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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0128
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5414


Hundertfünfzig Mann verloren!
Hundertfünfzig Leichen wieder
In der Anglücksgrube Reeden;
Wetterschlag warf alle nieder.

Nur die Leichen sind zu bergen;

And die treuen Kameraden
Fahren in die tiefe Grube.

Keuchen durch den gift'gen Schwaden.

Ihre toten Brüder tragen
Mühsam sie die lange Strecke.

Daß sie auf des Dorfes Friedhof
Die geweihte Erde decke.

Schaurig Werk im tiefen Stollen.
Liebeswerk in Nacht und Grauen . . .
Oben weilt ein Prinz, das Anheil,
Die Verheerung will er schauen.

Denn der Preußen Herr und König
Hat ihn eilig hergesendet;

Es ist Brauch, daß der Monarch wohl
So ein Trostwort gnädig spendet.

* * Suum cuique. * -r-

Jur Reichstagsverhandlung vom II. Mai 1907.

Glänzend ist des Prinzen Suite.

Hohe Räte, Adjutanten;

And sie plaudern von dem Anglück:

..Ob die Leichen Wohl verbrannten?"

Aus dem Schacht die Förderschale
Hebt empor die starren Leiber.
Jammernd drängt um sie das Volk sich.
Drängen Kinder sich und Weiber.

And der Prinz ist sehr ergriffen
And ergriffen sind die Räte.

Sagen, hier sei angebracht wohl
Antersuchung und Enquete .. .

Wein und Cognac bringt ein Bergmann.
Daß der hohe Prinz sich stärke.

Anten in der Grube jene
Widmen sich dem Liebeswerke.

And die letzten Toten kommen.

Von den Bergern treu geleitet . . .

Für den Prinzen nebst Gefolge
Ist ein Festmahl schon bereitet.

Orden gibt's und Ehrenzeichen
Auch für schlichte Männer heute;
Wackre Tat ehrt man in Preußen.
Dekoriert verdiente Leute.

Einen Orden trägt der Brave,

Der des Prinzen Pferd bewachte.
Einen Orden trägt der andre.

Der dem Prinzen Cognac brachte.

Doch der Bergmann, der die Leichen
Seiner armen Kameraden
Aus den gift'gen Schwaden holte.
War zum Feste nicht geladen.

Zweiundvierzig Leichen trug er.
Seiner Brüder starre Leichen.

Daß der Lieben Hand sie schmücke
Mit dem letzten Liebeszeichen ...

Er ward nicht zum Fest geladen.
Seine Brust ziert nie ein Orden;
Doch er ist aus Lohn und Arbeit
Von den Herrn entlaffen worden.

Denn er ist ein Man», und treulich
Steht er zu dem Arbeitsbunde.
„Hetzer" nennen ihn die Herren
And sie richten ihn zugrunde.

„Jedem sei das Seine!" Preußens
Alter Wahlspruch bleibt bestehen;
Dem Lakaien wie dem Helden
Ist nach Preußenrecht geschehen!

Secimdus.

Mitzürahmachrlchlen.

Posen. Der bekannte alldeutsche Jurist Professor
Pr. Pinkepank hat festgestellt, daß die Schlange im Para-'
diese, als sie die Lva zum Ungehorsam gegen die Gesetze
ausreizte, von einem polnischen Geistlichen daraus dressiert
gewesen ist.

Straßburg. Der Uanalarbeiter Joseph Nuckel hing
sich auf, weil auch er nicht mit zur kaiserlichen tzoftafel
geladen war.

Haag. Aus Wunsch Uönig Eduards wird die Friedens-
konferenz einen dreitägigen Abstecher nach Portsmouth
machen, um sich den Stapellauf des neuesten englischen
Panzerkreuzers anzusehen.

Monaco. Der Pächter der Spielbank von Monte Larlo,
Herr Ldmond Blanc, hat dem Fürsten Albert die Lrlaub-
nis erteilt, den ihm verliehenen preußischen hohen Vrden
vom schwarzen Adler anzulegen.

Petersburg. Die „Radelten" üben jetzt täglich einen
von Nikolaus komponierten „Dumawalzer", damit sie
besser nach der Pfeife Stolypins tanzen können.

Allahabad (Ostindien). Gestern gab's hier eine wüste -
Ueilerei zwischen Mohammedanern und Hindus.Als sie vor-
bei war und man die verwundeten aussammelte, bemerkte
man, daß es sonderbarerweise lauter Engländer waren.

