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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0233
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- 5519

öS ftobelfpänc. eT

Er klagt ununterbrochen.

Er klagt bei Tag und Nacht,

Er klagt seit dreizehn Wochen —
Nehmt euch vor ihm in acht.

Kein End' ist zu ermessen;

Es stockt die Rechtsmaschin'

Vor Petersschen Prozessen
In München, Köln, Berlin;

In Dresden, Leipzig, Düssel-
Nnd Rixdorf unverzagt
Schöpft er aus voller Schüssel
Und klagt, und klagt, und klagt.

Im Haag wurde der Grundstein zum Weltfriedenspalast gelegt.
Auch ein paar Münzen wurden mit eingemauert, damit es sich lohnt,
ihn später mal wieder abzureißen.

In Rußland glauben die Herren schon,

Zu Ende sei's mit der Revolution —

Doch glaubt's, bald sitzt sie euch wieder im Nacken
Und wird mit gar mächtiger Faust euch packen.

Die russischen Beamten sind ehrlich geworden. Sie betrügen den
Staat nicht mehr. Denn der Staat hat nichts mehr.

Die Justiz hat eine Binde vor den Augen. Das bedeutet, daß
sie mit hohen Herren gern „blinde Kuh" spielt.

. «

Die moderne Sprenggranate ist der sprachenkundigste Dolmetscher
zwischen bürgerlichen Staaten.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

W Monarchengelprüch. *©

„Sage mir, bitte, durchlauchtigster Vetter und Bruder, wieviel zahlst du deinen
Patrioten für deinen Patriotismus?"

„Ich? Gar nichts!"

„Wie glücklich bist du! Ich muß meine Patrioten bezahlen, damit sie nicht
Sozialisten werden."

gegangen, die Deutschen aber wollen ihn
fahren — darum gilt auch hier das Wort:
„Gebaut wird sie doch!"

Vorläufig müssen wir uns leider mit Auto-
mobilen behelfen, was gerade nicht sehr an-
genehm ist, denn alle Augenblick verwickelt
sich so eine Riesenschlange in die Räder. Dann
haben die Truppenoffiziere auch stets einen
solchen Durst, daß sie in unbewachten Mo-
menten das Benzin austrinken und uns in
größte Verlegenheit bringen.

Bewundernswert ist das mächtige Auf-
blühen des Handels. Die deutschen Hosen-
träger erobern sich mit unwiderstehlicher Ge-
walt die Okkupationsgebiete. Andere Fabri-
kate können gegen uns nicht aufkommen.

Mir versicherten jedoch einige Hausierer,
daß sie mehr als das dreifache Quantum an
Hosenträgern, Schnurrbartbinden und Zahn-
bürsten absetzen könnten, wenn nur die neue
Eisenbahn schon fertig wäre.

Für die Üppigkeit der hiesigen Zustände
nur ein Beispiel: Ich bestellte mir zum Früh-
stück im Gasthof „Zum weißen Engel" meine
gewohnten zwei kernweichen Eier. Was, glauben
Sie, bringt mir der Wirt? Zwei echte Straußen-
?ier, an denen ich mich schon seit über einer
Woche sättige!

. Ein zweiter Fall: Eine junge Frau, die
>hre Hochzeitsreise in unserer Gesellschaft macht,
hat bereits Drillinge bekommen, prächtige kaffee-
braune Knaben!

Und ein solches gottgesegnetes Land sollten
^ir uns verscherzen?

Ihr Berichterstatter Moritz.

Tropendienstuntauglich.

.. »setzen Sic, Kamerad, ich sollte auch mal als
Gouverneur nach Afrika gehen, habe aber ab-
grlehnt. Passe zu so was nicht, habe nie eine
"011 meinen Maitressen prügeln können."

Des Patrioten Klage.

Wie es mich doch in letzter Zeit verdrießt
Beim Friihkaffee, das leid'ge Zeitungslesen.
Dies Casablanca bloß! Der Erbfeind schießt.
And wir sind wieder nicht dabei gewesen!

