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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0264
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5550

Marokko.

Es zischen Frankreichs Bomben,

Die Mauern stürzen ein;

Es knattern die Gewehre,

Die Weiber und Kinder schrein.

Und Brand und Mord und Verwüstung
Durchschreiten die Araber-Stadt;

Die Göttin der Geschichte
Beschreibt ein neues Blatt...

Viel weißvermummte Reiter
Sieht man mit wildem Sang
Sich nahn. Hei, wie dort grausam
Der Tod seine Sense schwang!

Es klingt ein Sang am Meere,

Am heißen Felsengrat
Vom großen, weißen Sultan,

Der ihnen helsend naht:

„Er hilft dem freien Marokko,

Ich hörte, wie er's versprach.

Er ist eilt großer Sultan,

Der nie sein Wort noch brach-"

Bis in das Sandmeer flammet
Weither der Städte Brand.

Und Raub und Mord und Verwüstung
Durchschreiten das maurische Land!

MtzüraMnachrichlen.

Berlin. Das Zentrum scharwenzelt hungrig und
reuevoll um die Fleischtöpfe der Regierung herum. Der
Liberalismus befürchtet, daß man ihn zur Feier der
Rückkehr des verlorenen Lohnes schlachten will.

Wannsee bei Potsdam. Die schwarz-weiß-roten Bade-
hosen des Wannsee-Ladeklubs sind auf Befehl der Polizei
in vollständige Badeanzüge verwandelt worden. Ls soll
eben nicht der Hintern allein patriotisch sein!

München. Die hiesige Friedenskonferenz hat positive
Arbeit geleistet. Sie hat telegraphiert und ist auch
photographiert worden.

Petersburg. Der Zar trägt bei Audienzen jetzt stets
die Abzeichen des „Verbandes wahrhaft russischer Leute",
nämlich: Schlagring, Tummischlauch und Revolver.

Casablanca. Die französischen Truppen haben Be-
fehl, Marokko friedlich zu durchdringen. Das geht aber
nur ganz langsam, weil eben jeder einzelne Marokkaner
friedlich durchdrungen werden muß.

krcußWcr wahlrechtzkampf.

2Rnn, Zreisirmsschar, erwache
Und stehe deinen Mann;

Zur eine gute Sache
Setz nun dein Letztes dran!

Entblöße deine Klinge,

Mach' keinen blauen Dunst:

Hier ist der Vrt. Hier springe
Und zeige deine Kunst!

Glossen.

Kürzlich wurde jemand wegen „Querulierens
gegenüber der Obrigkeit" nach einer alten
Gerichtsordnung von 1790 zu Gefängnis ver-
urteilt. Das Kammergericht verwarf die da-
gegen eingelegte Revision.

Der Angeklagte kann von Glück sagen, daß
er nicht auf Grund der „peinlichen Gerichts-
ordnung Karls V." verurteilt wurde. Da wäre
er mindestens gevierteilt worden.

Ein englischer Blumenzüchter nannte eine
neue Verbenenart „Hauptmann von Köpenick".

Das preußische Kriegsministerium will diese
Blume in den Kasinogärten in Massen an-
pflanzen ... *

Der neue Kultusminister verbot die Be-
nutzung des neuerbauten Krematoriums in
Hagen zu Leichenverbrennungszwecken.

Jetzt werden darin alle Leitartikel liberaler
Blätter verbrannt, die den neuen Minister im
voraus lobten. »

Die Zarin verbraucht jährlich für 100000
Frank Parfüm.

Das Parfüm muß nichts taugen, da der
Zarenhof trotzdem andauernd in so schlechtem
Geruch steht.

Es gilt das Recht der Rechte!

Roll' auf dein Zeldpanier
Und vorwärts zum Gefechte
Mit offenem visier!

Hier gilt kein geistreich Reden,

Kein Rätselwort der Sphinx.

Hier zeige einem jeden:

Stehst rechts du oder links?

Rick' nicht auf weichem Sitze
Zum faulen Schläfchen ein.

