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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0106
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5591

Der ßeguin der liberalen Ära.

Preußen in Deutschland voran!

63 ftobelfpäne. es

Die Naumänner schreien gar überlaut:
Wir fordern jetzt ganz kategorisch
Ein parlamentarisches Regiment,

Denn der Moment ist historisch.

Sie haben gewiß der Größen genug,

Die Welt damit zu ergötzen,

Sie könnten auch den Regierungstisch
Ganz ausgezeichnet besetzen.

Doch leider kümmert man oben sich nicht
Um all ihr Kollern und Prusten;

Die Weltgeschichte wird wiederum
Herrn Naumann wohl — etwas husten.

Die Universität Tientsin, die führende Hochschule Nordchinas,
schafft jetzt das deutsche Sprachstudium ab. Als Fürst Bülow von
diesem neuen Erfolg seiner Politik las, sagte er: „Ist ihnen ganz
recht, den gelben Hunden: jetzt können sie nicht mehr meine Reichs-
tagsreden lesen!" , ■ *

Um den allteutschen Jüngling
Patriotisch zu weihn,

Läßt ihn gucken ins Damenbad
Der Flottenverein.

Und im Kasten der Nickel
Klingt fröhlich darein —

„Non ölet!“ sagt freudig
Der Flottenverein.

Die japanische sozialistische Partei wurde vom Minister des Innern
als „gefährlich für die Erhaltung des Friedens im Lande" aufgelöst.
Erst jetzt werden die deutschen Staatsmänner anerkennen, daß Japan
auf der vollen Höhe europäischer Kultur angelangt ist.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Eine Visitenkarte.

Kriminalschutzmann Nr. 5250 Paul Dietrich,
Berlin, Kochhannstraße 15, alias Hausdiener Ernst
Philipp, Drcsdenerstraße 38, Mitglied des sozial-
em okratischen Wahlvereins erst im V., dann im
Hk. Berliner Reichstagswahlkreis und des Handels-,
Transport- und Verkehrsarbeiterverbandes (Haupt-
mimmer 34058, Berliner Nummer 12 858).

Der oben signalisierte „Gentleman" überreicht
hiermit der breiten Öffentlichkeit seine von den
Berliner Parteigenossen gratis und franko auf-
llenommene Photographie und bittet alle Inter-
essenten, ihn in guter Erinnerung zu behalten.

pobjeäonosöew.

Gs atmet auf die Welt an seinem Grab:

6s löschte dieses Cages Morgenrot

ein Schandmal von der Menschheit Stirne ab.

Pobjedonoszew ist tot...

Cin Windzug fährt von Russlands Gauen her,
Dass heller heut der Jreibeif Jäckel lobt,

Und jede Welle kündet es im Meer:
Pobjedonoszew ist tot...

Im Jrübling ward der zähe Geist besiegt,

Im Uölkerfrübling, den er nie begriff,

Der letzte Ballast glitt ins Meer.

Dun fliegt dabin der Jreibeit Wimpelschiff.

Lieber Jacob!

Ick weeß nich, wat de Leite bloß immer
an det preißische Abjeorntenhaus 'rumnerjeln!
Ick muß jestehen, det ick de Berichte ieber de
Verhandlungen von 'n Landtag immer mit
ville Verjniejen lese un daraus 'n sehr lehr-
reiches Bild von die in de heheren Birjer-
un Adelskreise jrassierende Jntellijenz jewinnen
tue. So hat dort in diese Tage der Abjeornte
Beniner die Usssehen errejende Entdeckung je-
macht, det bei uns zu Lande und zu Wasser
ville zu ivenig jeredet wird! Dadruff war
natierlich keener nich jefaßt un det janze Parla-
ment lag platt uff'n Bauch! Aber denn sam-
melte et seine janze Zurechnungsfähigkeit un
beratschlagte, uff welche Weise diesen schmerz-
lichen Übelstand eejentlich abjeholsen werden
könnte. Uff de Uneversitäten — det war det
Erjebnis von de Beratung — muß de Rede-
kunst mehr jeflegt werden. Det de deitschen
Studenten in't Saufen von keene andere Nazjon
nich iebertroffen werden, det wurde alljemein

mit Befriedijung anerkannt. Wenn se aber
mal de Flabbe aus 'n Biertopp erheben un
'ne Lippe riskieren wollten, denn wäre et
Essig! Zu 'n Kaiserhoch langte et jrade noch,
aber wenn et zum Beispiel druff ankäme, de
Sozjaldemokratie dot zu reden, denn erwiese
sich de janze akademische Bildung als be-
lämmert. Det soll nu allens janz anders
werden, un det Abjeorntenhaus un detKultus-
ministerjum werden dafor sorgen, det de
deitsche Arbeeterschaft von de Studenten end-
lich de richtije Weisheit injetrichtert werdeir
wird.

Ick muß jestehen, det ick diesem patriotischen
Beschluß mit innije Freide bejrießen tue. De
Sozjaldemokratie verdankt jewisse rednerische
Bemiehungen aus de heheren Kreise schon so
ville und jroße Erfolje, det se man bloß
winschen kann, der Betrieb mechte uff dieses
Jebiet soweit wie irjend meeglich ausjedehnt
werden.

Aber ooch sonst sind unsere staatserhalten-
den Elemente noch immer feste dabei, mit'»
Umsturz jrindlich un een for alle Mal uff-
zureimen. In Lübeck wird jetzt bei de Früh-
jahrskontrollversammlungen 'n Schriftstick ver-
lesen, worin de Mannschaften enthillt wird,
det et „mit de Ehre von'n Reservisten nich
vereinbar is, de sozialdemokratische Bewejung
anzujeheeren". Da nu diese Art von Ehr-
losigkeit unter de Reservisten 'n sehr jroßen
Umfang anjeuommen haben soll, so befindet
sich det deitsche Kriegsheer offenbar leider in'n
eißerst poplijen Zustand. Wenn also de Mille-
tärbeheerde ernsthaft uff Ehre hält, denn ivird
se woll nischt anders nich iebrig bleiben, als
alle sozialdemokratischen Reservisten schleunigst
aus de Armee zu entlassen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Nauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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