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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0022
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5690

cm 2nfriedener.

Der betrübte Flottenvereinler.

Wo ist sie hin, die wonnereiche.

Die Zeit der letzteil Reichstagswahl,

Da üppig blühte unser Weizen
Im warmen Gnadensonnenstrahl?

Für uns und unsre heil'ge Sache
Schlug manche treue Mannesbrust,

Die deutsche Volkesseele kochte
3» Kampfesmut und Kampfeslust.

Aus gnäd'gen Telegrammen schlürfte
Man der Begeiferung Feuertrank,

Aus ungezählten feuchten Kehlen
Machtvoll der Sang an Aegir klang.

Jetzt weh uns! Linker Anmutfalten
Das Lächeln hoher Gunst verschwand.
Man pfeift zurück die tapfre Meute,
Schwer liegt auf uns des Lerren Land.

Die teutschen Mannen, die uns stützten,
Die stolze Phalanx wankt und weicht,
Sobald sie wahrnimmt, daß dort oben
Die gold'ne Gnadensonne bleicht.

Die Lerzen, die noch eben lohte»
Begeist'rungsvoll rings um uns her,

Sie fielen klanglos in die Losen:

Des Volkes Seele kocht nicht mehr.

Wir aber schrei» aus tiefsten Nöten:
Lerr, nimm von uns den schweren Bann
And laß uns arme Lunde wiffen.

Womit man dich versöhnen kann!

Laß wieder deine Gnade leuchten
Aus uns herab durch Nacht und Graus,
Dann raufen wir mit flinken Länden
Geschwind de» Keim des Anheils aus! I.s.

Religionsunterricht.

„'Also, du fauler Schlingel, kannst nicht mal
die heiligen zehn Gebote behalten??
Was willst du denn da bloß später im Leben
anfangen, wo du jeden Paragraphen im Reichs-
strafgesetzbuch kennen mußt?!"

„Jcl weetz jar »ich, wat se immer an die Krieger-
veretne'rum hohnigeln? Et is doch janz jemütltch!
Wenn wat los is, jibt's frei, — von wegen Spallicr
un so. Und dann der Verkehr mit die Herren Off'ziere!
Heute noch hat mein oller Hauptmann einen sor mir
ansjejeben und >nir„Du"jenannt; meine Tochter hat'n

Kind von'n Leutnant-na, ick meine: mehr kann

man doch ntch verlangen!"

Fiat justitia.

Der königlich preußische Untertau Theodor
Pechvogel ist beim Passieren einer Straßenecke
zivischen eine wilde „Hatz" geraten, die ein
Schutzmann und das liebe Publikum hinter
irgend einem Gauner her veranstaltet haben.
Dabei wird er von der Menge niedergerannt,
und im nächsten Augenblick fühlt er auch schon
die Folgen einer kleinen Personenverivechslung
des allezeit tatenlustigen Polizeisäbels. Wut-
entbrannt läuft er zum Arzt lind läßt sich be-
scheinigen:

„. . . daß es durch den recht kräftigen Hieb
z>l einer lebensgefährlichen Verletzung hätte
kommen können, ivenn nicht die ungemein
dicke und harte Schädeldecke des pp. Theodor
Pechvogels erfolgreichen Widerstand geleistet
hätte."

«Theodor Pechvogel geht mit der Bescheini-
gung z>l einem Rechtsanwalt; und dieser reicht
sie einem königlichen Polizeipräsidium ein, mit
dem Verlangen, die Kurkosten und den ent
gangenen Verdienst zu ersetzen.

Zwei Tage später war die Bescheinigung
beiin Staatsanwalt, zugleich mit dein Ersuchen
eines königlichen Polizeipräsidiums, gegen de»
pp. Theodor Pechvogel „auf Grund beiliegen
den ärztlichen Attestes" die Anklage wegen
„Widerstandes gegen die Staatsgeivalt" ge
neigtest zu erheben.

Der Diamant.

flu ihrem Singer glänzt ein Diamant
Und glänzt und leuchtet durch den dumpfen Saal.
Uon seinem harten, feingeschliffnen Rand
trifft mich ein lichter, farbenreicher Strahl.

Ich fing den Strahl mit meinen Blicken auf,

So hell er war, er war so kalt wie Gis.

Einst lockte er so hell und kalt zum Kauf,

IDau kaufte ihn und feilscht' nicht um den Preis.

Der Preis?! - Zwei Augen schauen matt und müd.
Gs gibt ein herz, das Liebe nie gekannt.

Gin Menschenleben, das im Cenz verblüht.-

flu ihrem Singer glänzt ein Diamant. r.n.
 
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