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•—s Die Tafelrunde.: -
Ein Blitz aus heiterm Himmel schoß
Und traf das Liebenberger Schloß.
Nun ist es einsam dort und stille.
Stumm bangt und bebt die Kamarille.
Kein Geist erscheint mehr auf der Schwelle,
Es rückt kein Tisch von seiner Stelle.
In jähem Schrecken floh von hinnen
Das Korps der hochseudalen Spinnen,
Das dort versteckt in Busch und Tann
Voll Gottesfurcht die Fäden spann.
And kundig mit Geschick und Glück
Trieb seine Afterpolitik.
Der böse Spuk, er ist zerstoben.
Es fehlt der Segen ihm von oben;
Es barst die Beule, voll von Eiter,
And Bülow lächelt wieder heiter.
Von schwerem Druck fühlt sich befreit
Des Reiches stolze Obrigkeit;
Man tanzt nun nicht mehr an der Strippe
Der Eulenburg- und Moltkesippe.
And auch die brave Bürgerschar
Bringt laute Dankesopfer dar.
Sie wedelt fröhlich mit dem Schwanz
And singt: „Heil dir im Siegerkranz."
Indessen rückt der Schranzen Korps
Bereits zu neuen Taten vor —
So leicht erlahmt die Zuversicht
Der Edelsten und Besten nicht:
Mit Gottvertrau'n schließt man zur Stunde
Schon eine neue Tafelrunde.
Doch eines hat man wohl bedacht:
„Man nehnr' sich fürder mehr in Acht!
Wir woll'n in unserm frommen Walten
Noch exklusiver uns verhalten.
And auch bei unfern Schweinerein
Zn Zukunft vorsichtiger sein." 3.e.
MtzürahmachnOlen.
Berlin. Fischer haben aus der Spree eine Puppe ge-
zogen, welche unverkennbar die Züge des „Großen Kur-
fürsten" trägt. Linem unkontrollierbaren Gerücht zufolge
ist dieselbe in jüngster Zeit bei spiritistischen Sitzungen
als „Ahne" benutzt worden.
— Die freisinnige Volkspartei hat dem Reichskanzler
ihre liberalen Ideale in eingeschriebenem Brief unter
6 Mark 73 Pfennig Rachnahme übersandt. Leider wurde
die Annahme verweigert.
— Der Gesundheitszustand desAultusministers v.Studt
gibt zu Besorgnissen keinerlei Anlaß. Exzellenz ißt gut,
verdaut gut und schläft viel.
Potsdam. Der frühere Bankdirektor, jetzige Staats-
sekretär Exzellenz Dernburg ist in Anerkennung seiner
einem Mitarbeiter der wiener „Reuen Freien Presse"
gegenüber geäußerten hochseudalen Weltanschauung zum
Unteroffizier der Reserve beim ersten Garderegiment
zu Fuß befördert worden.
Liebenberg. Ägir und Reck sind soeben auf Grund
des § 175 des deutschen Reichsstrafgesetzbuchs verhaftet
worden.
Lissabon. Die portugiesische Aönigstelle wird bald
frei. Aonstitutionell veranlagte Prinzen mit guten Zeug-
nissen dürfen sich bewerben, müssen aber Aaution gegen
spälere Staatsstreiche hinterlegen können.
Riga. Um die angeblichen Übergriffe des Gefängnis-
direktors, des Ghefs der Geheimpolizei und des Gouver-
neurs zu untersuchen, trat heute eine Rommission zu-
sammen, bestehend aus dem Gouverneur, dem Ghef der
Geheimpolizei und dem Gefängnisdirektor.
Ralkutta. Für den Fall eines allgemeinen Aufstandes
hat die indische Regierung ein Schutz- und Crußbündnis
mit der Pest abgeschlossen.
Rio de Janeiro. Lin Hilfsschreiber der deutschen
Gesandtschaft hier kriegt jährlich 9000 Mark. Das ist
nicht zuviel, denn der ausgezeichnete junge Mann hat
stets einen guten schwarzen Rock an, weiß den Mund
zu halten und spielt tadellos Tennis.
windhoek. Der Rammerjäger Rnick aus Berlin ist
seit Wochen mit drei Assistenten fieberhaft dabei, aus dem'
Gouvernementsgebäude das Nachtleben zu beseitigen oder
es wenigstens auf eine ü Uhr-Polizeistunde zu beschränken.
Losklatsch.
