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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0022
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5306

-d Zuin 25. Januar.

wo der Kammer dröhnt, wo die Lffe glüht,
wo die rote Lohe zunr Fimmel sprüht,
wo des Dampfes gellendes Lied erklingt,
wo der Schmied das Lisen in Formen zwingt —
Da kündet jeder Ljammerschlag:

Jetzt kommt der Tag!

wo die Riemen sausen, die Spindel schwirrt,
wo inr Takt es schlittert und summt und klirrt,
wo das Garn sie spinnen in ew'ger Hast,
wo das Tuch sie weben ohn' Ruh' und Rast —
Da flüstert es von Mund zu Mund:

Jetzt kommt die Stund'!

wo das Schiff zum Hafen das Steuer lenkt,
wo die Rette raffelt, der Rran sich schwenkt,
wo das Boot sich zwängt durch die schwere Flut,
wo der Arme stapelt der Lrde Gut —

Da steigt am Maste das Signal:

Jetzt kommt die Wahl!

wo der Hobel knirscht, wo der Axtschlag schallt,
wo die Feile kreischt, wo der Amboß hallt,
wo die Feder eilt, wo die Radel fliegt,
wo es xocht und stampft, wo es wägt und wiegt —
Da hört ein einzig Wort nur ihr:

Jetzt kommen wir!

wir kommen aus der Lrde Grund!
wir kommen aus dem Feuerschlund!
wir kommen von der wilden See!
wir kommen von der Berge Höb'!
wir kommen her vom Ackerland!
wir kommen her vom Dünenstrand!

Lin millionenstarkes Heer,

So schreiten trotzig wir einher —

Jur Wahl!

Jur Wahl! Doch merkt, es ist kein Spiel!
wir zählen uns. wir sind so viel!

So viel!

Weh euch, wenn über Rächt
Auf eure Macht

Die Lawine kracht! s-cmdus.

VUtzürahlmeiüungen.

Berlin. Den.zu Kaisers Geburtstag üblichen Hlaggen-
schmuck werden alle Behörden schon zwei Tage vorher
anletzen — zunächst allerdings nur aus Halbmast!

— „Post" und „Tägliche Rundschau" erklären, daß ihre
Parteien zu altersschwach sind, um noch länger das
Reichstagswahlrecht zu vertragen.

— Das Heroldsamt kann sich zwischen Dernburgs
Ahnen nicht hindurchfinden und befürwortet deshalb nur
den erblichen Seelenadel.

Riel. Als die kaiserliche Werftdirektion hörte, daß
auch die Gewerkschaften gegen überflüssigen Alkoholgenub
seien, freute sie sich. Lrst am Wahltage kam sie dahinter,
was mit dem ersparten Gelde geschehen war.

Dortmund. Seltener Hall von wahlkoller! — Lin
bekannter, in Deutschland herumreisender Rationallibe-
raler klopfte heute um drei Ahr nachts wie ein verrückter
bei der Herberge zur Heimat an. Lr sei obdachlos! Als
man ihm Brotsuppe vorsetzte und sagte, er müsse früh
morgens aufstehen und arbeiten, rief er wütend: er habe
das nur „bildlich" gemeint. Lr fei Reichstagskaudidat!

Graudenz. Im ganzen Osten der Monarchie sind die
Wahlvorbereitungen stramm im Gange. Die Landräte
opfern sich gradezu auf. Sie rauchen tagsüber doppelt
so viel wie früher, damit ihre Zigarrenkisten leer werden
und zu Wahlurnen benutzt werden können.

München. Die süddeutschen Liberalen hoffen stark,
daß der Zentrumsturm zusammenstürzt. Harmlos, wie
sie sind, sitzen sie jetzt alle dicht vor seiner Tür, gucken
neugierig an ihm hinauf und — warten.

Rom. Hier sind zwei Rardinäle gestorben. Nun sagt
eine alte Legende, daß da noch ein dritter hinzugehöre.
Aber das ist schwierig. Der Teufel hat's nämlich auf
den päpstlichen Staatssekretär abgesehen; nur hat er leider
als weltliche Obrigkeit im Vatikan keinen Zutritt.

Swakoxmund. Militärischer Bombenerfolg.'! Der
tzottentottssnhäuptling Lhristian Meyer, sein Reffe und
seine Schwiegermutter streckten die Waffen. Dadurch
werden 2500 Mann für die Parade an Aaisers Geburts-
tag frei, soweit sie nicht auf die (sehr gefährliche!)
Schwiegermutter aufpassen müssen.

Seit einigen Wochen empfängt die Hunkenstation in
Poldhu regelmäßig kurz nach Mitternacht sonderbare
Zeichen, die keiner lebenden und toten Sprache angehären.
Man vermutet, daß sie vom Mars kommen, dessen hoch-
entwickelte Bewohner sich mit uns zu verständigen suchen.

