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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0150
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5818 —

Die preußischen Wahlen.

Sie weigern euch die Menschenrechte,
versagen Rüstung euch und wehr
Und fordern frech dann zunr Gefechte
heraus das waffenlose Heer.

Sie weinen, daß es nicht gelinge,

Daß ihr vergeblich sie berennt,

Die Trutzburg aller Finsterlinge,

Das xreuß'fche Junkerparlament!

Ist dreifach auch das Tor verrammelt,
Dräut dreifach Mauerring und wall:
Sobald ihr eure Scharen sammelt,
Bringt ihr die Feste doch zu Fall!

Die Fundamente, die es trugen,

Das Schandgebäu aus Lug und wahn,
Lrkrachen, morsch in allen Fugen,

Die Bresche klafft — frei ist die Bahn!

Im Frühwind flattert die Standarte:

Nun vorwärts, rotes Bataillon,

Nun walk' die wetterharte Schwarte
Dem Lindgewürm der Reaktion!

Das euch gebüttelt und geknebelt,

Das euch betrogen und beraubt —

Nun zwingt zu Boden es und säbelt
Vom Rumpf ihm das gefräß'ge Haupt!

Frisch in den Kampf, und rastet nimmer,
Bis Sieg euch ward und Siegesxreis,

Bis ihr in die feudalen Trümmer
Gepflanzt der Freiheit junges Reis,

Bis euer Volk ihr aus den Banden
Der Junkerherrschaft habt befreit,

Daß endlich weht in Preußens Landen
Der Lenzsturm einer neuen Zeit! 3.s.

Der freirinn.

(na* Uljlanü.)

Zch bin ein gar so armer Mann
Und gehe ganz allein,

Und dünner wird's von Tag zu Tag
Zn meinen dürft'gen Reih'n.

AU' meine Grundsatz' opfert' ich
Und sonst noch mancherlei,

Brach auf den Wink des Kanzlers gern
Das Rückgrat mir entzwei.

Blamiert' bis auf die Knochen mich
Zm Dienst des heil'gen Blocks
Und spannt vor den feudalen Pflug
Mich als geduld'ger Dchs.

Der Junker Weizen seh' ich blüh'n,
Hör' ihr Triumphgeheul —

Mir aber ward als Dank und Lohn
Lin Tritt vor's Hinterteil.

Und dennoch fühl' das Herze ich
Bon stiller Lust befeelt,

Für die dem roten Nörgler nun
Mal das Verständnis fehlt.

Zuweilen lädt zum Abendbrot
Mich feine Durchlaucht ein,

Und lieblich blinkt im Knopfloch mir
Lin rotes vögelein;

Und kommt die Zeit der Landtagswahl
Darf aus den heißen Kohlen
Wohl für die allerfeinsten Herrn
Zch die Kastanien holen!

Der liebe Gott in Verlegenheit.

Es war wirklich eine ekliche Situation, aus
der Gott Vater selber sich nicht herauszuhelfen
wußte: Fürst Phili hatte bei ihm geschworen,
das heißt er hatte ihn zum Zeugen der Wahr-
heit angerufen. Später taten zwei andere
dasselbe, — was sie ausgesagt hatten, war
aber genau das Gegenteil gewesen.

„Du Petrus," sagte Gott Vater zu seinem
getreuen Türhüter, „wem soll ich da eigentlich
Folge leisten?"

„Hast du denn etwas gesehen?" fragte
Petrus.

„Nee, — bei so was schau ich gar nicht zu.
Ich werde in der Sache überhaupt keine
Ladung annehmen und einfach die Aussage
verweigern!"

„Gib nur acht," warnte Petrus, „daß der
Staatsanwalt nicht gegen dich das Zeugnis-
zwangsverfahren einleitet! Es steht zuviel
auf dem Spiele."

Der liebe Gott brummte etwas in den Bart,
aber mit seiner guten Laune war es für einige
Zeit vorbei. M. E.

De sächs'sche Wahlreform.

Als Sachse bin ich selbst-
verschdändlich Helle,
Als Sachse bin ich wie
äLemmchen fromm,
AlsSachse bin ich mid
ä dicken Felle
Als eenzge Schutz-
wehr uff de Weld
gegomm.

Nur iwiver eens
gann ich mich heem-
lich härm

Drotz meinReschbekd
vor jeder Aneform,
Nur eens, das liegd wie Blei mer in Gedärm,
An dieses eene is — de Wahlreform.

An mein Berschtande wer ich langsam erre.
Ich gann mei Dagebladd nich mehr verdaun.
Nee, is Sie des ä Lin- nn Hergezerre,

Mr weeß nich, was geschdochen un gehaun!

Wie lang se schon an den Gesetze gorksen
Mid Ausgefeimdheed, Zähiggeed un List!

An schließlich wern se's dergeschdald vermorksen.
Daß geene Gerwersau die Mährde frißd.

De Abgebriedsten Hamm de greeßden Glabben
An dun ans Graud als Märze änne Laus;
Ä jeder will ä Bordelchen erschnabben —
Am liebsten wärsche», 's würde gar nischd draus!

Briehsiedenheeß werd Sie mersch alle Dage,
Anichverzwadschleschließlichgansbeschdimmd;

Mr Hamm Sie wörklich änne beese Blage
Mid diesen Bandworm, der gee Ende nimmd.

Es is mer nich gegäm, mich uffzuregen,
Denn friedlich is un harmlos is mei Sinn,
Doch jammerd mich's gerade desterwegen,
Weil ich ä dreier sächscher Bürger bin.

Phili.

Die preußische Justiz sogar

Ist manchmal unberechenbar.

Du hattest ihr zu fest vertraut —

Nun siyst du da und jammerst laut.

Man schleppt dich mit Gewalt, oh weh!

Vom Starnberger zum Plötzensee.

Jetzt hilft — das ist der Weisheit Rest —

Nur noch ein ärztliches Attest. 3. e.

Ein Tag des Anheils.

Der 7. Mai des Jahres 1908 wird ein für
alle Zeiten denkwürdiges Datum bleiben.

An diesem Tage machten sich im ganzen Deut-
schenReiche die beunruhigendsten Erscheinungen
geltend. Die Sonne verfinsterte sich zu wieder-
holten Malen, Meteorsteine stürzten hernieder
und töteten harmlose Wanderer, die Kühe
konnten nicht kalben und die Schweine warfen
gefleckte Jungen. Die Natur schien in wildem
Aufruhr. Aus vielen Gegenden wurden starke
Erdbeben gemeldet. Beim Großhofbauern in
Unterflaxing trug der Sturm einen Heuschober
davon und die Stalldirn bekam vor Schreck
eine Frühgeburt.

Erst als am nächsten Tage die deutschen
Bundesfürsten in ihre Residenzen zurückkehrten,
traten wieder geordnete Zustände ein_ Ei.

Offerte.

Nationalliberale Urwählerstimmen sind, so-
lange der Vorrat reicht, bei der preußischen
Landtagswahl unter vorteilhaften Bedingungen
abzugeben. Beim Massenbezug bedeutende
Preisermäßigung.

Die staatserhaltenden Patrioten
des Wahlkreises Memel-Heydekrug.
 
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