„Und wann darf ich hoffen, gnädige Frau,
wieder zu einem traulichen Plauderstündchen
empfangen zu werden?"
„Komm' nwrgen Nachmittag, Edgar! Da
geht mein Mann ins Kaffeekränzchen der
Kamarilla."
Der Besuch der englischen Journalisten.
Nun kamen sie, die Friedensboten
Des meerumrauschten Engelland,
Im Vollbewußtsein ihrer Würde
Betraten sie den deutschen Strand.
Und feierlich, mit wicht'gen Mienen
Erschien im Schmuck des Bratenrocks,
Die Äerrn Kollegen zu begrüßen,
Das Korps der nationalen Schmocks.
Die Macht der öffentlichen Meinung
Verherrlicht manches stolze Wort,
Der Scherl- und Mossekuli spreizt sich
Als Diplomat und Friedenshort.
Er kündet ernsthast seinen Lesern,
Wie viele Flaschen man geleert.
Wie viele Braten man gegessen
And welche Reden man gehört.
And staunend liest der deutsche Michel,
Was seine Presse heut' vermag.
And segnet ihren guten Magen
And ihren muntern Zungenschlag.
Amtliches Dementi.
„Daß die seit lange rückwärts gerichteten
Tendenzen der deutschen Reichspolitik auf
Einflüsse des Liebenberger Kreises zurückzu-
führen seien, erklären wir hiermit für eine bös-
willige Erfindung sensationslüsterner Zeitungs-
schreiber." . ,
Das Kochbuch der Zukunft.
Aus der „Deutschen Tageszeitung".
Trotz der glaubwürdigen Versicherungen der
sachverständigen agrarischen Presse, daß die
Preise der Lebensmittel sich durchaus nicht
auf abnormer Höhe befinden, will das törichte
Geschrei über eine angebliche Teuerung noch
immer nicht verstummen. Wir verzichten selbst-
verständlich darauf, die Propheten der Hungers-
not durch Vernunftgründe widerlegen zu wollen.
Aber, so fragen wir, ist denn die Menschheit
zu ihrer Ernährung auf den engen Kreis dieser
bish er gebräuchlich en Leb ensmittel angewiesen?
Unsere Antwort lautet: Nein! Nahrhafte Stoffe
liegen in Hülle und Fülle um uns her, wir
brauchen sie nur in Besitz zu nehmen und
durch geeignete Behandlung unserem Organis-
mus zugänglich zu machen. Wir wollen daher
im nachstehenden einige Rezepte angeben, die
einem demnächst in unserem Verlag erscheinen-
den „Kochbuch der Zukunft" entnommen sind.
Mittelstands-Beefsteak. Über denhohen
Nährwert alter Stiefelsohlen herrscht heute in
wissenschaftlichen Kreisen kein Zweifel mehr.
Um ein schmackhaftes Beefsteak herzustellen,
läßt man die Stiefelsohlen, aus denen alle
Nägel sorgfältig entfernt sind, vier bis fünf
Wochen in konzentrierter Salpetersäure wässern
und dämpft sie dann mit Zwiebeln über ge-
lindem Feuer. Das Gericht eignet sich vor-
züglich für patriotische Familien als Fest-
braten an hohen kirchlichen und vaterländi-
schen Feiertagen.
Zolltarif-Nudeln. Da die Herstellung
der Nudeln aus Weizenmehl als zu kostspielig
erscheinen kann, so nehme man die bei jedem
Tischler oder Zimmermann gratis oder für
wenigePfennige erhältlichen sogenanntenHobel-
späne. Einfach in Wasser abgekocht, sollen sie
an Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit mit den
feinsten italienischen Makkaronis wetteifern.
Block-Bouilllon. Aus jedem alten Filz-
hut herzustellen. Je länger der Hut getragen
ist, desto kräftiger wird die Bouillon.
Spinat ä la Bülow. Einen Ersatz für
den zu teuren sogenannten Schnepfendreck, der
als eine Delikatesse ersten Ranges bekannt ist,
bieten alle vaterländischen Wiesenfluren, auf
denen Rinderherden geweidet haben, und jeder
deutsche Agrarier wird gegen ein geringes
Entgelt gern die Erlaubnis erteilen, die auf
seinem Areal vorhandenen Kuhfladen zu sam-
meln. In der Küche brauchen sie nur genügend
erwärmt und nach Belieben mit Salz und
Pfeffer gewürzt zu werden. I. ®.
