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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0093
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5378 —

Der erste Mai.

Die Erde löste sich aus Wintersbanden,

Von starrem Todesschlaf erwacht die Flur;

Der Frühling kam, die Welt ist auferstanden,
Ein neues Leben weht durch die Natur.

Mit lichtem Koffnungsgriin schmückt sich die Äalde,
Mit tausend Blüten das verjiingte Feld,

And Vogelchöre grüßen aus dem Walde
Den Sieger Mai, der seinen Einzug hält.

Das ist der Tag, der in Millionerl Kerzen
Lenzhoffnung pflarrzt und neuen Lebensmnt;
Vergessen sirrd für heute Not und Schmerzen,
Die Sorgen schweigen und die Arbeit ruht.
Blickt hiu: aus Weg und Stegen welch Gedränge!
Aus Kof rurd Werkstatt strömen sie herbei!

Es rüstet sich die frohbewegte Merrge,

Zu feiern heut' den roten Völkermai.

Millionen Kerzen schlagen eng zrrsammerr.

Den Erderrball umschließt ein einzig Band,

Zum Kimmel lodern der Begeist'rrrng Flammen
And wie ein Sturrnwirrd braust es durch das Land.
Zu neuer Fahrt die Anker sind gelichtet.

Der Frühlingswind die hohen Segel schwellt,
Zürn Land der Zukurrst ist der Kiel gerichtet.
Zum Koffnungsstrande einer neuen Welt.

Zwar manchen Sturm noch gilt es zu bestehen
Er schreckt rrns nicht, er hemmt nicht unsern Laus:
So lang' am Mast die roten Wimpel wehen,
Kält keine Macht die kühnen Schiffer aus.

And vorwärts, rastlos vorwärts stets zu steuern.
Das Ziel im Auge und uns selber treu
Das ist der Schwur, den heute wir erneuern
Am Völkerfrühlingsfest des ersten Mai! I.s.

vlitzürstzlnachriOlen.

Berlin. Ls besteht die Absicht, das Kultusministerium
mit dem Polizeipräsidium von Berlin zu vereinigen.

— Die maßgebenden Stellen haben ernste Bedenken-
ob die deutsche Reichsverfassung nicht überhaupt gegen
das preußische Vereinsgesetz verstößt.

Flensburg. Leutnant a. D. Pauli, der p/2 Jahre
sitzen muß, weil er einem Mechaniker ohne Grund das
Auge ausschlug, gab für diese Zeit sein empfindliches
Lhrgefühl dem Bezirkskommando zum Ausbewahren.

Llbing. Schichau baut einen Panzerkreuzer, wie
noch keiner dagewesen ist. Beim Stapellauf will man
ihm daher statt der üblichen Flasche ein volles Faß Sekt
an den Bug werfen. Ls besteht dafür nur eine Schwierig-
keit, nämlich eine Prinzessin zu finden, die das fertig kriegt.

wer imrü’s werllen>

Bernhard ging zu Freund Tittoni
In das Land der Maccaroni,

Seine Nerven dort zu pflegen
Und auch der Verdauung wegen.

Aber in Berlin die Treuen
Tuscheln schon von einem neuen
Herrn, der bald nun kommen werde,
Weil doch Bernhard die Beschwerde
Und die Mühe und die Plage
Seines Amts nicht länger trage.

Ja, die Treuer) flüstern leise
Nach der Diplomaten Weise
Sich die Namen in die Dhren
Derer, die vielleicht erkoren,
„posadowsky? — Ausgeschlossen!
viel zu ernst und zu verdrossen.

Ist ein lederner Geselle,

Horror allerhöchster Stelle."

„Hafenzar Ballin? — Könnt' gehen. . . .
Doch der Hof wird opponieren,

Kann den Schwul nicht tolerieren." —
„Dernburg aber? — Gleiche Ghofe!
Unausstehlich seine Pose,

Daumen in der Weste. Spasstg!

Doch für Hof etwas zu rassig!" —

Also flüstern nun die Schranzen
Und erwägen alle Chancen,

Wie S. M. bei Laune grade,

Wenn er sich zum Frühstück lade,

Sofia. Seit dem Attentat auf petkow ist das Gesicht
gürft Ferdinands so lang geworden, daß seine welt-
berühmte lange Rase in demselben gar nicht mehr auffällt.

