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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0116
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5402

•—s Konservatives Klagelied. 5—

Es ist doch eine Schmach und Schande,
Im einzelnen wie überhaupt.

Was diese rote Schwefelbande
Im deutschen Reichstag sich erlaubt!

Wir machten stets noch den Soldaten
Mit feierlichem Nachdruck klar.

Daß Bebel solch ein Teufelsbraten
And Singer noch was Ärg'res war.

Jetzt aber haben ohne Zaudern
Sie einen Antrag eingebracht.

Der sicher sie — man möchte schaudern!
Zum Abgott der Soldaten macht.

Was sollen wohl die Kerle denken.
Wenn Bebel jetzt ihr Traktament,

Am ihre Gunst auf sich zu lenken.
Vollständig unzureichend nennt?

Nicht eingefuchst auf solche Kniffe,

Verfallen sie der Gier nach Geld;

Es werden sämtliche Begriffe
Bei ihnen auf den Kopf gestellt.

So hüllt sich dann in einen Nebel
Der Noten wahre Absicht ein,.

And der Soldat denkt: „Dieser Bebel
Muß ein scharmantes Männchen sein!"

Auf diese Art erwirbt im Heere
Sich schließlich warme Sympathie
Die scheußlich destruktive Lehre
Der Sozialdemokratie.

Welch Anheil wird daraus entstehn —

Das Reich muß stracks zugrunde gehn!

Ja, gibt's denn gegen solch Gehetz

Gar keinen Schutz im Strafgesetz?? g;.e.

MMrahtnachnOtm.

Berlin. Angesichts der eigenartigen Zeitverhältnisse
soll der Reichsadler zum Pleitegeier umgestaltet werden.

— Die Iustizresorm ist krebs leidend geworden.

Rrotoschin. Der Rohrstock des Volksschullehrers
Zebedäus Zipfelhut von Klein-Rawauke wurde jetzt wegen
Mangel an Stoff pensioniert, nachdem er fünf Iahre lang
den Polenkindern Religionsunterricht in deutscher Sprache
erteilt hatte.

Rom. Bei der Begegnung von Taeta wurde unent-
wegt „der kleine Rohn" gespielt, damit der Rönig von
Italien sich im Tedränge nicht verkrümelte.

Haag. ßür die Friedenskonferenz hat man noch keinen
passenden Sitzungssaal finden können, denn es wird vor-
aussichtlich so gelogen werden, daß sich alle Balken biegen.

Petersburg. Die russische Regierung will die freund-
nachbarliche preußische bitten, ihr das mittelalterliche
Folterwerkzeug aus den Museen leihweise zu überlasten.
Besonders reflektiert sie auf die bekannte „eiserne Jung-
frau" aus dem Arsenal der früheren Burggrafen von
Nürnberg.

Ramerun. Hier brach die Genickstarre aus. Lin
Leutnant mit zu hohem Aragen hat sie eingeschleppt.

Jax (Aarolinen). Lin nichtsnutziger Taifun nahm
die fünf Aokospalmen mit, die Reichtum und Wohlstand
der ganzen Inselgruppe bildeten. Zum Trost für die
bekümmerten Linwohner soll dort jetzt ein kaiserliches
Postamt errichtet werden.

Des Teufels Maigeschenk.

„Klappt's?"

„Sehr wohl, Majestät. Den Kometen haben
wir heute früh um fünf Uhr losgelassen! Er
kollidiert mit dem Planeten Nr. 7304 am 19. Mai
präzis um Mitternacht."

Befriedigt schaute König Luzifer auf das Sy-
stem verwickelter Ellipsen, Kreise und Parabeln,
das sein Hofsterngucker hingemalt hatte. Recht
diabolisch grinsend strich er seinen Knebelbart:

„Ich muß mal ein Exempel statuieren! Die
Bande wird mir zu klug. An den lieben Gott
glauben sie ja schon seit ein paar Millionen
Jahren nicht mehr. Jetzt aber scheinen sie
sogar mich veralbern zu — — was hast du,
Bitru?"

„Erlauben Sie, Majestät!" meinte der nase-
weise Höllenkanzler: „Da tun Sie Nr. 7304
doch wohl ein wenig unrecht! Die sind noch
lange nicht so weit. Und grade weil sie
fromm sind, machen wir mit ihnen ja so gute
Geschäfte. Der Konsistorialrat zum Beispiel
gestern..."

„Nanu??!"

Mit einem Satze war.Satan vorm Haupt-

buch und blätterte aufgeregt. Dann begann
er zu toben:

„Hat dies verfluchte dumme Luder von Pro-
fessor also richtig wieder Erde und Mars
verwechselt!! Nr. 7303 soll doch kaputt gehen,
du Mondkalb, und nicht unsere beste Kund-
schaft! Das kann eine schöne Geschichte werden.
— Mein Auto her!!"

