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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0371
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5283 —

es ftobelfpäne. eZ>

Man sucht nach neuen Namen drüben
Für unser Süd-West-Afrika.

Man kann den alten nicht mehr lieben:

Er mahnt an dunkle Zeiten ja.

Wie wär's mit „Leist-Reich", „Petersland",
„Ahrenberg-Au" und „Deutsch-Wüst-West"?
Auch „Bülow-, Deimling-, Dernbnrg-Strnnd"
llnd „Semlers-Ruh" sich hören läßt.

Doch immerhin, tauft, wie ihr's wollt.

Es klebt dran rotes Menschenblut

Von Tausenden! Und Sündengold-

Das macht kein neuer Name gut!!

Die Berliner Droschkenkutscher müssen laut Polizeivorschrift fortan
schwarzlackierte Hüte mit der preußischen Kokarde trage». Wenn sich
nur kein Friedrich Wilhelm Voigt findet, der auch diese Uniform der
Lächerlichkeit von Mit-, und Nachwelt überliefert!

Keine Gabe, dran der Fiskus seinen Extrazoll verschmäht,

Selbst beim Köpenicker Hauptmann das Geschäftchen er versteht:
Was dem „Hauptmann" ward gespendet, namentlich in barem Geld,
Fiskus deckt damit die „Kosten" — wozu wär' er auf der Welt?

Früher suchte man den Stein der Weisen, jetzt sucht man das
Gold der Dummen. * .

Ein Löwe^ging brüllend im Reich umher
Und tat erschrecken die Leute sehr,

Als man ihm im Reichstag das Fell zog herunter,

Da fand man den Herrn Erzberger darunter.

Dernburg hat sich vor dem deutschen Reichstag als Schütze pro-
duziert und hat dabei ins Zentrum getroffen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

r, -j

Das Zentrum läßt zwar dein Handelsmann Dernburg durch seinen Roeren
„in ganz privater Aktion" eins aufs Dach geben, aber es läßt dabei die linke
Hand nicht wissen, was die rechte tut.

£itie ientrumsUomöüie.

Roerens Rückzug.

Was gestern ich sprach mit wildem Drohn,
Das gilt nicht für die ganze Fraktion.

Das Fäusteballen, der Racheschwur —

Das war — auf Ehre! — alles nur
Persönlich, persönlich!

Und was ich sprach von Tropensünden
And von dem christlichen Empfinden,

Und daß wir die Verbrecher hassen.

Das bitte ich alles aufzufassen
Persönlich, persönlich!

Daß Dernburg für die Zentrumspartei
Ein Tölpel, ein Flegel, ein Jobber sei.

Ist Übertreibung sicherlich:

Er ist's — bei Pius! — nur für mich
Persönlich, persönlich!

Wie könnten wir auch die Lerren so kränken.
Die uns so reich mit Gaben bedenken!

Fürst Bülows Wunden sind unsere Wunden:
Wir sind dem Edle» zu sehr verbunden
Persönlich, persönlich!

Dies Widerrufen kränkte mich sehr.

Wenn ich nicht grade der Roeren wär:

Ich habe die „nackte Wahrheit" satt
Und decke darüber - das Feigenblatt

Persönlich, persönlich! P. C.

Das teure Fegefeuer.

Die „Kirchlichen Nachrichten für die Erz-
diözese Freiburg" zeigen an, daß, „den Zeit-
verhältnissen entsprechend", die Gebühren für
Messen usw. erhöht werden. Es kostet jetzt
eine Messe ohne Zeitbestimmung 200 Mark,
eine auf 100 Jahre 100 Mark, auf 50 Jahre
80 Mark usw.

Die deutsche Regierung sollte sich an ihren
lieben Schwarzen ein Muster nehmen: die

haben schon im Jenseits Erhebungen über
die Teuerung angestellt. Die Regierung noch
nicht mal im Diesseits!

Zuin Gedächtnis.

