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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0034
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5319

Bonaparte retUoious.

novelspäne.eT

Wandgemälde für das Reicftskanzlerpalats.

Bunt Andenken an des lieben Bernhards Silvesterbries gewidmet vom
„Wahren Jacob".

Eine harmlose Dattelkiste
Fiel einst in 'ne Pfütze hinein.

Da ward aus der Dattelkiste
Ein blühender Dattelhain.

Ein Nigger stahl eine Dattel.

Bald packte ihn grimmiges Leid;

Er spürte in seinem Magen
Südafrikas Fruchtbarkeit:

Ein Palmbaum wächst ihm drinnen.

— Nun geht's ihm, wie uns zu Haus

Mit kolonialen Fragen:

Es — wachst ihm zum Halse heraus!

Der deutsche Botschafter in Petersburg kann, ivie es heißt, nicht
russisch sprechen. Das ist ja auch kann» nötig: Hauptsache, daß er

Russisch denkt. * . *

Wenn man doch alle die Hühnchen braten könnte, die wir mit
der Regierung zu — pflücken haben! Dann wäre die Fleischnot flugs

zu Ende. * , »

Den armen Liberalen

Schafft jetzt der Junker viel Not;

Er schwenkt vor ihrer Nase
Den Lappen blutig rot.

Sie glauben, das sei wirklich
Der brennenden Städte Schein,

Und kriechen drum vor Schrecken
Ins Mauseloch hinein.

Für die Reaktionäre
Stimmen sie allzumal,

Und „liberalen Aufschwung"

Heißen sie dann die Wahl.

Ostelbien hat brav gewählt. Die Bretter, die sie da vorm Stopfe

haben, sind die Bretter, die die Welt bedeuten.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Deutschlands Äelden.

®tn Soldat, der in Südwest mehrere Gefechte mit-
gemacht, protestierte in Detmold gegen die Zumutung
eines Leutnants, daß er „die Flossen zusammen-
uehmen" solle, und wurde nur freigesprochen, weil
Tropenkoller bei ihm konstatiert wurde.

^enn dich ein Tropenkoller faßt.

Dann danke Gott und sei zufrieden.

Weil du dann 'ne Entschuld'gung hast.

Die sonst nur Prinzen gilt hienieden!

Du darfst in afrikan'schen Wettern
-riskieren stets dein junges Leben
Und -- unseren Regierungsblättern
"Deri Stoff zu Leitartikeln geben.

Du darfst dort hungern und marschieren
Und dich Typhusqualen winden,

Dein rotes Lerzblut da verlieren
Und so ein „glorreich" Ende finden.

Doch klingt das Lied vom braven Mann.

Er wird als Beispiel rings empfohlen
Der Jugend. And es braucht dich dann
Der Kanzler zu den Wahlparolen.

Doch — wenn du auch für Stadt und Land
Als leuchtend Vorbild mögest taugen,

-^ritt keinem deutschen Leutenant
Entrüstet auf die Hühneraugen!

Solch Leutnant ist von edler Raffe.

Nimm nur zusammen deine Flossen.

Denn, hast du auch dein Blut vergossen, —
Du bleibst doch Deutscher zweiter Klaffe!

Sonst wird Arrest dir zudiktiert.

Und du wirst abgeführt zur Frist,

Wenn nicht — der Stabsarzt konstatiert.
Daß du noch tropenkollrig bfft. ... P- E

Lieber Jacob!

Die Zeiten, wo der liebe Jott noch manch-
mal unter de Menschen wandelte, sind ja
leider schon lange vorbei. Heitzutage is in die
Art »ich ville niehrbei uns los. Um so schmeichel-
hafter muß et jedem zielbewußten Untertan
beriehren, det in Ermangelung eines Besseren
ivenigstens de rejierenden Halbjötter hin un
wieder sich jenieen machen nn zu det sindije
Volk herunterklettern. So hat sich ooch der
jroße Dernburg enteißert un is aus de er-
habenen Dunstkreise derRejierung in'neVolks-
versaminlung niederjefahren. Ick konnte leider
bei die feierliche Jelejenheit nich mit dabei
sind, da ick woll nich zu det janz richtije Volk
jeheere, det sich nach die Dernburgschen Ve-
jriffe aus Kommerzienräte, Fabrikbesitzer, Uni-
versitätsprofessoren un andere produktive Ren-
tiers zusammensetzen tut. Alsoickmußtedraußen
bleiben, objleich mein Jeschlecht mir zum Ein-
tritt berechtigt hätte. Denn ieber de Türe
zu det Andachtslokal stand jeschrieben: „Für
Herren", un de Damens wurden for keen Jeld

nich rinjelassen.

So bin ick jeneetigt, meine Kenntnisse ieber
det Wunder, wat sich in de Musikakademie
zujetragen hat, aus de Zeitungsberichte zu
schepfen. Et muß aber eenfach jroßartig un
erjreifend jewesen sind. Wozu missen wir de
Kolonien uns erhalten? Weil se uns, sagt
Dernburg, schon so ville Opfer an Jeld un
Menschenleben jekostet haben. Det selbigte,
scheint mir, kennte man ooch zujunsten der
Jenickstarre anfiehren. Un wat for Vorteile
bringen »ns de Kolonie»? Alle meegliche»,
sagt Dernburg, die sich ja nich uffzählen lassen!

Aber vor allen Dingen sind se vor de Kunst
sehr nitzlich. De Malers sollten janz schnell
dort hinfahren un die ville scheene Jejenden

abmalen. Ick meene, solange det Vaterland
noch sein Tcmpelhofer Feld, de Tucheler Heide
un dem Jüterboger Schießplatz hat, wird ooch
bei uns keen fiehlbarer Mangel an Jejenden
nich sind — un scheener is et nach de ein-
stimmijen Berichte der Reisenden in det fied-
westafrikanesche Eldorado ooch nich. Un wat
de Musiker, die Dernburg jleichfalls in det
Hottentotteuparadies spedieren will, da sollen,
det bejreife ick erst recht nich. Villeicht sollen
se die Leite, die in de Eineede verdursten, noch
schnell dem Sang an Äjir'n vorfiedeln?

In erste Linije aber, meent Dernbnrg, muß
der Landadel for de Kolonien eintreten. Denn
se sin de „Heimat for de zweeten Söhne".

'n Vaterland, sagt er, haben se schon, aber nu
sollen se ooch noch 'n „Kinder- un Enkelland"
zukriejen. So ville ick >veeß, hat der deitsche
Adel de Kolonien bis jetz man bloß haupt-
sächlich als „Kusinenland" benutzt, aber et mag
schon meeglich sind, det de Kinder un Enkel
sich ooch uff diesen! Weje allmählich erziele»

lassen.

Jedenfalls jloobte Dernburg nach seine bis-
herijen Erfahrungen feststellen zu missen, det
de Deitschen det „Volk der Denker un Dichter"
seien. An de Denker kann ick nu, offen jesagt,
nich recht jlooben, wenn ick mir so die Ver-
sanimlnng in de Musikakademie ansehe. Aber
mit de Dichter wird det schon seine Richtig-
keit haben. Man braucht bloß an de Dern-
burgschen Kolonialbilanzen zu denken!

Wie ick Heere, will sich der Herr Kolonial-
direkter jetz noch in einije bessere Jeberbrettl
produzieren, ivo er sich von seine Künste 'n
scheenen Erfolg versprechen tut.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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