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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0058
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- . 5343

Das schnelle Wachstum der Dattelbäume in Südwestafrika ist durch ein
Ereignis neuesten Datums übertroffen wqrden. Als Dernburg jüngst aus
"Ersehen einen Kirschkern verschluckte, stand am nächste» Morgen bereits das
lchonstc Bäumchen in Blüte.

Rus der Zeit der wunder.

(53 ftobelfpäne.

Nuit, Michel, wirst bu weiter sehn,
Wie dir die Wahl mag frommen.

Du hast dich wieder nial als Kalb,
Das Metzger wählt, benommen.

Wenn jetzo du von Teurung sprichst,
Erklären sie's als Phrase
Und halten dir von Bratenduft
Auf immer frei die Nase.

Als Sonntagsbraten kannst du dir
Den grünen Hering wählen,

Sei froh, das; sie nicht Heit dazu
Dir als Gemiis' empfehlen.

Die goldlockige Jungfrau Germania klagt, nachdem der erste
Siegesrausch über die Reichstagswahlen verflogen ist, über einen
starken Druck im Magen. Es liegt nämlich ein sozialdemokratischer
Drei-Millionen-Block darin.

In dieser Wahlen Kampfgetümmel Sie wühlen in 'nein Sumpfe doch,
Hat maii verleumdet iind geschmäht, Der niemals Leben wollte zeigen,
Das Wort im Munde uns verdreht, Und rühren drin. Wen wunderts noch,
Gelogen, daß es stank znm Himmel. Daß aus dem Morast Düfte steigen?

Das Germanische Museum zu Nürnberg wird seine Sammlungen
um einen seltenen Gegenstand bereichern. Es soll dort das große
Bockshorn aufgehängt werden, in welches bei den Reichstagswahlen
der Freisinn mit dem roten Gespenst gejagt ivorden ist.

Vor der New Porker Börse wird jetzt jeden Mittwoch für die
Geschäftsleute ein Gottesdie>.,st abgehalten. Die erste Predigt be-
handelte das Bibelwort: „Geben ist seliger denn nehmen. . ."

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die IttauliDürfe.

Die Maulwürfe sind sehr empört:

Atan hat sie drunten aufgestört.

Sk blinzeln mit scheuen Aeugelein
2ns Helle Sonnenlicht hinein.

Was ihr Geheimnis war so lang,

Der dunkelste und geheimste Gang,

Der ganze schmutzige, winklige Bau —
^an fleht es alles jetzt genau.

Wie sie gewühlt voll böser List
?Wt schmutzigen Pfoten zu jeder Zrist,

Wo blühender Saaten Wurzel war —

Das ward nun alles offenbar.

grollen und pfauchen. Wir lächeln nur:
Das ist der Maulwürfe Natur,

Daß sie sich scheuen vor Hellem Lichte!

Das steht schon in jeder Naturgeschichte....

, p> L.

Liberale Fabel.

Im bunten Husarenröckchen tanzte ein mun-
erer Affe grimassenschneidend Polka, und sein
possierliches Wesen ergötzte groß und klein,
ln?” ®ülon) dazu auf der Drehorgel das
Ia)vne Lied „Nach Afrika, nach Kamerun, nach
^gra Pequenna!" spielte.

^-ann, als der Kunstgenuß zu Ende war,
mug s ans Berappen. Flink und gewandt
leß das intelligente Tierchen die Regenröhre
mpor, bettelte und stahl, was es kriegen
' Un^ ^olz erfüllte seine Brust,
di Syabe, als es sich leichten Fußes über
>e Dachrinne schwingen wollte, einer sonnigen
«rrecheit entgegen — da riß sein Herr kräftig
n ^ ®triWe und mahnte es zur Umkehr,
Und gehorsam kletterte es wieder herunter,
userte seine Beute ab, wurde zum Dank
vmdelweich gehauen und quiekte vor Ent-
zücken. Denn es fühlte sich unentbehrlich.

Glossen.

Dernburg verglich in Darmstadt die „Redens-
art von der afrikanischen Sandwüste" mit der
früheren Redensart von des heiligen römischen
Reichs Streusandbüchse, auf der jetzt fünf Mil-
lionen Brandenburger leben.

