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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0011
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Große Wahl-Bittprozession aller echt deutsch gesinnten Männer

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Es braust ein Ruf durch's ganze Land:
Frisch auf! Zur Reichstagsivahl!

Gernstet steht der vierte Stand,

Sln Mut stark und an Zahl.

Ein Wählerheer von Millioiien
In ivohlsvrniierten Bataillonen -
Das Älufgebot der Proletarier
Gen Junker, Pfaffen und Agrarier.

Das rote Banner rauscht empor.

Als Kampfruf gellt dein Feind ins Ohr
Der Ruf, den uns gelehrt die Not:

Für Freiheit, Gleichheit, Recht und Brot!

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Weihnachtsgeschenke müssen durch Geburtstagsgeschenke erwidert
werde». » ^ »

Wem der Faden reißt — der verliert ihn.

Bessere Leute kriegen Orden, und dann iverden sie ihnen gestohlen.
Uns könnten sie schon gestohlen iverden, aber wir kriegeit ja keine!

Politik ist ein Geschäft, das nur die verstehen, die ein Geschäft
dabei machen. * t »

Der Reichskanzler beabsichtigt über die Kolonialvorkominnisse der
letzten drei Jahre ein „Schwarzbuch" herauszugeben.

Im Reichsschatzamtsgebäude sollen im neuen Jahre die Fenster

noch erheblich vergrößert werden, damit noch mehr Geld hinaus-

geivorfen werden kann. Cv. . .. ~.. , .

J ■ w)1 getreuer Sage, Schreiner.

Rußland unter den feldgeritftten.

Lin feuchter Morgen steigt herauf,

Ts fröstelt leis das Laub im Tau,

Den weiten Himmel rings umzieht
Der Regenwolken schmutzig Grau.

Und wie ein Leichenzug bewegt
Lich's dort schwerfällig längs dem Wald;
Zwar leben alle noch; doch jetzt
Gebietet rauh der Führer Halt.

Lechs Kinder treten aus dem Zug,

Das älteste zählt vierzehn Fahr;

Gefesselt ist die junge Lrut,

Ls ordnet sich der Henker Schar.

Die Zeldkriegsrichter haben schnöd
Die Kinder hier zum Tod verdammt,

Weil gleich den Eltern mutig sie
Zur Rußlands Freiheit sich entstammt.

Stolz aufgerichtet stehen sie
Und harren auf den Todesgruß
Feuer! befiehlt der (Offizier,

Doch ha! Ls blitzt und kracht kein Schuß.

Den zitternden Soldaten dringt
Verzweiflung in das Herz hinein,

Die Flinte sinkt und einer ruft:

»Ich will kein Kindermörder sein!"

Ls stucht und droht der (Offizier,

Sie nehmen die Gewehre auf
Ls nimmt der rohe Standrechtsmord
Jetzt unvermeindlich feinen Lauf.

Schon hat die Revolution
In Rußland es so weit gebracht,

Daß Henker sie mit Feigheit schlägt
Und aus den Kindern Helden macht! n. c.

Der Kreuzzug.

Wimmelnd und wuselnd wälzt der Troß
Einher auf Wegen sich und Stegen.

Sie zieh'» zu Fuße und zu Roß
Dem großen Kladd'radatsch entgegen.

Die reis'ge» Junker stehen stramm
Mit ihren langen rost'gen Spieße»

Der ganze liberale Schwamm
Hak ihnen Reverenz erwiesen.

Man hört die.Herrn am meisten schrei'»
Vom fernen Ratibor bis Wesel;

Sie glauben tvunderklug zu sei»

Und sind doch ausgemachte Esel.

Sie rüsten sich in wilder Hast
Mit patriot'schen Zungenschlägen,

Den allerletzten dürren Ast,

Auf dem sie sitzen, abzusägen.

Lieber Jacob!

Ne anjenehmere Weihnachtsbescherung wie
de Reichstagsufflösung hätte sich de Rejierung
for uns jar nich ausdenken kennen. Wenn se
de Sozialdemokratie ooch bet janze Jahr ieber
schlecht behandelt hat, hat se zum Schluß doch
det Jewissen jeschlagen un se dachte: ick will
de lieben, juten Roten mal zu Weihnachten
'ne nette Jeberraschung machen, wo drieber
se sich recht freien werden. Ick finde det schar-
mant von Bülow'n un ick hoffe, det de deitsche
Arbeeterschaft sich nicht lumpen lassen, son-
dern sich bei de Rejierung ebenfalls mit 'ne
reizende Jeberraschung am fimfundzwanzigsten
Januar revanschieren wird!

De birjerlichen Heerscharen riefen diesmal
’n bisken miesepetrig in'n Wahlkampf. Det
jroße Maul is ja vorhanden, aber det Jott-
vertrauen mangelt. Se klönen zwar alle, det
se nu for de Ehre von de Razijon kämpfen

missen, aber ieber diese sojenannte Ehre selber
sind se »och nich jnnz mit sich in't Reine je-
kommen. De Konservativen verstehen darunter
offenbar de Schiveinezucht, det Zentrum de
konfessionell jarantierte Dummheet un de Frei-
sinnijen de kolonjale Bilanzverschleierung. Am
komischten machen sich bei den janzen Feez
de entschieden liberalen Jeisteshelden, die nu
mit eenmal, se wissen selber nich wie, zu 'ne
richtije Rejierungspartei jeworden sind. Diesel
holde Jlick war se bisher noch nich zuteil je-
,wesen »» se kommen sich nu janz prächtig in
diese neie Rolle vor. De kleenen Dreck-Kulis
aus Mosse'n un Ullstein'» ihre Sklavenplan-
taschen ieben sich täglich feste in de heheren
juvernementalen Flötentöne un bei'» pollite-
schen Lokalreporter von de Tante Boß soll
vorigte Woche bereits der Zäsarenwahnsinn
ausjebrochen sind.

Trotz alle Jroßartigkeet in Worten un Je-
bärden scheint det staatserhaltende Birjertum
aber doch die wehmietije Empfindung zu be-
selijen, det ihn 'ne umfangreiche un wohl-
verdiente Wamse bevorsteht. Un ooch de
Rejierung stehlt sich offenbar nich janz mollig
in ihre staatsmännische Rhinozerospelle. Wenn
se zu de Wahlkampanje nach'» wirksames
Schlummerlied sucht, mit det se ihre jetreien
Untertanen beduseln un bedämeln kennte, so
bleibt als Resräng in den Jesang doch immer
„Pod, Tippelskirch un Marokko" iebrig, »»
uff diesem Vers 'nen ieberzeijungSkräftijen
Reim zu finden — det derfte selbst for dem
hartleibigsten Bundesratspropheten schwierig
sind!

Jedenfalls haben unsre starken Männer mit
de parlamentarische Ufflöfung wieder mal '»
sehr jlicklichen Jrifs jetan, un ick jloobe, de
alljemeene Ufflösung wird nu ooch nich mehr
lange uff sich warten lassen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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