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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0023
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5807

es Seifenblasen. eT

«Uub auf dm Schwindel sollen wir hereinsallen? — Das glanbt ja
der stärkste Mann nicht!"

es ftobelfpäne. eT

\ In wilder Flucht muß alles sich zerstreun
Bei diesem Kampf, wenn unsre Klingen blitzen.
Wie iverdeu sich die treuen Freunde freu»,
Die hintern schwedischen Gardinen sitzen.

Des Resultats harrt jeder ungeduldig —
Wir sind den Treuen eine Sühne schuldig.
Es weitet sich der Zelle enger Raum,
Erstrahlt darin des Wahltags Weihnachtsbaum.

Nebogatow wurde anstandshalber zum
Tode verurteilt. Aber weil das weh tut,
bekam er bloß vier Jahre Gefängnis. Und
weil das langiveilig ist, soll er jetzt dem
Großfürsten Konstantin die Stiefel putzen.
Und weil er das nicht kann, läßt man ihn ganz lausen. Aber weil
er doch nun mal irgend ein Kreuz aufgepackt kriegen muß, kriegt er
das Großkreuz des St. Annenordens.

Hat unser Bernhard etwa stark gefiebert
Nach übermäßig eifrigem Betrieb,

Als an den edlen General v. Liebert
Sein vielbesprochnes Manifest er schrieb?

Verschwunden sind die letzten „schönen Reste",

Mit denen sich der Welkende geziert;

Er hat mit diesem lahmen Manifeste,

Wie man's von ihm verlangt — „manifestiert".

Es ist doch bedauerlich, daß der Breslauer Schutzmann, der einem
aufsässigen Lümmel die Hand absäbelte, sich bisher nicht gemeldet hat;
er muß nun regelmäßig bei Ordensverleihungen übergangen werden.

Auch der deutsche Liberalismus hat zweifellos „feste Grundsätze".
Einer derselben ist, seine Wähler fortgesetzt an der Nase herumzu-

führen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

(Uoblauf, mein Holk!

ßebettnc Stimme und geheime Wahl
Sind bessre Waffen als ein Schwert von Stahl,
Sie treffen gut ins herz die Cyrannei
Und machen ohne Blut die Uölker frei.

Sie fronen nicht, gefühllos wie das Schwert,

Der mächt'gen Saust, die mit Gewalt bewehrt,
Sie folgen mit Uernunft allein dem Geist,

Der ihnen Weg und Steg zur Sreibeit weist.

Der Geist bedarf der Saust nicht im Cnrnier,
kr kämpft mit Wort und Schrift und mit Papier,
kr führt die Seder bei geheimer Wahl
Und hebt das Uolk zum lichten Sreibeitssaal.

Wohlauf, mein Uolk! Zeig in gerecktem Grimm,
Dass deine Stimme noch ist Gottes Stimm',
Zerscbmettre du, Geld Proletariat,

Die Cyrannei und bau den freien Staat.

Roberl Seidel.

Achtung! Wähler!

Es ist in letzter Zeit wiederholt vorgekoni-
a>en, daß Leute, die ein Menschenalter hin-
durch bestimmt zu wissen glaubten, welchen
Geschlechts sie sind, sich plötzlich durch ärzt-
liche Untersuchungen von ihrem verhängnis-
vollen Irrtum bekehren lassen mußten. Ein
tapferer August sah sich genötigt, auf die
Freuden der zweijährigen Militärzeit zu ver-
zichten, nachdem ihn das fachmännische Urteil
des Oberstabsarztes zur Auguste degradiert
hatte. Eine glückliche Braut mußte ihr Ver-
löbnis lösen, da sie sich als männlichen Ge-
schlechts erivies, und eine Spreewälder Amme
hat aus demselben Grunde ihren Beruf aufge-
geben und ist Milchfahrer bei Bolle geworden.