•—s Die Tafelrunde.: -
Ein Blitz aus heiterm Himmel schoß
Und traf das Liebenberger Schloß.
Nun ist es einsam dort und stille.
Stumm bangt und bebt die Kamarille.
Kein Geist erscheint mehr auf der Schwelle,
Es rückt kein Tisch von seiner Stelle.
In jähem Schrecken floh von hinnen
Das Korps der hochseudalen Spinnen,
Das dort versteckt in Busch und Tann
Voll Gottesfurcht die Fäden spann.
And kundig mit Geschick und Glück
Trieb seine Afterpolitik.
Der böse Spuk, er ist zerstoben.
Es fehlt der Segen ihm von oben;
Es barst die Beule, voll von Eiter,
And Bülow lächelt wieder heiter.
Von schwerem Druck fühlt sich befreit
Des Reiches stolze Obrigkeit;
Man tanzt nun nicht mehr an der Strippe
Der Eulenburg- und Moltkesippe.
And auch die brave Bürgerschar
Bringt laute Dankesopfer dar.
Sie wedelt fröhlich mit dem Schwanz
And singt: „Heil dir im Siegerkranz."
Indessen rückt der Schranzen Korps
Bereits zu neuen Taten vor —
So leicht erlahmt die Zuversicht
Der Edelsten und Besten nicht:
Mit Gottvertrau'n schließt man zur Stunde
Schon eine neue Tafelrunde.
Doch eines hat man wohl bedacht:
„Man nehnr' sich fürder mehr in Acht!
Wir woll'n in unserm frommen Walten
Noch exklusiver uns verhalten.
And auch bei unfern Schweinerein
Zn Zukunft vorsichtiger sein." 3.e.
MtzürahmachnOlen.
Berlin. Fischer haben aus der Spree eine Puppe ge-
zogen, welche unverkennbar die Züge des „Großen Kur-
fürsten" trägt. Linem unkontrollierbaren Gerücht zufolge
ist dieselbe in jüngster Zeit bei spiritistischen Sitzungen
als „Ahne" benutzt worden.
— Die freisinnige Volkspartei hat dem Reichskanzler
ihre liberalen Ideale in eingeschriebenem Brief unter
6 Mark 73 Pfennig Rachnahme übersandt. Leider wurde
die Annahme verweigert.
— Der Gesundheitszustand desAultusministers v.Studt
gibt zu Besorgnissen keinerlei Anlaß. Exzellenz ißt gut,
verdaut gut und schläft viel.
Potsdam. Der frühere Bankdirektor, jetzige Staats-
sekretär Exzellenz Dernburg ist in Anerkennung seiner
einem Mitarbeiter der wiener „Reuen Freien Presse"
gegenüber geäußerten hochseudalen Weltanschauung zum
Unteroffizier der Reserve beim ersten Garderegiment
zu Fuß befördert worden.
Liebenberg. Ägir und Reck sind soeben auf Grund
des § 175 des deutschen Reichsstrafgesetzbuchs verhaftet
worden.
Lissabon. Die portugiesische Aönigstelle wird bald
frei. Aonstitutionell veranlagte Prinzen mit guten Zeug-
nissen dürfen sich bewerben, müssen aber Aaution gegen
spälere Staatsstreiche hinterlegen können.
Riga. Um die angeblichen Übergriffe des Gefängnis-
direktors, des Ghefs der Geheimpolizei und des Gouver-
neurs zu untersuchen, trat heute eine Rommission zu-
sammen, bestehend aus dem Gouverneur, dem Ghef der
Geheimpolizei und dem Gefängnisdirektor.
Ralkutta. Für den Fall eines allgemeinen Aufstandes
hat die indische Regierung ein Schutz- und Crußbündnis
mit der Pest abgeschlossen.
Rio de Janeiro. Lin Hilfsschreiber der deutschen
Gesandtschaft hier kriegt jährlich 9000 Mark. Das ist
nicht zuviel, denn der ausgezeichnete junge Mann hat
stets einen guten schwarzen Rock an, weiß den Mund
zu halten und spielt tadellos Tennis.
windhoek. Der Rammerjäger Rnick aus Berlin ist
seit Wochen mit drei Assistenten fieberhaft dabei, aus dem'
Gouvernementsgebäude das Nachtleben zu beseitigen oder
es wenigstens auf eine ü Uhr-Polizeistunde zu beschränken.
Losklatsch.