Unser Redaklionsapparat, der neuesten Systems ist,
hat diese interessanten Telegramme ebenfalls erhalten, und
wir behalten uns ihre vollständige Veröffentlichung vor.
Hür heute bemerken wir nur, daß es kein Zufall ist, wenn
jener leichtsinnige, in Zünden alt gewordene Vetter unserer
frommen Lrde so prachtvoll knallrot leuchtet. Denn
in den Telegrammen sprachen die Marsbewohner den
Wunsch aus, sich bei der Wahl am 25. Ianuar zu be-
teiligen! Diese braven Iungens! wir konnten aber
dankend zurückfunken, daß wir hoffen, mit der Bande hier
unten schon aus eigener Araft fertig zu werden.

vcr freistnn an die Regierung.

Aus tiefer Not schrei' ich zu dir:

Lrhör'. erhör' mein Nusen!

Demütig winselnd steh' ich hier
vor deines Thrones Stufen.

Erbarme dich des armen Wichts,

Denn ohne dich vermag ich nichts,

Du bist mein letzter Anker!

Dein Herze hegt gerechten Groll —

Ich kann dir's nicht verdenken:

Ich weiß, ich war der Sünden voll
Und tat dich öfters kränken.

Lin Stänkrer war ich, als ich jung,

Doch jetzo schwör' ich Besserung
Und tu's gewiß nicht wieder.

D schick' mir deiner Gnade Strahl
In dieser schweren Stunde
Und hilf mir durch die Neichstagswahl
Sonst gehe ich zugrunde.

Mein Mark entschwand, die Lippe lallt,
Ich nahe dir in Knechtsgestalt,

Zu jedem Dienst erbötig.

Gewähr' der kleinen Bettlerschar
Dbdach in deinen Zelten.

Der Dernburg, den mein Leib gebar,

Soll alles dir vergelten!

D nimm mich aus, mich armes Tier,

Sonst knickt der wilde Note mir

Den letzten heilen Knochen! z.s.

Stammtischrede

des Metzgermeisters a.D.Wurstler in München.

Meini Herrn! Bisher Hab i alleweil gmoant,
daß mir in Bayern's Nausschineißen am besten
verstehnga; jetz is aufkomma, daß dö Preißn
uns da no über san. Schneller als der Reichs-
tag von dene da drobn außigfeuert warn is,
kann ma's im Hofbräuhaus a net. Und jetz
müaßn dö arma Teufel, dö wo außigflogn
san, a no bei dera Kältn umanandafahrn und

zu dö Leut redn, damit s' wieder gwählt wern.

Der Fürst Bülow aber und der ander, der
Dernburg, sitzen schö warm dahoam. Ob i
selber a wähl', woaß i no net. Dös kommt
aufs Wetter an und a darauf, ob i net mei
Zipperl kriag. Aber wenn's net kalt is und
meine Pedalen in Ordnung san, nachher wähl'
i grab a so, daß dö Preißn ärgert.

Was geht denn uns überhaupt dö Gschicht
da drunten in Afrika an, dö wo nix tragt als
Schulden. Wenn zur mir oana sagn tat: Herr
Wurstler, i Hab a Haus zum verkauf«. Zivoa-
malhunderttausend Mark Schulden san drauf
und dreitausend Mark trägt's im Jahr am
Mietzins ein, nachher pack i ihn und halt eahm
sein Kopf a Viertelstund lang unter d'Wasser-
leitung, damit er wieder gscheit werd. Die
Herrn Minister aber därfn solche feine Gschäft'
fürs Volk macha, und wenn's nachher auf-
kommt, daß dö ganz Gschicht a Dummheit
war, nachher muaß 's Volk dö ganz Schmier
zahln. Sagt aber oaner: „Leut', seids net so
vernagelt, sorgts dafür.daß nix zahln brauchts",
nachher hoaßts, er is koa Patriot, er versteht
nix von der Reichsehr'.

A zwanzg Jahr is her, da Hab i an meim
Metzgerladn net gnua ghabt, sondern Hab
in der Auer-Vorstadt a no a Filial auf-
gmacht. Wia i aba gsehgn Hab, daß i drauf-
zahln muaß, nachher Hab i halt mei Filial
wieder aufgsteckt. Hält' i 's bhaltn, war i no
auf Gant komm«. Wenn damals zu mir oana
gsagt hätt': „Sie Herr Wurstler, Eahna Ehr'
verlangt, daß dö Filial weiterführn", dem
hält' i g'antwort: „San S' so freundli und
bstelln S' Eahna im Irrenhaus Giesing a
Gummizelln; es is grad oane frei."

I bin grad koa Freind von dö Sozi und
a koana von dö Schwarzn, aba wenn dösnial
a ghöriger Haufa in Reichstag käm, tat's mi
grad freun. Dö in Berlin brauch« amol wieder
an Dämpfer, damit s' sehgn, daß ma si von '
eahna net kommandiern laßt, wia s' ihre Sol-
datn kommandiern. Dö haltn 's ganze Deitsche
Reich für a Kasern. Aber mir da heruntn
pfeisn eahna was. — Zenzl, no a Maß!
 
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