Zehn Minuten später flitzte die infernalische
Majestät wie ein geölter Blitz durch den Welt-
raum, auf wilder Jagd nach dem verhängnis-
vollen Kometen. Aber der hatte acht Stunden
Vorsprung und war nicht mehr zu fassen.
Darum änderte Satan kurz entschlossen seinen
Kurs und hielt direkt auf die Erde zu. Er
konnte so den parabolischen Weg um die Sonne
sparen und traf mindestens zwei Wochen früher
als sein Projektil dort ein. Da ließ sich wohl
noch retten, was zu retten war. . . .

„Ein Herr steht draußen und wünscht Durch-
laucht zu sprechen. Er sei regierender Souverän
und reise inkognito. Er hat keine Visitenkarte
und stinkt wie Pech und Schwefel."

„Wonach sieht er denn aus? Nach 'nein
Hochstapler oder 'nem Weinreisenden?"

„Er scheint wirklich etwas Besseres zu sein.
Vielleicht der Negus von Abessinien. . . ."

„Her mit dem Kerl!"

Fürst Bülow erkannte den selbstbewußt Ein-
tretenden sofort und befleißigte sich ausgezeich-
neter Höflichkeit. Mit dem Teufel ist nicht gut
Kirschen essen.

„Hat es denn solche Eile, Majestät?" fragte
er, krampfhaft-liebenswürdig lächelnd. „Ich
wäre gern noch ein bißchen Kanzler geblieben."

„Das sollen Sie auch, mein lieber Fürst!
Grade aus diesem Grunde komme ich ja zu
Ihnen."

Und dann setzte ihm Satan mit dürren,
kurzen Worten die Sachlage auseinander.
Fürst Bülow wurde blaß:

„Sie haben uns da eine nette Suppe einge-
brockt, Herr Teufel! Das geht doch kaum an, daß
Ihr Professor mir nichts dir nichts die Planeten
verwechselt, als wenn es Regenschirme wären!
Wissen Sie denn gar keinen Ausweg?"

„Nur Ruhe, Verehrtester! Mir liegt selber
genug daran, daß so prächtige Musterstaaten
wie die Ihrigen nicht zugrunde gehen."

„Also . . .?" Der Kanzler trommelte nervös

einen Tischplattenmarsch. Satan fuhr kühl-
sachlich fort:

„Sie lassen morgen durch die Garde das
Tempelhofer Feld absperren. Sie können sagen,
es handle sich um militärische Flugversuche.
Ich werde mein Auto mit der Front gegen
Osten stellen, drei neue Energiezylinder ein-
schrauben, gleich von vornherein ,ganze Kraft'
nehmen und tangential die Erde verlassen. Mein
Motor ist fähig, einen derartigen Wuppdich
zu vollführen, so daß Ihr gefährdeter Globus
im Laufe beschleunigt wird und den kritischen
Punkt seiner Bahn passieren dürfte, bevor der
Komet da sein wird."

Die nächsten Wochen brachten aufregende
Ereignisse wissenschaftlicher Natur.

Auf dem Tempelhofer Felde wurde ein lenk-
bares Luftschiff erprobt. Der Versuch gelang
glänzend — bis auf die bedauerliche Tatsache,
daß man von einem Wiederlanden der Ma-
schine nichts hörte.

Während die Leute sich noch die Köpfe über
dem Schicksal des unglücklichen Erfinders zer-
brachen, läuteten sämtliche Sternwarten Sturm.

Am Himmel war ein Komet erschienen, der
mit rasender Geschwindigkeit näher kam und
zweifellos Anstalten machte, mit der Erde zu-
sammenzustoßen. Die astronomische Rechnung
bestätigte das; als der Weltenvagabund Mitte
Mai zischend und fauchend, aber doch mit an-
ständigeni Zwischenraum vorübersauste, ergab
sich, daß ein kleiner Fehler vorlag.

Man hatte auch bald heraus, was das für
ein Fehler war. Die Zeiten stimmten nicht
mehr. Sämtliche Uhren gingen Tag für Tag
um je vier Stunden nach. In der „Nord-
deutschen Allgemeinen" ließ sich ein Sachver-
ständiger dahin aus: der Komet sei schuld —
er habe die Zeiger magnetisch abgelenkt.

Die Zeiger hatten aber recht und die „Nord-
deutsche Allgemeine" hatte unrecht.

Nur die internationale Uhrmachersippe freute
sich. Pfiffig wie sie ist, grübelte sie nicht lange,
sondern änderte die Räderwerke um, bis sie
wieder 24 mal statt 20 mal am Tage die volle
Stunde wiesen.

Doch das dicke Ende kam nach. Die Erde
drehte sich jetzt schneller und die Stunde war
in Wirklichkeit gegen früher kürzer geworden.
Sie zählte nur noch 50 Minuten von der alten
 
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