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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0168
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5454

—J Ministerwechsel, s—•

Es lag die Welt in Sommersglut
And stillem Ferienfrieden,

Da sind der Posa und der Studt
Aus ihrem Amt geschieden.

Vom heitern Himmel fuhr der Blitz
And traf den müden Wandrer:

Aus seinem noch ganz warmen Sitz
Plaziert sich nun ein andrer.

Der Vorfall regt zu mancherlei
Betrachtung an den Spießer,

And emsig rührt im Phrasenbrei
Das Korps der Kannegießer.

Sie diskutieren früh und spät.

Was „oben" man wohl plane.

Mit kündigen Blicken wird erspäht
Der Stand der Wetterfahne.

Der eine Geist, reaktionär
Vom Scheitel bis zum After:

„Es weht von rechts", orakelt er,
„Ein Wind, ein dauerhafter!"

Der andre, liberal gesinnt,

Rust froh: „Es schwankt die Wage
Zu unserm Heil, es weht der Wind
Von links jetzt, ohne Frage!"

Ich aber sag': Der Wind, der weht,

Es wechseln die Gestalten,

Die eine kommt, die andre geht.

And alles bleibt beim alten. I.s.

Posadowsky.

O o

Graf im Bart, es ist zu Ende!

Gehe hin und baue Kohl
Und genieße ihn in Frieden;

Bleib' gesund und lebe wohl.

Graf im Bart, du bist entlassen;
Mußt dich nun in würde fassen.

Als die kaiserlichen Teckel
Deine Beine dreist gepackt
Und dir die Ministerhosen
Mt den Zähnen ausgezackt —

Graf, das mußtest du verstehen,
Mußtest stolz von dannen gehen.

Daß zuni Höfling du geworden,

Hat dir Höflingslos gebracht.

Graf im Bart, du Feiner, Uluger,
Hast dn das nicht vorbedacht
Und begriffen, was am Hofe
weiß die letzte Kammerzofe:

wer fein Amt sich will erhalten
Lasse weife Vorsicht walten!

Um auf höhere Ideen
voll Bewundrung einzugehen,

Setze eigenen Gedanken
Jederzeit er enge Schranken;

Kamt er ganz sie unterdrücken,
wird es ihm noch besser glücken;
Doch am weitesten kommt der
Dessen Schädel gänzlich leer, secunvus.

Das Prügelkontobuch.

Studt ging. Er fiel in die Versenkung.

Ihm folgt manch Lachen und manch Fluch.
Doch bleibt uns seine letzte Schenkung;

Es war das Prügelkontobuch.

Das ist ein sauber Formular
Mit sieben vorgedruckten Spalten.

Drin schreibt hinein der Lehrer Schar,

Wie treu sie ihres Amtes walten.

Wie sie den Bengel hingelegt.

Wie sie den Hosenboden spannten.

Wieviel im Durchschnitt er verträgt.

Welch Werkzeug sie dazu verwandten.

Wie saftig man dabei verfuhr.

Ob Striemen kamen von den Lieben —

Als Markstein preußischer Kultur
Wird das ins Formular geschrieben.

Baut man dem Studt—wie's Brauch im Land -
Ein Denkmal einst mit Kranz und Spruch,
Dann legt ihm in die rechte Land
Als Merkmal so ein Kontobuch! P. <s.

Nach dem Staatsstreich.

Stolypin: Majestät — die Sozialdemo-
kratie ist eingesperrt!

Nikolaus: Bravo, mein Lieber!!

Stolypin: Majestät — aber ich brauche
noch mindestens 1000 neue Gefängnisse.

Nikolaus: Nanu?? Wozu denn,Stolypin?

Stolypin: Majestät — ich muß jetzt an-
fangen, die Armee einzusperren!

Aus den Kolonien.

Wie die Zeitungen melden, ist in mehreren
Orten Deutsch-Südwestafrikas die „Pferde-
sterbe" ausgebrochen. Ein Besitzer hat von
siebzehn Pferden fünfzehn eingebüßt und ebenso
haben die Bastards schwere Verluste erlitten.

Wir bedauern dieses neue koloniale Miß-
geschick außerordentlich, können uns aber dar-

über nicht weiter wundern, da wir immer der
Meinung gewesen sind, daß es in unseren
Kolonien kein Pferd aushalten kann.

Der pflichttreue Redakteur.

Vom Dresdener Journalistentag.

„Also Sie sind monarchisch bis in die
Knochen?"

„Zu Befehl, Majestät?"

„Aber auch demokratisch bis in die Knochen?"

„Zu Befehl, Majestät!"

„Und das läßt sich beides vereinigen?"

„Zu Befehl, Majestät! Nur — kriegt man
dabei den politischen Rheumatismus."

Ministerwechsel.

Motto: Klebt, leimt, kittet alles!

Im königlich preußischen Kultusministerium
saß Herr v. Studt auf seinem Ministersessel,
hatte die Beine übereinandergeschlagen, wippte
mit dein linkeil Fuß, drehte die Daumen und
dachte an nichts Böses. Da kam der Lucanus....

„Exzellenz, es tut mir leid: aber Ihre Uhr
ist abgelaufen!"

Unliebsam berührt sah Studt den Stören-
fried an:

„Nanu? Ich wollte grade den Kinder-
gärten noch schnell eins auswischen! Und der
neue Prügelerlaß . . ."

„Ihr Nachfolger kann das viel schöner,
Exzellenz; der ist bei den Liberalen noch nicht
so verschrieen!!"

Jetzt wurde der preußische Minister des
Geistes aber wütend:

„So?? Geschunden und geplagt Hab' ich
mich um die vermaledeiten Ideale — und
nun soll ich die Blockzeche bezahlen?! Na,
wissen Sie: ich bin preußischer Beamter, halt
's Maul ui.8 gehe. Aber nicht ohne meinen..."

Ein kurzer, energischer Ruck und Studt ging.
— Lucanus aber schrie um Hilfe und lief hinter!
her. Denn am „Südpol" des Scheidenden klebte
der Ministersessel fest!
 
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