Diese trüben Erfahrungen sind geeignet, auch
bei den bevorstehenden Reichstagswahlen
zur Vorsicht zu mahnen. Um peinliche Jr'r-

tümer und schmerzliche Enttäuschungen zu ver-
meiden, sollte daher kein Wähler es unterlassen,
genau das Geschlecht des Kandidaten zu
prüfen, dem er seine Stimme zu geben beab-
sichtigt. Wir erinnern uns nämlich mehrerer
Fälle, wo Abgeordnete, die während der Wahl-
kampagne ihren Mannesmut und Mannesstolz
sehr wirkungskräftig zur Schau getragen hatten,
sich bereits beim ersten Auftreten im Parla-
ment als zweifellose alte Weiber entpuppten.
Darum ist bei derbevorstehenden Wahl doppelte
Vorsicht geboten. I. S.

Lieber Jacob!

De kriejerische Machtentfaltung der staats-
erhaltendeu Parteien zu de Reichstagswahl
fleeßt mir Jrauen ein, mr ick ängstije mir jrade-
zu, rvenir ick det Kampfjebrill des wildjeworde-
nen Spießertums zuheere. De Vorpostenjefechte
haben schon stattjefunden. De Heerscharen von
den „jeeinigten" Freisinn priejeln sich bereits
feste untereinander, mit Jott for Jobber un
Jeldsack, un ihre Vorkämpfer haben sich bei
die Jelejenheit jlicklich jejenseitig de letzten
opposizjonellen Borsten aus ihren schäbijen
Jlatzen jerissen. De uazjonalliberalen Schlot-
barone un de konservativen Mistjunker bewill-
kommnen sich abwechselnd mit jut präparierte
un sehr zutreffende Stinkbomben un det Zen-
trum lungert uff de juvernementalen Hinter-
treppen un winselt um 'ne milde Neijatzrsjabe.
Un det Janze nennt sich fester Zusammenschluß
der reichstreien Bevelkerungsjruppen jejen dem
Umsturz! Wie jesagt: ick jraule mir.

'ne wohlklingende Wahlparole hatdiekampfes-
mutijen Helden bis jetz leider jefehlt. Aber se
wußten sich zu helfen un haben sich jleich an
de richtije Quelle jewend't. Bülow is der Mann,
der dem ieberscheimenden Blutdurscht in det
jeeijnete Fahrwasser lenken konnte. Der Armee-
befehl, mit dem er nach jroße Anstrengungen

jlicklich zu Stuhl jekommen is, jeheert zu de
jlänzendsten Schöpfungen der vaterländischen
Blechmusike. Wer hätte den hohen Patienten
sonne Leistungen zujetraut! Sojar mit den Dejen
des selijen Napoleon fuchtelte er uns unter de
Neese, wo wir bis jetz von ihm doch man bloß
immer de Pommadenbichse der selijen Pom-
padur zu riechen bekommen haben. Un dreihig-
dauseud Landivehrmänner hat er eenfach zu
'ne milletäresche Jebung einzieheu lassen, da-
mit se am Fimfunzwanzigste» uich det Vater-
land umstirzen kennen. Ick hatte bisher immer
jeheert, det de Armee de sicherste Stitze von
Thron un Rejierung wäre — aber det scheint
so, als ob man sich ooch uff dieser jeheiligteu
Jrundlage nich mehr verlassen kennte. Dreißig-
dausend pollezeilich festjestellte sozialdemokra-
tische Landwehrmänner — schrecklicher Jedanke!
Un wat werden de Franzosen zu sagen, wenn
se bet Heeren, Herr Reichskanzler?

Aber mit diese Taten is et noch lange nich
jenug. Während man de unzuverlässije Kriegs-
macht an de Kette legt, wird de zuverlässije
Wissenschaft losjelaffen. Wat nämlich der Leip-
ziger Professor Lamprecht is, der hat for de
birjerlichen Parteien bereits den Schlachtplan
entworfen, wie der janze Kitt bei de Wahlen
zu befummeln is. De Konservativen tun janz
eenfach allens, wat de Liberalen sich winschen,
un de Liberalen unterstitzen det, wat de Kon-
servativen jern haben wollen. Uff diese Weise
sind alle Schivierigkeiten erledigt, de Einijung
is jedeichselt, det Zentrum ivird eenfach „ufs-
jerieben" un de Sozialdemokraten missen „ab-
sterben". Wat zum Schluß denn eejentlich recht
iebrig bleibt, det weeß man nich jenau — aber
eens is bombensicher: de deitschen Professers
werden nich alle werden!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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