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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0031
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5699

hobelfpäne. r©

Der Freisinn liebte den Junker,

Hcitt' gerne mit ihn: sich vermählt;

Der aber hat das verwandte
Schwarze Zentrum erwählt.

Der Junker kokettierte
Schon längst mit den> Zentrumsmann
Und wirft sich ihm ganz in die Arme.

Der Freisinn ist übel daran ...

Es ist eine alte Geschichte
Doch bleibt sie für Deutschland stets neu —
Wir aber stehen schmunzelnd
Als lachender Dritter dabei!

Zur gleichen Zeit, als Bülow im preußischen Landtage jede Wahl-
rechtsverbesserung kurz und bündig verweigerte, beriet der deutsche
Reichstag still und ernst über „Vogelschutz". — Aber „Vogelschutz"
war im Grunde auch Bülows Rede! Der Scharfsinn des Lesers wird
gleich erraten: welchen Vogels? Er sieht schwarz und struppig aus,
hat einen hungrigen Schnabel und ivird viel abgebildet.

Wir brauchen Junker, ich seh's ein,

Sie würden uns bedenklich fehlen;

Es wollen doch geschunden sein
Die liberalen Sklavenseelen.

Schreit nicht so ob der Teuerung
So spricht der fromme Büttel,

Traktätchen und Schmachtriemen sind
Dagegen gute Mittel,

Und habt ihr durchgehungert euch.

So kommt ihr in das Himmelreich.

Der Liberalismus, lange genug am Narrenseil herumgeführt, ist
von seinem „Herrchen" iin Stich gelassen worden. Hoffentlich kommt
er nun auf den allein richtigen Gedanken, sich an besagtem Seile
aufzuhängen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Mau Kanu es üer preußischen Regierung nie recht machen.

Am 25. Januar 1907 wurde auf dem Schloßplay i» Berlin der Wunsch laut
»ach „mehr Volk!" — Als das Volk am 12. Januar 1908 in gröberer Anzahl an-
rückte, war es lvieder nicht recht — es wurde in der liebenswürdigsten Weise
wieder nach Haufe geschickt.

Der üeHoricrte frafmnsmann.

So bin denn doch vergeblich nicht
Schuhputzer ich geworden:

Hurra! Das Trinkgeld blieb nicht aus,
Ich habe meinen Drden!

Hab' Dank, Hab' Dank, du gnäd'ger Herr!
Dir will nunmehr in Treuen
Ich voll und ganz und unentwegt
AU meine Kräfte weihen.

Siie werd' in deinem Dienste ich
Ermatten und erlahmen:

And lacht mich ganz Europa aus —

Ich kann nicht anders! Amen. I. s.

Zeitgedicht.

Das ist die Zeit der Banderolen,

Die man so schön besteuern kann
Und daraus Millionen holen
Vom gutgezognen deutschen Mann.

Und eine Banderole legen —

Gebt acht, der Fiskus ist nicht faul! —
Wird man ihm bald von Staatswohls wegen
Mit viel Geschicklichkeit ums Maul.

Die hat er schweigend zu versteuern —
Dann ist das Ideal erreicht
Und ein Finanztriumph zu feiern,

Vor dem die .Konkurrenz erbleicht.

Splitter.

Herr Sello hat für Peters geweint —
Es lachten drob im Nile
Und wälzten im gelben Schlamme sich
Die ältesten Krokodile.

Lieber Jacob!

Jottseidank, ick lebe noch! Allerdings kann
ick et nich leijnen, daß det „besonnene nn
taktvolle Verhalten" der Pollezei am roten
Wahlrechtssonntag ooch mir beinahe einijc
Faustschläge un Säbelhiebe injetragen hätte —
aber de Hand des Allmächtijen muß woll
ieber mein teires Hallpt jeschwebt haben: et
jing allens an de Hutkrempe vorbei un ick je-
langte mit heile Knochen zu Muttern retour.

Aber merkwirdig war et doch! Wie wir
mit den Zug dicht bei de Jertraudtenbricke
kommen, da sehe ick lieben mir so'n kleenet,
dicket, krümmet Jemüse mit'n Pelzkragen un
'ne Ziehjarre in de Futterluke un 'ne ivohl-
habende Kümmelneese un 'n blanken Wichs-
topp uff de Kohlrübe, un ick denke mir: wat
is denn det for'n Jeist? Der war doch sicher
nich bei Buggenhagen mit mang? Un in dem
Arjwohn, det ick villeicht jar mit'n Spitzel
oder 'ne fonstije iebelriechende Staatsstitze
det Verjniejen habe, frage ick ihm uffmunternd:
„Sie, Herr Nachbar, Se haben sich woll in
de Hausnummer jeirrt?" „Nee", sagte er, „ick
bin schon richtig; meine pollitesche Jberzei-
jung neetigt mir zu diese Kundjebung nn
außerdem hat mir der Sanitätsrat Bewejung
verordnet, von wejen de Hämorrhoiden."
„Ooch nich übel", entjejne ick, un inzwischen
sin wir uff de Bricke anjelangt un der Spek-
takel jetzt los. Wie nu mein Dicker de berittnen
Schutzengel mit de entbleeßten Racheschlverter
un de uffjerissenen Mäuler sieht, fällt ihn
laut un vernehmlich det Herz in de Hosen un
er fragt mir zitternd, wat denn cejentlich los
is uil woso se ihm nich vor't Schloß lassen
ivollen, damit er seine Huldigung wejen de
entjejenkommende Haltung der Rejierung in
de Wahlrechtsfrage an allerheechster Stelle

niederlejen könne. „Dunnemals in de Wahl-
nacht waren wir doch ooch alle dort," jammert
er janz verstecrt, „un et war so scheen, un
ivir haben jejohlt un jesungen un von'n Bal-
kon lvurde 'n Jedicht ufsjesagt! Wo bin ick
denn hinjeraten? Ick denke, dies sin de natjo-
nalen Handlungsjehilsen, die ivieder vor 't
Schloß ziehen, un da meente ick lvejen meine

Hämorrhoiden-", un mit eenmal fängt

er janz laut an „Heil dir im Siejerkranz" zu
singen und schwenkt seine Angströhre un brüllt
Hurrah. Aber et war zu spät. Wir waren
schon mitten mang det „besonnene Verhalten"
jeraten un de Säbelhiebe fiffen uns um de
Ohren. Zurück jing et nich wejen de ahnungs-
los nachdrängende Masse, un vorne ivalteten
de „Taktvollen" ihres Amtes. Un eh' ick mir
versah, hatten se meinen Dicken ooch schon
in Arbeet. Een Blauer wammste ihm eens
mit de Faust über'n Riechkolben un 'n zweeter
kriegte ihn bei't Jenick un beferderte ihn uff
de Wache. Er war jerade bei'n dritten Vers
von de Nazjonalhymne, wie se ihm Mitnahmen.

Mir is, ivie jesagt, nischt iveiter zujestoßen,
un meinen Fremd Edeward, der neben mir
marschierte, ooch nischt. Aber det jrausame
Schicksal des liberalen Blockbruders hat uns
beede doch tief erschittert jehabt. Freitag in't
Abjeorntenhaus von Bülow'n 'n moralischen
Fußtritt uff'n Hintern, un Sonntag von de
niederen Pollezeiorjane ieber 'n Zinken jehaun,
det de Funken spritzen — un det allens in
dem Oogenblick, ivo man sich als Lohn for
demietijes Wohlverhalten bereits uff 'n paar
Ministerposten jespitzt hatte! So jetzt et den
Block, un det soll uns alle 'ne Warnung sind!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'u Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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