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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0030
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-L- Der Protest.

hinweg die alte lllaffenschmach —
Erklang? in echtem Grimme,

Und Millionen riefen'? nach
Mit jugendheller Stimme.

Und alle Kerzen schlugen schnell
Uird alle Augen brannten:
wir protestieren laut und hell,
wir neuen Protestanten!

hinweg die Macht des Trugs und Scheins
Und fort das Recht der Sporen!

Denn ivir sind alle, alle eins,

Die wir Pom Weib geboren.

Und ist auch unser Kittel schlecht
wer so wie wir gedürstet
Uach Wahrheit, Freiheit und nach Recht,
Der ist schon längst gefürstet!

Und schickt ihr eure Büttel her.

Und werden eure Uerker

von wackren Uämpsern nimmer leer —

Der Geist, der Geist ist stärker!

Die Worte flattern weit und dicht
wie Winterflockentreiben.

Und was auch eure Weisheit spricht,
Das Reich muß uns doch bleiben.

wir wollen nicht, ein feiges Heer,
Mühselig weiter wandern,

An Rechten leer, an Lasteil schwer,

3um Spott und Qolm der Andern
Soweit der deutsche Himmel blaut,
viel Helle Augen brannten:
wir protestieren hell und laut,
wir neuen Protestanten!

Liman.

Ich galt als Zierde, Ruhm und Stolz
Der bürgerlichen Presse,

Ich schrieb den schönsten Grünspanstil

Und hatt' die größte Fr-uchtbarleit auf

allen Gebieten der Journalistik.

War liberal, konservativ
And diente treu dem Blocke,

Ich konnte schreiben links und rechts.

Wie es geziemt dem Schm ——iegsamen Geiste,
der den Verhältnissen Rechnung zu tragen
weiß.

Leut' trat ich für Alldeutschland ein
Und morgen für den Briten,

Auf die Semiten schimpft' ich sehr.

Obwohl ich selbst besch—- eiben genug war,
von meiner Abstammung nicht zu sprechen.

Besonders aber war ich groß
In höfischen Skandalen,

And als Vertrauter hoher Lerrn
Pflegt' ich mich gern zu pr-inzipiellen Er-

örterungen über die bedeutendsten poli-
tischen Fragen herbeizulassen.

Doch als man vor Gericht mich jetzt
Zum Eid herangezogen.

Da kam's zutage — wai geschrien! —

Wie schmachvoll ich gel-ästert und in

meiner gewohnheitsmäßigen Wahrheits-
liebe verkannt worden war.

Nun hacken wütend auf mich ein
Die Rechte und die Linke,

Die Freunde, die mich sonst umschwärmt.
Behaupten, daß ich st — — andhaft, wie immer,
meinefestgegründeteÄberzeugung vertreten
habe.

Mit einem Fußtritt hat man mich
Jählings hinausgeschmissen.

Im Drecke sitz' ich armer Lund,

Zerprügelt und besch-äftigt, mir durch die

Dummheit meiner Zeitgenossen eine neue
Position zu schaffen. I. S.

Der starke Mann.

Habilitierung erzielt haben wird, ist seine Verwendung
im Staatsdienst wieder in Aussicht genommen. Doch
ist er nicht gewillt, sich zukünftig nochmals Len Kolo-
nien zu widmen, sondern beabsichtigt, sich um den Posten
eines Scharfrichters zu bewerben.

Wahlrechts-Glossen.

Der „Ttaatsanzeiger" veröffentlicht die Stiftung einer
Ariegsdenkmünze für sämtliche aktive Mitkämpfer der
letzten großen polizeischlacht. Sie ist wie die Lhina- und
Lüdwestafrikamedaille zu tragen und hat die Inschrift:
„Tertraudtenbrücke, \2. Januar J908. Das dankbare
Preußen dem siegreichen Säbel!"

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" nannte die
Lvahlrechtsdemonstration des Proletariats „künstlich ge-
macht". — Das brave Bülowblatt scheint von sich selber
auf andere zn schließen! t

Die konservativen Parteien arbeiten ein politisches
Lxerzierreglement aus, das Fürst Bülow auswendig lernen
soll, damit er stets weiß, was er zu tun hat.

Das preußische Wahlrecht ist das Aecht, daß man
wählen darf, wen man will — meinetwegen den Kaiser
von Lhina. Alles weitere erfährt der Untertan nachher
schon früh genug aus der Zeitung.

Bis ^8^8 hatte der preußische Untertan „das Maul zu
halten". Von da an darf er „reden". Aber es kommt wohl
auch noch mal so weit, daß er „was zu sagen hat"!

P.L.

Lakaienlied.

Aus dem im Verlag der „Freisinnigen Zeitung-
erscheinenden „Liederbuch der Unentwegten".

Ich bin Lakai und bin's aus Überzeugung!
Mit Selbstbewußtsein trag' ich die Livree.
Ein Künstler bin ich in der Rückenbeugung,
Ich bin Lakai vom Scheitel bis zur Zeh'.
Und werde ick geschlagen.

Ich will es gern ertragen!

Ob Püffe ich und Knüffe heimse ein:

Ich bin Lakai und will Lakai nur sein!

Dem Kanzler Bülow putze ich die Schuhe
And bin so froh, daß er mir das erlaubt;
Spuckt er mich an, so wisch' ich's ab in Ruhe,
Weil ein Protest mich der Livree beraubt.
Ich lass' mich ohne Zucken
Von meinem Lerrn bespucken.

Des Kanzlers Dienst willich mich treulich weihn:
Ich bin Lakai und will Lakai nur sein!

Der Kopsch, der Wiemer sind mir Kameraden
Und Fischbeck auch gehört zur Kumpanei;
Wie ich so tragen von des Kanzlers Gnaden
Mit Stolz Livree auch die berühmten Drei.
Wir wissen uns zu neigen.

Zur Erde uns zu beugen.

Wer dienen will, der muß geschmeidig sein:
Ich bin Lakai und will Lakai nur sein!

Der gute Äerr hat uns auch Lohn versprochen:
Die Junker, die bei ihm zu Gaste sind.

Die würfen wohl auch gnädig zu die Knochen
Dem tiefergebnen, treuen Lausgesind'.

Doch ob wir bettelnd lungern.

Wir müssen immer hungern.

Das aber darf vom Dienen nicht befrei'»:
Ich bin Lakai und will Lakai nur sein!

Dem Kanzler Bülow diene ich beflissen.

Ob auch zu hoffen weder Dank noch Lohn;
Und wird der Nachttopf mir am Kopf zer-
So trage ich die Scherbenfroh davon, sschmissen,
Und was man auch erfindet.

Womit man mich noch schindet.

Trifft mich ein Tritt in das Gesäß hinein:
Ich bin Lakai und will Lakai nur sein? gecunbuä.
 
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