Kamerun. Lin Telegramm aus Berlin: „Urteil Dis-
ziplinarhof puttkamer J000" — gelangte durch Anfall in
die Hände von Lingebornen, die sich aus Freude besoffen.
Sie glaubten nämlich, er hätte nach heimatlichem Muster
tausend Stockhiebe gekriegt.

Die österreichischen Reichsratswahlen.

Ls ist dort ausgegangen
Lin Tag, dem keiner gleich.

- Ls strahlt „in jungen Zlammen
Das alte Österreich,

Ls lag auf ihm ein Rebel
So düster und so kalt,

Drin huschte hin und wieder
Manch dunkle Spukgestalt,

Die nächtigen Gespenster,

Sie schwinden immer mehr,

Seit siegreich dort im Anzug
Das Proletarierheer,

Mit ihm zieht ein allmächtig
Der neue Geist der Zeit,

Der diese Welt verjünget

Und damit sie befreit, A, T,

Das Leine-Denkmal.

Ein Sang aus dem Jenseits,

In mancher stillen Sommernacht
Ist meine Sehnsucht geflogen
Weit über Korfus Palmenwald
Und die ägäischen Wogen.

Es sah mein müdes, gebrochenes Aug'

Die deutschen Türme rage»;

Es hörte mein müdes Dichterherz
Die Nachtigallen schlagen.

Und manchmal ivar's, als konnte ich
Dort meinen Liedern lauschen;

Sie klangen so süß und feierlich
Ins deutsche Lindenrauschen.

Nun kam die neue Kunde her
Bei weicher Winde Wehen:

Es solle mein Denkmal endlich doch
Auf deutschem Boden stehen!

Der Abgrund, der von „oben" mich schied.
Sei ganz und gar verkleistert.

Das deutsche „gebildete" Bürgertum
Sei drüber hoch begeistert.

Es ziert sie die deutsche Bescheidenheit.

Sie können viel vertragen.

Die deutsche» Bürger. So waren sie
Auch schon in meinen Tagen.. ..

Sie schimpften auf mich so manch Jahrzehnt.
Sie schimpfte» treu und bieder;

Und war einmal ihr Äerz gerührt,

Dann sangen sie — meine Lieder.

Doch aus dem alten und morschen Stamm
Ei» grünendes Reis ersprießet:

Das ist das Volk, das ringende Volk,

Das jubelnd mich begrüßet.

Solange in heißen Kerzen lebt
Mein Kämpfen und mein Dichten,

Will gerne auf ein Denkmal ich

Aus kaltem Stein verzichten!! -p, E,

Glossen.

In der „Kölnischen Zeitung" schrieb ein
Diplomat: „Es gibt zweifellos Lage», die an-
genehmer und vorteilhafter sind als die, in
der sich Deutschland gegenwärtig befindet."

Es gibt aber zweifellos auch Diplomaten,
die geschickter und für ihr Land vorteilhafter
sind als die, über die Deutschland gegen-
wärtig verfügt, , ,

Beim 33,Infanterie-Regiment in Gumbinnen
wurde ein Soldat bestraft, der ein Paket Würste
erhielt, die in sozialdemokratische Zeitungen
eingewickelt waren.

Das Kriegsgericht ging jedenfalls von der
sehr richtigen Ansicht aus, daß sozialdemo-
kratische Zeitungen keine — Wurstblätter sind.
Wozu druckt man denn in Deutschland Kreis-
iind Amtsblätter?!

Der Schmied Zilian in Berlin erhielt eine
Woche Gefängnis, weil er zu einem Streik-
brecher gesagt hatte: „Schämst du dich nicht?"

Ein Rechenexempel für Juristen: wie viel
Wochen Gefängnis bekommt man, ivenn man
einem Streikbrecher nicht mehr zutraut, daß
er sich schämt? Und wie viel, wenn man obiges
Urteil richtig charakterisiert??

Parlamentarische Doktorfragen.

Warum wiehert die Blockmehrheit bei jeder
unpassenden Gelegenheit?

Sie soll ja die Sozialdemokratie nieder-
reiten! .

Warum benimmt sich der Vizepräsident
Kämpf so stramm-militärisch?

Weil er drei Tage lang „a. D." geivesen ist.

Warum fuchtelt der Abgeordnete Müller-
Meiningen so viel mit der Hand durch die Luft?

Damit man vom Liberalismus nicht bloß
Worte hört, sondern auch Taten sieht!
 
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