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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0105
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5390

Völkermai.

Durch die Lüste braust'? und die Erde singt'?,
Über Land und Meer in die weite Klingt'?,

Da? Lied vom Völkermai.

Und e? wogt und rauscht und erfüllt die Welt,
wie der Irühling?sturm, der da? Morsche füllt.

wo der 2lrbeit Volk au? der harten Aron
Nach der Freiheit strebt, schallt im Donnerton
Da? Lied vom Völkermai.
wie der Uampfruf dröhnt zu der Waffen Ulang,
wie Gewittergrollen, so schwillt der Sang.

Nein Gebet der Not, nicht der Demut Nehnl
Eine kühne weise wie Sturme?wehn:

Da? Lied vom Völkermai.

Eure Netten brecht! Au? der Sklaverei,

Au? der Schmach der Nnechtung macht selbst euch frei!

Ein gewaltig Heer, aller Völker Bund,

Und ein einzig Lied auf dem Erdenrund,

Da? Lied vom Völkermai.

Denn die Arbeit eint und die gleiche Not
Und die eine Jahne, die Jahne rot.

weder Herr noch Unecht! Neine Fesseln mehr!
Alle Freie, Gleiche von Meer zu Meer!

Da? Lied vom Völkermai,

Unser Uampflied schallt und die Fahne wallt
Auf der Bahn voran ohne Rast und Halt!

Secundus.

Mmklage.

Lacht der Frühling in die Welten,

Hebt die Zeit des Ärgers an
Für den braven, gutgeftellten
Und -gesinnten Bürgersmann.

Vogelfang und Blumensprießen!

Wie vergnügt und sorgenfrei
Könnt' man alles das genießen -
Gab' es keinen ersten Mai!

Dieser gottverdammte Lrste
Träufelt Wermut in die Lust
Und belastet durch die schwerste
Sorge jede Biederbrust.

Ach, es ist der rote Wüter,

Der an diesem schönen Tag
Unsrer (Ordnung heil'ge Güter
Übergießt mit Hohn und Schmach!

Denn dem Bürger, dem soliden,
leidet Rente er und Zins —

Freiheit, Gleichheit, Völkerfrieden
Heischt er niederträcht'gen Sinns!

Alles, was uns wert und heilig,
Schmäht der rote Bösewicht
Und es ist ihm polizeilich
Leider beizukommen nicht.

Kolonien, Zustiz und Flotte,

Thron, Armee und Kapital,

Alles zieht die rote Rotte
vor ihr Maientribunal! —

Rein, so dars's nicht weiter gehen!
voll ist unsres Unmuts Faß!

Irgend etwas muß geschehen —

Und, wohlan, ich weiß auch, was!

Auf, ihr Bürger aller Reiche!

Rüstet euch zu stolzer Tat,

Wappnet euch zum kühnen Streiche,
Auf, und folget meinem Rat!
Drdnungsstützen aller Länder,

Hört mein brünstig Kampfgeschrei:
Streicht ihn aus aus dem Kalender,
Streicht ihn aus, den ersten Mai! 3. s.

VUtzüraylnachrlOtm.

Berlin. Wilhelm II. verlangte auf der Skizze zum
Bilde des patriotischen Rrawalls am 25. Ianuar „mehr
Volk". Professor §rana Skarbina wird deshalb Maifeier-
studien machen, um „mehr Volk" zeichnen zu können.

— Husionsgerüchte! Der „Reichsverband" mit dem langen
Ramen und den kurzen Beinen plant, sich mit dem „ver-
band wahrhaft russischer Leute" zu verschmelzen und noch
ganz andere Saiten aufzuziehen.

Posen. Gestern gab's bei einer Festlichkeit des Vst-
markenvereins eine peinliche Szene, als der Kapellmeister
im Potpourri die Melodien „Ich bin ein Preuße . .."
und „Du bist verrückt, mein Rind!" unmittelbar auf-
einander folgen ließ.

Breslau. Oberlehrer vr. Sigurd Ziegenbalg hat
bei der königlichen Regierung beantragt, seinen Geburts-
tag vom ü auf den 2. Mai verlegen zu dürfen, weil der
1. ein zu anrüchiger Tag sei.

Budapest. Der Magistrat verbot das Schleppentragen,
weil hier schon genug andere Sachen Staub aufwirbeln.

Paris. Iules Huret, der im „Figaro" eine Skizze über
den „schüchternen Raiser" geschrieben hat, will jetzt auch
den „mutigen Zaren", den „fleißigenSultan", den „keuschen
Leopold" und den „dummen Lduard" unter die Lupe
nehmen.

Ramerun. Lchreckenskunde aus dem Urwald! Der
Stationschef von Mbundu, Leutnant Graf Buddelkock,
wurde spazierengehenderweise von einem weiblichenGorilla
entführt. Line Lxpedition forscht krampfhaft nach dem
verbleib des unfreiwilligen Bräutigams.

Der 8chrei.

Ternber von der Moldau, der Walachei
Drang durch die Laude ein wilder Schrei.

So lange war’s dort still und stumm.

Dun ging der Seist der Rache um:

Der Bauer stand auf!

Der Schrei stört jäh das höfische Test
Tm Königsschlosse zu Bukarest.

Das Dichten vergisst man, das Tlirten und Lanzen,
Der König erblasst. £s zittern die Schranzen:

Der Bauer stand auf...

Der Hunger ist sein Weggesell.

Dun hütet euch und eilet schnell!

6s flackert und lodert der Rache Brand
Über das weite rumänische Land:

Der Bauer stand auf.

Bald kamen die Schergen mit Pulver und Blei.
Siemorden viel tausend, doch nimmer—den Schrei!
Der klingt nun weiter und mahnt und grollt,

So lange die Donau die Wellen rollt:

Der Bauer stand auf...

Maigedanken.

Der Völkerfriede ist die kostspieligste Lüge
dieses Jahrhunderts.

So manche bürgerliche Republik trägt die
Freiheitsmütze nur, um damit ihren Zopf zu
verdecken. »

Der Einzelne kennt seine Kraft; die Massen
fühlen sie. Aber auch für sie kommt die Zeit,
wo sie sie kennen werden.

Warum hassen die Gegenwartsstaaten den
Weltfeiertag der Arbeit? Weil kein Hausherr
es gern sieht, wenn seine Köchin mal spazieren
geht! —^

p. e.
 
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