Fetzt hilft kein Mundgespitze —

Es muß gepfiffen sein! x

Klage-Peters' Klage.

„Ach ja, die Zeiten werden schlechter^ Früher
Hab' ich meine Feinde einfach aufgehängt.
Heute darf ich ihnen bloß noch Prozesse auf-
hängen."

Die päpstliche Sarcie.

Die schwarze Schar sich vereinigt hat
ln der alten verräucherten Bischofsstadt;

Durch ÜJürzburgs Sassen zogen heran
Die dunklen Kulten, Mann an Man»,
ln lauten cönen klang's vom Dom:

,chs lebe der heilige Uater in Rom!

„Dom Wahlrecht reden wir nicht gern:

Das lieben nicht unsre adligen Herrn.

Ruch alles, was man heisst „sozial",

Das brauchen wir nur zur Relclfstagswahl!
Sonst kllmmert's uns keinen Rtom —

Ls lebe der heilige Uater in Rom!

„Das ist der Schlachtruf, der uns eint,

Was uns auch sonst zu trennen scheint.

Und klingt's euch auch wie Unkenschrei'n, —
Wir rufen es laut und lauter hinein,
hinein in den brausende» 2eitenstrom:

Ls lebe der heilige Uater in Rom!!" p. e.

Die fürsorgliche Bahnverwaltung.

„Der preußische Minister der öffentlichen Ar-
beiten hat die königlichen Eisenbahndirektionen
angewiesen, Eisenbahnarbeiter zu Erntearbeiten
zu beurlaubeil, soweit sie abkömmlich sind . .

Aus der Ansprache eines Eisenbahn-
direktors zu den „abkömmlichen" Ar-
beitern: Ich habe Ihnen eine freudige Mit-
teilung zlt machen. Seine Exzellenz, der Herr
Minister, der, ivie Sie wissen, besonders um
das Wohl der Unterbeamten und Arbeiter be-
sorgt ist, hat in diesem Jahre in hochherziger
Weise auch an Sie gedacht und Ihnen mit
Rücksicht auf Ihren schweren und aufreibenden
Dienst vier Wochen Sommerurlaub bewilligt,
den Sie sofort antreten können. (Bravo!) Ja,
der Herr Minister hat für Sie noch viel mehr
geleistet. In Anbetracht des Umstandes, daß
Sie nur auf dem Lande wirkliche Erholung
finden können, hat sich seine Exzellenz mit zahl-
reichen Rittergutsbesitzern in Verbindung ge-
setzt, um die Herren zu veranlassen, Ihnen
auf ihren Gütern ein Plätzchen einzuräumen.
Der Herr Minister hat, und das ist ja das
erfreulichste, Erfolg gehabt. Zahlreiche Herren
vom Lande sind bereit, Sie aufzunehmen. Sie
werden deshalb kolonnenweis auf den Besitz-
tümern dieser Herren untergebracht werden, wo
Sie bei freier Station und fünfzig Pfennig
Tagelohn Ihren Urlaub verbringen können.
Ich hoffe, daß Sie sich Ihren Wohltätern, den
Herren Gutsbesitzern, dankbar erweisen werden,
und wünsche Ihnen gute Reise und eine an-
genehme Erholung. Sie werden sicherlich alle
neugestärkt und dankerfüllt zurückkehren. Be-
vor wir aber auseinandergehen, bitte ich Sie,
mit mir in den Ruf einzustimmen: Seine Exzel-
lenz, der Herr Minister, er lebe hoch, hoch, hoch!

Stramme Disziplin.

„Herr Hauptmann ... der Meyer V ist

schlapp geivorden und-*

„Schreiben Se'n uff, Feldwebel! Exerziert
'ne Stunde nach, mit Sandsack!"

„Aber, Herr Hauptmann: der Mann ist in-
zwischen gestorben."

„So! Na, egal... Strafe muß sein! Dann
zählt eben das Leichenbegängnis als Nach-
exerzieren!!"
 
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