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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0216
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— 5502 •-

- : Willkommen! - -

Nicht bunter Tand, nicht flimmerndes Gepränge,
Nicht feiler Nnechte wimmelndes Gedränge,

Nicht glatter Schwätzer frecher Lug!
wohl wär's für Fürsten und für ihre Gäste,

Wohl wär's für müfz'ger Schwelger Freudenfeste,
Doch nicht für euch wär's gut genug.

Nicht bunter Tand für unsere Genossen!

Doch herzlich warm sei Hand von Hand umschlossen.

Mit schlichtem Handschlag nach der Schwaben Sitte
willkommen heißen wir in unsrer Mitte
Der Proletarier Parlament!
willkommen alle, die zum Nat erscheinen,

3u einem Volk, zu einem Heer sich einen,

Das keine List der Feinde trennt.

Mit schlichtem Handschlag grüßen wir die Treuen,
Die ernst der Arbeit heil'gen Bund erneuen.

Euch Russen, die den Schergen des Despoten
Sn schweren Rümpfen tapfer Trotz geboten,

Euch sei der erste Gruß geweiht.

vom Osten leuchten schon die Flammenzeichen;

Die Sonne steigt, die Nebelschwaden weichen.

Dem Osten Gruß, der sich befreit.

Euch Russen Gruß und euern Toten Ehre,
Blutzeugen für die Wahrheit unsrer Lehre.

willkommen ihr, die ihr vom fernen Strande
Herbeigeeilt zum Thing im Schwabenlande,
von Ost und West weit übers Meer.

An fremder Rüste haltet ihr die wache
Für unser Recht, der Arbeit hehre Sache,

Die Vorhut unserm großen Freiheitsheer,
willkommen ihr, und holt euch neue Waffen,
Der freien Menschheit Licht und Raum zu schaffen

Europas Söhne, aller Völker Sprossen,

Euch grüßen wir als alte Rampsgenossen!

Der Länder Grenzen trennen nicht.

Die Herrscher mögen ihre Ränke schmieden;
wir schaffen an der freien Völker Frieden.
Ans eint das Fiel, uns eint die Pflicht.
Europas Söhne! Eintracht und vertrauen!
So lasset uns der Zukunft Tempel bauen!

VNtzüruylnulhrictilen.

Berlin. Der preußische Staat hat die Absicht, sich
gegen die Sozialdemokratie zu versichern, und verhandelt
schon mit einer renommierten Kirma. Internationale
sozialistische Kongresse, rote Reichstagswahlen, größere
Streiks zählen als Unfälle. Auch Tanzinvalidität sowie
Unfälle mit^tödlichem Ausgang sind vorgesehen.

— In einer Generalversammlung der bürgerlichen
Presse wurde beantragt, den Stuttgarter Uongreß tot-
zuschweigen. Der Antrag fiel aus prinzipiellen Tründen
durch, weil sämtliche allen Tanten erklärten, beim besten
Willen den Mund nicht halten zu können.

— Der Reichslügenverband-Teneralissimus Liebert hat
es keineswegs bei einem bloßen Lntschuldigungsschreiben
bewenden lassen. Lr hat außerdem jedem der beteiligten
„Schandflecke" ein Pfund Schmierseife geschickt.

Nordernev. Von teuflischen Zahnschmerzen geplagt,
hat Kürst Bülow einem zudringlichen Berichterstatter vom
„Berliner Tageblatt" zwei liberale Korderungen bewilligt,
stützt sich aber jetzt auf § 5s des Reichsstrafgesetzbuches.

Haag. Der Weltfriede hat im Verlauf der hiesigen
Kestivitäten zuviel Sekt trinken müssen und darüber den
galoppierenden Imperialismus bekommen. Lr liegt jetzt
im Kieber und phantasiert von losgehenden Kanonen.

Petersburg. In Peterhof explodierte eine Bombe.
Wie sich herausstellte, ist es der heilige Mitja höchst-
selbst gewesen, der, bis zum Halse mit Spirituosen voll-
geladen, eine brennende Lampe beschnüffelt hatte.

v. Arnim-Schnodderheim

an v. Below-Pleitenburg.

Mein Allerwertester! Lese soeben in Kreuz-
zeitung skandalöse Nachricht von sogenanntem
Internationalem Sozialistenkongreß, der dieser
Tage in Stuttgart abgehalten werden soll.
Wenn Sache recht verstehe, will sich da ver-

botenes Gesindel aus aller Herren Länder zu-
sammenrotten, um heiligste Güter Europas
zu gefährden. Begreife beim besten Willen
nicht, wie Stuttgarter Polizei derartigen Un-
fug gestatten kann. Sollte bloß mal unserm
Landrat geboten werden! Sofort Gendarm
und Amtsdiener von sämtlichen Rittergütern
des Kreises zusammengetrommelt, rote Bande
umzingelt, festgenommen, gebunden und in
Spritzenhaus eingesperrt! Aber in schlapper
Schwabengesellschaft offenbarkeine rechtestaats-
erhaltende Dienstauffassung vorhanden. Be-
dauernswertes Land. Schwamm drüber!

Habe bei dieser Gelegenheit zum erstenmal
über Begriff von Jnternationalität gründlich
nachgedacht. Bin selbstverständlich dagegen.
Führt zu nischt. Internationaler Getreide-
markt und internationale Viehpreise Ruin
von deutscher Landwirtschaft, internationale
Schiedsgerichte Untergrabung von kriegerischem
Geist, internationale Völkerverbrüderung Ende
von Weltgeschichte, Umsturz von Thron und
Altar, schleuniges Aussterben von Edelsten
und Besten. Über internationale Sozialdemo-
kratie und internationale Hochstapler brauche
kein Wort zu verlieren. Bin der Meinung,
daß Jnternationalität glattweg strafgesetzlich
verboten werden müßte, etwa durch Ergänzung
von Z 175, als widernatürliche politische Un-
zucht. Habe dafür soeben leider betrübendes
Beispiel in engster Familie erlebt. Vetter
v. Zitzewitz geht nach Monaco und verliert
auf einem Brett hunderttausend Mark. Ich
dagegen jeue schlicht und recht, wie guten!

Patrioten zukommt, in Berliner „Kavalierklub
1907" und gewinne in einer Nacht drei braune
Lappen! Fingerzeig Gottes unverkennbar und
Bestätigung von altem Bibelspruch: Bleibe im
Lande und nähre dich redlich!

Ließ mir nicht nehmen, Gutsarbeitern von
Schnodderheim nach der letzten Sonntags-
andacht in kurzem, populärem Vortrag meine
philosophischen Gedanken über Jnternatio-
nalität zu entwickeln. Erfolg leider sehr be-
dauerlich. Bande besoff sich nachmittags und
verprügelte polnische Erntearbeiter, die mir
vor vier Monaten aus Galizien habe kommen
lassen. Gesindel eben zu dämlich, um feinere
Unterscheidungen machen zu können!

Inzwischen Ihr Arnim.

In Swinemünde.

„Der Nikolaus ist doch nur halb so dumm,
als wie er aussieht!"

„Wieso denn?"

„Na, er hat sich doch glücklich aus Rußland
herausgeschmuggelt, ohne erwischt zu werden.

Indizienbeweis.

Staatsanwalt: Der Angeklagte hat sich
mit seltener Hartnäckigkeit bemüht, durch im-
mer neue Zeugen das Gebäude der Anklage,
dem ich so viel Arbeit gewidmet habe, zu er-
schüttern. Das verrät eine solche Gemeinheit
des Charakters, daß sie allein schon genügt,
ihm die Tat zuzutrauen!
 
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