Von dem in Danzig für den Norddeutschen Lloyd ge-
bauten Dampfer wurde der schon angebrachte Name
„Hohenlohe" entfernt und durch einen anderen erseht.

Keine Messe darf man singen,

Keinen Kaöosch darf man sagen;

Nicht gedacht wird Hohenlohes
Mehr in unfern Bülow-Tagen.

Alles, was fatal und peinlich.

Hat nicht platz auf deutscher Erden,

Hat nicht platz auf deutschen Wellen.

-Nicht gedacht soll seiner werden!

Es erinnert an vergangnes
Gnkel Chlodwig seine krasser;

Und wir dulden allerhöchstens
Unsre — Zukunft auf dem Wasser. . .

Lieber Jacob!

Ne scheene un ivcihevolle Vorbereitung zu
det „Fest der Liebe" hat sich dieses Jahr der
Reichstag jeleistet. Die Andachtstunden, die
der jottesfirchterliche Roeren mit den Bieder
man» Dernburg während de Kolonjalverhand-
lungen abhielt, waren »ich von Pappe, un
det deitsche Untertanenjemiet hat bei die Je
lejenheit Widder mal 'nen kleenen Jratisunter-
richt ieber dem juten Ton in de besten Jesell-
schaftskreise jenießen dirfen. Die Komplemente,
die der Herr Jeheime Oberjustizrat un Seine
Exzellenz der Herr Kolonjaldirekter sich um-
schichtig machten, waren allerdings »ich fein,
aber se kamen von Herzen, un ick bin in die
anjenehme Lage, keenen von die beeden Hoch-
wohljeborenen zu nahe treten zu missen, son-
dern ick kann in Jejenteil mit de vollste Jeber-
zeijung versichern: Se haben beede recht jehabt!

Bloß det verstand ick nich janz, woso Roeren
Dernburg 'nen„Börsenjobber"jenanntun woso

Dernburg det iebel jenommen hat. Et war
doch jrade de Rede von die Börsenjeschäfte,
die det fromme Zentrum mit de vornehme
Rejiernng abjewickelt jehabt hat! Mit 'n dot-
jetrampelten Nigger, mit zehnmal fimfun-
zwanzig Hiebe uff'n Hintern, mit ’n paar ab-
jeschnittene Köppe un andere kolonjale Wert-
produkte war det Zentrum uff'n Markt er-
schienen, un damit sonne feine Ware nich unter
det jemeene Volk kommt, mußte de hohe Reichs-
rejierung 'nen janzen Klumpatsch bejnadigte
Missionäre, beförderte ultramontane Schreiber,
berappte Telejrafenrechnungen un anderes
Scheene mehr dajejen bieten. Det wohlriechende
Jeschäft wurde nich perfekt, un nn schimpft
eener den andern „Börsenjobber"!

Jedenfalls is aber durch de vorlaute Stee-
rung unseres Kolonjalfriedens de nazjonale
Industrie leider in beklagenswerte Weise je-
schädigt worden. Oder jloobste villeicht, det
wir sonne Bliete des Schuhmacherjewerbes
noch mal erlebe» werden, wo Tippelskirch
alleene mit Stiebelwichsen fimf Mark for'S
Paar verdiente? lln de Apotheker missen sich
in Zukunft wieder kimmerlich von Heftpflaster,
Schweizerpillen un Brechpulver ernähren, an-
statt, wie bis jetzt, de Kolonjalverwaltung in
patriotische Bejeisterung mit Hufeisen un Ferde-
decken unter de Arme jreifen zu kennen. Det
scheenste Weihnachtsjeschäft is diese staats-
erhaltenden Produktionszweije durch de Lap-
pen jejangen, un det haben alleene die Nerjler
verschuldet, die an keenen Jott un Menschen
nich jlooben un sich in ihre boshafte Ver-
blendung nich inreden lassen ivollen, det '»
Jeheimrat, der det Parlament de Hucke voll lügt,
dabei de reinste Wahrheitsliebe jehuldigt hat.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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