„Und wann darf ich hoffen, gnädige Frau,
wieder zu einem traulichen Plauderstündchen
empfangen zu werden?"
„Komm' nwrgen Nachmittag, Edgar! Da
geht mein Mann ins Kaffeekränzchen der
Kamarilla."
Der Besuch der englischen Journalisten.
Nun kamen sie, die Friedensboten
Des meerumrauschten Engelland,
Im Vollbewußtsein ihrer Würde
Betraten sie den deutschen Strand.
Und feierlich, mit wicht'gen Mienen
Erschien im Schmuck des Bratenrocks,
Die Äerrn Kollegen zu begrüßen,
Das Korps der nationalen Schmocks.
Die Macht der öffentlichen Meinung
Verherrlicht manches stolze Wort,
Der Scherl- und Mossekuli spreizt sich
Als Diplomat und Friedenshort.
Er kündet ernsthast seinen Lesern,
Wie viele Flaschen man geleert.
Wie viele Braten man gegessen
And welche Reden man gehört.
And staunend liest der deutsche Michel,
Was seine Presse heut' vermag.
And segnet ihren guten Magen
And ihren muntern Zungenschlag.
Amtliches Dementi.
„Daß die seit lange rückwärts gerichteten
Tendenzen der deutschen Reichspolitik auf
Einflüsse des Liebenberger Kreises zurückzu-
führen seien, erklären wir hiermit für eine bös-
willige Erfindung sensationslüsterner Zeitungs-
schreiber." . ,
Das Kochbuch der Zukunft.
Aus der „Deutschen Tageszeitung".
Trotz der glaubwürdigen Versicherungen der
sachverständigen agrarischen Presse, daß die
Preise der Lebensmittel sich durchaus nicht
auf abnormer Höhe befinden, will das törichte
Geschrei über eine angebliche Teuerung noch
immer nicht verstummen. Wir verzichten selbst-
verständlich darauf, die Propheten der Hungers-
not durch Vernunftgründe widerlegen zu wollen.
Aber, so fragen wir, ist denn die Menschheit
zu ihrer Ernährung auf den engen Kreis dieser
bish er gebräuchlich en Leb ensmittel angewiesen?
Unsere Antwort lautet: Nein! Nahrhafte Stoffe
liegen in Hülle und Fülle um uns her, wir
brauchen sie nur in Besitz zu nehmen und
durch geeignete Behandlung unserem Organis-
mus zugänglich zu machen. Wir wollen daher
im nachstehenden einige Rezepte angeben, die
einem demnächst in unserem Verlag erscheinen-
den „Kochbuch der Zukunft" entnommen sind.
Mittelstands-Beefsteak. Über denhohen
Nährwert alter Stiefelsohlen herrscht heute in
wissenschaftlichen Kreisen kein Zweifel mehr.
Um ein schmackhaftes Beefsteak herzustellen,
läßt man die Stiefelsohlen, aus denen alle
Nägel sorgfältig entfernt sind, vier bis fünf
Wochen in konzentrierter Salpetersäure wässern
und dämpft sie dann mit Zwiebeln über ge-
lindem Feuer. Das Gericht eignet sich vor-
züglich für patriotische Familien als Fest-
braten an hohen kirchlichen und vaterländi-
schen Feiertagen.
Zolltarif-Nudeln. Da die Herstellung
der Nudeln aus Weizenmehl als zu kostspielig
erscheinen kann, so nehme man die bei jedem
Tischler oder Zimmermann gratis oder für
wenigePfennige erhältlichen sogenanntenHobel-
späne. Einfach in Wasser abgekocht, sollen sie
an Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit mit den
feinsten italienischen Makkaronis wetteifern.
Block-Bouilllon. Aus jedem alten Filz-
hut herzustellen. Je länger der Hut getragen
ist, desto kräftiger wird die Bouillon.
Spinat ä la Bülow. Einen Ersatz für
den zu teuren sogenannten Schnepfendreck, der
als eine Delikatesse ersten Ranges bekannt ist,
bieten alle vaterländischen Wiesenfluren, auf
denen Rinderherden geweidet haben, und jeder
deutsche Agrarier wird gegen ein geringes
Entgelt gern die Erlaubnis erteilen, die auf
seinem Areal vorhandenen Kuhfladen zu sam-
meln. In der Küche brauchen sie nur genügend
erwärmt und nach Belieben mit Salz und
Pfeffer gewürzt zu werden. I. ®.