Daraufhin ist ihm die durch den Tod des
bisherigen Inhabers vakant gewordene Stelle
des „Kaisers der Sahara" angeboten worden.

Während des starken Schneefalls verbreitete
ein Baptist in Berlin ein Flugblatt, in dem
prophezeit wurde, daß das sündige Berlin
jetzt in Schnee erstickt würde.

Natürlich waren damit nur die fünf sozial-
demokratisch vertretenen Berliner Kreise ge-
meint; der erste, in dem das Schloß, die.Börse,
der Dom und andere fromme Gebäude stehen,
war absolut nicht gefährdet.

Lieber Jacob!

De scheenste Zeit von't Jahr is nn vorieber
un se hat wieder mal unsere kiehnsten Er-
wartungen iebertroffen. Wenn ooch andere
Städte uff ihrem Karneval stolz sind: wir
Berliner brauchen so wat nich, wir haben da-
for dem Ajrarjerfeez in'n Zirkus Busch, wo
Jahr for Jahr jratis de feinsten Witze jerissen
werden un die Edelsten von de Nazjon als
„Aujust" ufftreten. Det soll uns mal eener
nachmachen! Mein Freind Edeward jeht ja
lieber in't Herrnfeldtheater, aber derBouillon-
kopp versteht eben nischt von de Kunst un be-
sitzt keen Orjan nich for dem heheren Bleed-
sinn. For meinen verweehnteren Jeschmack
aber is der landwirtschaftliche Zirkusfeez immer
det jreeßte Amiesemang von't janze Jahr un
ick habe mir ooch diesmal famos unterhalten.
Allerdings fand ick ja Wangenheim'n schon 'n
bisken tranig for seine Jahre, un Diederich

Hahn kräht lange nich mehr so jroßkootzig uff
den ajrarischen Misthaufen wie frieher. Ick
jloobe, det kommt daher, weil die Leite zu ville
Zolltarif-Speck anjesetzt haben. Ihre Natur
hat sich nu inal an dem fortdauernden Not-
stand jeweehnt un bei de jetzije Fettlebe muß
der Jeist leiden. Wat aber Oldenburg-Janu-
schau is, der steht noch janz uff de Heehe, un
seine Mitteilung, det de jefährlichsten Jejner
der Sozjaldemokratie unter de Schweine
zu suchen sind, hat mir besonders anjenehm
beriehrt. Det war nämlich schon immer meine
Meinung jeivesen, un ick habe det bloß aus
anjeborene Heeflichkeit bisher nich jesagt.

Aber ooch abjesehen von dieses wurde in
de Ajrarjerwoche noch mancher Jeistesblitz
an't Tageslicht jefördert. Det preißische Ab-
jeorntenhaus wollte sich von'n Zirkus nich
in Schatten stellen lassen un veranstaltete
an'n Faschingsdienstag 'ne jroße Jala-Bolks-
belustijung uff Kosten der ländlichen Arbeeter.
Als Hauptspaßmacher trat een Kinstler uff,
der uff dem Namen Kreth Heeren tut. Er eißerte
unter andern,: Von 'ne Wohnungsnot bei 't
Landproletarjat kenne jar keene Rede nich sind,
denn sonst wäre.et woll nich meeglich, det
zehn Prozent von de Arbeeterwohnungen leer
stehen! Diese Weisheit hat sojar mir im-
poniert. De Landarbeeter ziehen also deshalb
aus det zauberische Junkerparadies fort, iveil
se sich in ihre natierliche Bescheidenheit sagen:
In sonne luxurieese Wohnungen passen wir
eenfache Leite nich rin; da ziehn wir lieber
in de Jroßstadt, wo wir dutzendiveise in eene
unjeheizte Küche Hausen missen un unser Ge-
schlecht bloß durch eenen Kreidestrich unter-
schieden wird! Wen» det ostelbische Ajrarjer-
tu>» ville solche jeistreiche Krethen besitzt wie
diesem, denn bejlickwinsche ick ihm von Herzen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreie- Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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