Erst machen wir die Marokkaner scharf.
Indem persönlich wir zu ihnen fahren;

Wir deuten an: „Wir Helsen bei Bedarf!"
Dan» lassen wir im Stich sie, wie die Buren.

Nun bricht den Ärmsten dort man das Genick
Nach dem bekannten Konferenzgemunkel;

Ach ja, die Wege deutscher Politik
Sind, wie die Wege des Allmächt'gen, dunkel.

Lieber Jacob!

Die Einfiehrung des lenkbaren Luftschiffs
in de deitsche un de franzeesische Armee hat
mir mit lebhafte Befriedijung erfillt. Ick hatte
et nämlich schon immer uffrichtig bedauert,
det man den Militarismus bis jetz man bloß
zu Lande un zu Wasser bejejnen konnte un
sich jänzlichst vereinsamt un verlassen fiehlte,
sobald man in de Wolken kiekte. Diesen Jbel-
stand is nu Jott sei Dank abjeholfen worden.
De sejensreiche Wirksamkeit des jroßen Jeneral-
stabs wird sich in Zukunft »ich bloß uff de
irdischen Rejionen beschränken, sondern wird
ooch det Firmament bejlicken, un de himm-
lischen Heerscharen werden sich bald sehr je-
ehrt fiehlen, wenn se de Kameraden von de
Berliner Jarde zum erstenmal unter sich be-
ließen derfen. Ick freie mir schon uff dem
Oojenblick, wo det Rekrutendrillen mang de
Fixsterne bejinnt, de Herbstparade uff'n Jroßen
Bären anjesetzt un for diesem Zweck de Milch-
straße pollezeilich abjesperrt werden wird. Det
sich damit 'n janz anderer Jeist de Jestirne
bemächtijen muß, iS klar wie Kloßbriehe. Durch

de rejelmäßijen Mannövereinquartierungen
wird de Bummelei unter de Marsbewohner
Jott sei Dank 'n Ende nehmen un et steht zu
hoffen, det mit de Zeit ooch de Venus endlich
de richtije preißische Dienstuffassung beijebracht
werden wird. So dirfte der bisherije beklagens-
werte zivilistische Zustand der Astronomie mit
Hilfe des lenkbaren Luftschiffs jrundsätzlich
verändert un mit den for unsere Zeit un-
entbehrlichen milletäreschen Schliff versehen
werden.

Det damit ooch for unsere Diplomatie 'n
janzer Klumpatsch von neie un fruchtbare Uff-
jaben jeschaffen werden ivird, kann keenen Ver-
ständijen »ich zweifelhaft bleiben. De Meeglich-
keit, de Blamaschen in de auswärtije Polletik
uff den Umkreis von det janzebekanntePlaneten-
systein auszudehnen, werden sich unsere staats-
männischen Schenies uff keenen Fall »ich ent-
jehen lassen. An det poplije Marokko wird
denn keen Mensch »ich mehr denken, wo heute
noch alle Zeitungen 'n jroßes Jeseires von
machen, iveil wir da doch mit 'ne lange Neese
abziehen mußten un de Franzosen de Sahne
abjeschöpft haben. Wat det iebrijens for 'ne
Sahne is, die man sich in de afrikanischen
Wiesten holen kann, det erleben wir jetz bei
de »eisten marokkanischen Ereignisse. Det sieg-
reiche Frankreich wird sich bald bekreizijen
vor die Kreizzieje, die ihm in jene anjenehmen
Jejenden noch bevorstehen, un wir werden
schließlich unsere Diplomaten dankbar sind,
det se uns vermittelst ihr ieberlebensjroßes
Unjeschick jejen ihrem Willen vor de Abenteier
von Casablauka bewahrt haben. De Dumm-
heit is eben 'ne Jabe Jottes, die sich oft be-
sonders wohltätig erweist, wenn se unbeschränkte
Jelejenheit hat, sich in de heheren Sphären
zu eißern.

Womit ick verbleibe init ville Jrieße dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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