmt im Sommer eifrig für die Reinlich-
Geht mit seinem Pudel oder Spitze [feit.
In das Wasser öfter übermäßig weit.
Wohingegen Pod, der Landwirtschafter,
Sich befaßt mit profitabler Schweinerei,
And als seiner Gattin tugendhafter
Stellvertreter, Tippelskirch steht wacker bei.
Andere Minister aber fröhnten
Ihrer respektiven Neigung anderswo.
And die braven Antertanen stöhnten:
„Ist denn das Regieren ferner möglich so?"
Selbst die frömmsten und die besten Blätter
Waren täglich voll Enthüllung und Skandal,
Riefen unisono: „Donnerwetter!
Jetzt, Regierung, zeige endlich dich einmal!"
Diese aber ließ von sich nichts hören,
Trieb getrennt herum sich in der weiten Welt;
Keiner ließ in seiner Ruh sich stören —
Bis dem allerhöchsten Prinzen es gefällt.
Plötzlich, als der Tauftag angebrochen,
Waren die Minister alle pünktlich da.
And zum ersten Mal feit vielen Wochen
In Berlin man etwas wie Regierung sah.
Diese Leistung nach so langer Pause
Danken wir der Prinzentaufgelegenheit
And dem hiermit eng verbundnen Schmause;
Sonst natürlich wär's noch lange nicht so weit.
Wahrlich, schon in Windeln hat der zarte
Prinz gezeigt ererbtes herrliches Genie! —
Schon sein Dasein glänzend offenbarte
Zweck und Nutzen fortgepflanzter Dynastie.