Jassp. Graf püekler aus Alein-Tschirne ist hier ein-
getroffeu, um sich an den rumänischen Bauernunruhen
zu beteiligen. Das deutsche Gefängnis, das ihn beur-
laubt hat, wäre tieftraurig, wenn er dabei erschossen
würde.

Petersburg. Dem Architekten, der das Taurische
Palais umgebaut hat, wird ein Staatsprozeß aufgehängt
werden, weil die Decke des Dumasaales sechs Stunden
zu früh eingestürzt ist.

windhoek. Gestern bettelte ein spindeldürres, halb-
verhungertes Individuum vor der Tür des kaiserlichen
Gouvernements. Ls trug auf dem Buckel zwei Aas-

Und so weiter, und so weiter
Geht's die ganze Stufenleiter.

Doch sie sind in diesem Falle
Aus dem Holzweg alle, alle!

Muß der glatte Bernhard gehen,
Werden wir als Lrben sehen
Keinen von den vorgenannten,

Sondern jenen unbekannten
Landrat mit der Wünschelrute,

Der zurzeit mit frohem Mute
Wasser sucht im Wüstensande
Zern im Afrikanerlande.

Herr v. Uslar wird zum Frommen
Unsres Neichs als Kanzler kommen.

In der Wünschelrute Zeichen
Werden endlich wir's erreichen! sec»»d»s.

Hamborg bei St.Pauli,
Ostern 1907.
Werte Redakschon!

Was Jnternatscho-
nalität ist, das könnte
die geehrte Redakschon
jetzt im Hamborger
Hafen sehen, natürelle-
mang mit der nötigen
Kurasche und Schläue.
Die Hnternatschonali-
tät ist nämlich groß-
artig, aber. gefährlich
für die, wo sich hineinwagen nrüffen, indem
auf die Schiffe ineistens Engelsche sind und

geierflügel und in der Hand einen Aaktus. Ls war der
südwesiafrikanische Friede. . . .

wir haben einen guten Freund im Weltraum, der
zwar fürchterlich viel zu tun hat, aber für uns stets zu
sprechen ist, weil wir ihm schon manchen fetten Braten
verschafft haben. Bei dem haben wir drahtlos ange-
fragt, weshalb der Aomet ausgeblieben sei, der gegen
Lude März mit der Lrde zusammenstoßen sollte. Dar-
auf ging folgende, nicht sehr schön riechende Depesche bei
uns ein:

„Verrückter Professor hatte recht. Genauere Berech-
nung ergab jedoch, daß Aomet am 23. mittags in
Berlin Kultusminister Studt auf den Kopf fallen würde."

„wäre das denn schade gewesen?" funkten wir zurück.

„Ja . . . schade um den Aometen!!"

ein paar Rumänen und Slowacken, wo sonst
mit Mausifalli, Rattifalli handeln und so;
aber jetzt haben sie alle Messer und die En-
gelschen schreien: „J’llcut your heart out!“
insbesondere, weil die polnischen Weiber, wo
an Bord von die Logierschiffe sind zum Streik-
brechen und was sonst verlangt wird, doch
nicht mit alle die Tausende Engelsche und die
Rumänen und die Slowacken freundlich tun
können zu gleicher Zeit und somit immer
große Eifersucht ist, und muß dann die Hafen-
runde mit die gelben Knüppels aus Buchen-
holz dreinschlagen, was eine allgemeine ver-
ständliche Ausdrucksweise von der interna-
tschonalen Polizeisprache ist.

Wenn der Zar von Rußland seine schwar-
zen Banden hat und die bei Zeit und Ge-
legenheit auf seine Untertanen losläßt, woso
sollte Ballin, der Zar vom Hamborger Hafen,
nicht auch seine schwarzen Banden haben, wo
aber keine Muschiks sind, sondern trug Bri-
tishers, aber mit die gleiche Vorliebe für
geistige Genüsse und für das Plündern, was
man dann Pogrom nennt und wovor sich die
Hamborger in diesen Ostertagen sehr fürch-
teten und auch die Altonaer, die eine große
Polizeiwache eingerichtet hatten am Elbstrand
um die reichen Villas an der Elbchaussee zu
beschützen, wenn die Engelschen dort Oster-
eier suchen wollten. Und die Hamborger
harten die Signalbatterie auf dem Stintfang
scharf geladen mit Schrapnells und Kartät-
schen und hatten sie auf die Logierschiffe ge-
 
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