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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0129
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5415

cjs Der 6efpenfterfej) er. eT>

Heiliger Bismarck, hilf, ich bin eingekreist!

M Novelwäne. kT

Und wer mit der „Cousine" reist
Nach Kamerun fürbaß,

Seh', meint er auch von Adel ist,

Doch auf 'neu richtigen Paß.

Wenn's auch die Polizei nicht sieht —
Man kommt nicht glatt nach Haus!
Denn wenn's „Cousinchen" böse wird,
Dann plaudert's alles aus.

In Saint-Quentin ließ man am l. Mai
die Glocken läuten. So etivas kann eben nur
im gottlosen Frankreich passieren: deutsche
Glocken hatten sich entschieden geweigert, dem
roten Fest, die Weihe zu geben.

Auch die königlich preußische Justiz trügt eine Binde — nur ist's
die königlich preußische Militärhalsbinde!

In Breslau wurde einem schwörenden Schutzmann vom Gericht
nicht geglaubt. Polizeidirektor Bielski soll bei dieser Nachricht in
Ohnmacht gefallen sein. , «

Arendt meinte in der Budgetkonimission, ein Eingeborenenrecht
gäbe es in Afrika überhaupt nicht. Arendt irrt sich. Es gibt ein Ein-
geborenenrecht, nämlich das Recht ans Steuern und Prügel.

Die Hakatisten sind gar nicht so dumm. Wodurch könnte man
den Polenkindern die deutsche Sprache besser verekeln, als durch
Religionsunterricht? . .

Eine Firma, die mit vier Milliarden arbeitet, ist und bleibt eine
Weltfirma; auch wenn's bloß Schulden sind.

Ein spanischer Thronerbe ist da! Nun kommt's bloß darauf an,
daß der Thron noch da ist, wenn er ihn erben soll.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die Breslauer ZittlichkeitZkoloime.

Aus Breslaus ländlichem Bezirk
Kommt eine Schreckensmär':

Ts sammelt sich zu kühnem Streich
Dortselbst ein streitbar Heer.

Den Keuschheitskreuzzug rüstet ernst
Zür Thron und Vaterland
Die Sittlichkeit im Wattenrock.

Den Strickstrumps in der Hand.

Des Vaterlandes Zrauenbund,

Anrückt er, wild und kühn!

Die Rache naht! Run zittere,

Du sündiges Berlin!

Wie warst du aller Laster voll
Bei Tag, und erst bei Rächt!

Jetzt wird — du hörst es, Sündenpfuhl!
Alldem ein End' gemacht!

Die Scholzin und die Meyern glüht
Aon frommem Tatendrang;

Beim letzten Kaffeeklatsche schwur
Man dir den Untergang.

Lchon zieht in festem Schritt und Tritt
Das kampfbereite Korps
Mit Halleluja und Hurra
Durchs Brandenburger Tor.

Die Linden und die Zriedrichstraß',

5ie liegen öd' und leer:

Der abgebrühteste Rouö
Mißt aus vor diesem Heer. — *

*un sammle deinen ganzen Mut,

Du altes Sumpfhuhn, und
Wähl' schleunigst eine Jungfrau dir
Aus Breslaus Zrauenbund;

Geleite sie aufs Standesamt,

Wo ihr euch trauen laßt,

Und büß'mit ihr im Ehebett,

Was du gesündigt hast!

Bald bist du dann von Sinnenlust
Und Anfechtung befreit.

Und du begreifst: das höchste Glück
Ist die Enthaltsamkeit! x s.

Lieber Jacob!

Jn't Herrenhaus haben sich iteilich de Hoch
wohljeborenen,wieder mal tvejen de Duellfrage
einije Schmeicheleien jesagt. Eener meente,
et wirde schon jenng jeknallt un jeholzt, un
een anderer meente, et mißte noch ville doller
kommen. Wat mir perseenlich anbelangt, so
schließe ick mir die lehtjenannte Meinung an,
indem det ick sage: wer det dringende Be-
dirfnis stehlt, 'ne Schramme in seine Visasche
oder 'n Loch in seine Kaldaunen zu kriejen,
den soll man um Jottes willen in det Ver-
jniejen nich steeren. Wenn zwee uff Jrund
von den beriehmten Ehrenpodcx, oder wie det
Ding Heeßen tut, sich verwalken, denn hat ooch
jeder von sie de Dresche reichlich verdient. Zunt
Schutz von bräjenklietrije Kavaliere stehle ick
mir nich jewachsen. Von de Duellantensorte
jibt et ja jerade nich ville, aber doch immer
noch mehr wie neetig sind uff de Welt: also
schade um jeden Hieb un um jeden. Schuß,
der vorbeijeht! Ick hoffe zu Jott, det de staats-
erhaltenden Kreise die Sitte der jejenseitijen
ritterlichen Ausrottung noch recht lauge er-
halten bleiben mechte. Ooch der Standpunkt,
den der preißische Kultusminister in't Herren-
haus einnahm, war mir sehr sympathisch. Er
eißerte nämlich: de Abschaffung des Duells
muß den Sitten des Volkes ieberlassen bleiben.
Ick winsche un erwarte bestimmt, det der ehren-
werte Minister sor die Rechtspflege dieselbe

Meinung ooch in bezug uff Streikverjehen un
Majestätsbeleidijungen vertreten wird.

De jroße Hitze, die in de ersten Maitage
herrschte, hat leider 'u wertvolles Opfer je-
soröert. Der Berliner Abjeornte Kämpf hat
unter ihren Einfluß in'n Reichstag, wo er det
Amt eenes zweeten Vizepräsidenten unter
Jarantie des Kaffernblocks ausiebt, 'n schweren
Anfall erlitten, der in de weitesten Kreise be-
klemmende Besorgnisse hervorjerüfen hat. Man
hatte bis dahin an den Mann jarnischt flff-
fallendes nich bemerkt; er war immer 'n janz
jewehnlicher Spießer mit 'n jesundes Einkom-
men un 'ne jerejelte Verdauung jewesen. Aber
nu ieberkam et ihm uff eenmal, un er stirzte
sich pletzlich uff Ledebourn un wollte ihm
jeschäftsordnungsinäßig lustmorden. Dabei
hatte er in seine jeistije Verwirrung jarnich be-
achtet, det de stärkste» Männer von't Holten-
tottenbatalljon im Oogenblick nich vorrätig
waren, sondern sich bei det scheene Wetter
abwesend verhielten. So kam et denn, det de
Minorität dem tobenden Freisinnshauptinan»
umzingelte, ieberwältigte un ihn de Zwangs-
jacke anlegte. Der Patient wurde uff 'n paar
Tage unter Quarantäne jestellt, un nachdem
seine anjejriffene Jemietsverfassung durch kalte
Umschläje wieder in't Lot jebracht war, konnte
er als vorleifig jeheilt entlassen werde». Mit
wat for'n Jubel de Freisinnijen ihren ram-
ponierten Helden uff seinen Präsidententhron
zurickjefiehrt haben, det kann man sich denken.
Ob er freilich sehr feste druff sitzen tut, er-
scheint mir zweifelhaft, aber Bescheidenheit iS'
ja de scheenste Zierde des liberalen Birjertums,
un aus de Zoolojie weeß ick, det jeder Hahn
stolz uff sein Amt is.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Ranke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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