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5326

sxZ Optimiflen.

„Können Sie sich verstellen, meine Gnädigste, daß es wirklich Menschen gibt, welche die heutigen
Zustände nicht in rosigem Lichte zn sehen vermögen?"

- »

Die freisinnigen Mannesseelen.

Sri! das Prinzip sie unrnlwrgt
Für diesmal auf den Mist grlegk,

Ist ihnen erst geheuer;

Sie haben fürchkerlich zu knn
Und holen die Kastanien nun
Für andre ans drin Feuer.

sie sollten minder hihig sein!

’s wird ihnen nichk zum Wohl grdeiyn,
Denn schon nach rin paar Wochen
Schickt man sie spöttisch wieder heim,
Nachdem sie glücklich aus den Feim
Der Reaktion gekrochen.

Sicherer.

Wegen angeblicher Gotteslästerung wurde
ein Redner in einem Orte bei Berlin zn zwei
Monaten Gefängnis verurteilt.

Als das der Pfarrer des Ortes hörte, soll
er zu seinem benachbarten Amtsbruder gesagt
haben: „Wäre es nicht richtiger, klüger und
edler, die Lästerer der Rache des Herrn zu
überlassen, anstatt den Staatsanwalt zu Hilfe
zu rufen?" „Richtiger schon!" sagte der andere
darauf. „Aber, lieber Amtsbruder, — der
Staatsanwalt ist sicherer!"

Aus dem Tagebuche eines
Staatserhaltenden.

14.Dezember. Erhielt morgens Nachricht
von erfolgter Reichstagsauflösung. Versam-
melte in Mittagspause sämtliche Arbeiter auf
Gutshof, erklärte ihnen eminente Bedeutung
des patriotischen Ereignisses und versprach,
falls bei Wahl nur konservative Stimmen in
Gutsbezirk abgegeben werden, jedem Wahl-
berechtigten zehn Mark zu schenken. Hatte das-
selbe Versprechen bereits bei letzter Wahl ge-
geben und glänzendes Resultat erzielt, ohne
überflüssige Ausgabe leisten zu müssen, da
einzigen sozialdemokratischen Zettel vorsichts-
halber selber in Urne warf. Vorzügliche Taktik.
Werde es diesmal ebenso machen.

20. Dezember. Kameradschaftliches Bei-
sammensein in Offizierkasino von Kreisstadt.
Bezirkskommandeur ermahnte die Herren Re-
serve- und Landwehroffiziere zu tatkräftigem
Eingreifen für Thron und Vaterland. Groß-
artige Sauferei. Nachher in Krieger- und kon-
servativen Wahlverein, wo geheime Anleitung
zu Konstruktion von neuen, überaus praktischen
Kontroll-Wahlurnen erhielten. Die bei letzter
Wahl benutzten haben sich nicht bewährt: ver-
ehrter alter Superintendent kam in dringenden
Verdacht, rot gewählt zu haben, da Reihen-
folge der Zettel in Unordnung geraten war.

1. Januar. Auf Befehl von Landrat meldete
sich morgens Gendarm und ersuchte um Unter-
stützung auf Agitationstour. Gab ihm vier

kräftige Lümmel mit, die mit starken Knüppeln
bewaffnet hatte. Abends Streckenrapport:
Drei rote Flugblätter- und Zettelverteiler total
kanipfunfähig gemacht. Liegen mit gebrochenen
Knochen in Kreiskrankenhaus, wo Schwester
Agathe Bekehrungversuche anstellt und zu-
verlässiger Doktor mit scharfer Einreibung
und zweckentsprechender Massage energisch
nachhilft.

15. Januar. Umfangreiche Aufklärungs-
arbeit im Dienste der guten Sache: sechs
Tonnen Bier und zehn Hektoliter Schnaps
auf Kosten von konservativen Wahlverein an
Bauern verteilt. Große allgemeine Begeiste-
rung für Thron, Altar und Vaterland. Fell-
jude Levysohn, der zufällig in Dorftrug an-
wesend, durchgreifend verhauen und für Nacht
in Schweinestall gesperrt. Dann Huldigungs-
adresse an Dernburg abgeschickt. Abends er-
hielt schmeichelhaftes Anerkennungsschreiben
von Landrat wegen Verprügelung der sozial-
demokratischen Wühler. Läßt durchblicken, daß
für Kronenorden einpfohlen bin.

25. Januar. Morgens zehn Uhr: Guts-'
arbeiter nochmals energisch ermahnt, kurze An-
dacht abgehalten und dabei an Versprechen
von zehn Mark erinnert. Dann mit Bande
„Heil dir im Siegerkranz" gesungen und Kerls
in Trupps zu fünf durch Inspektor zu Wahl-
urne führen lassen. Sieg garantiert!

Abends acht Uhr: Himmelkreuzbomben-
granatendonnerwetter! In ganzen Gutsbezirk
ohne Ausnahme nur sozialdemokratische Stim-
men abgegeben! Ganzes Gesindel hat rot ge-
wählt und ich auch! Unbeschreiblich grenzen-
los scheußlich blamable Situation! Der Satan
hole die gottverdammte Reichstagsauflösung!

26. Januar. Geharnischtes Schreckes von
Landrat: sieht sich zu seinem Bedauern ge-
nötigt, Verkehr mit mir abzubrechen. Tele-
gramm von Oberst aus Kreisstadt: kündigt
sämtliche Lieferungen für Regiment. Mit-
teilung von Bezirkskommando: Vorladung vor
Ehrengericht. Brief von sozialdemokratischen
Agitationskomitee: danktsür erfolgreiche Unter-
stützung und lädt zum Eintritt in Wahlverein
ein.

Ich hänge mich aus! I. S.

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„Mutter, bet sage ick dir: Schmeißt mir noch ecnmal jemand vor, dct ick 'n Schwarzseher bin •
den wer' ick aber die Flötentöne bcibringen!"
 
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