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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0151
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5819

„So dreckig wie diesmal war sie noch nie."

ftobelfpätie.

Wohl eine glorreiche Zukunft darf
Deutschland nunmehr erwarten;

Wir haben jetzt an Schulden bald
Erreicht die fünf Milliarden.

Und wenn wir nur ein paar Jährchen noch
Uns wollen gütigst gedulden.

Bekommen wir in der ganzen Welt
Die allermeisten Schulden.

Dann kommt bei uns zuerst der Krach
Trotz dem „soliden" Preußen,

Denn „Deutschland in der Welt voran!"
Muß es zu jeder Zeit heißen.

Die Anwesenheit sämtlicher deutscher Bundesfürsten auf öster-
reichischem Boden verursachte dort begreiflicherweise großes Aufsehen.
Ein Mann, der durch die Straßenabsperrungen in seinen Geschäften
gehindert war und deshalb von „lästigen Ausländern" sprach, wurde
verhaftet. « „ »

Dem Fürsten Philipp Eulenburg wird, sobald er wieder auf freiem
Fuß ist, eine führende Stellung in der deutschen Mittelstandsbewegung
angetragen werden, da er sich als ein warmer Freund des Hand-
werks erwiesen hat. » , *

Dernburg geht jetzt zuerst nach der englischen Kapkolonie und dann
nach Deutschsüdwestafrika. In der Kapkolonie will er nachguckeu, wie
rohe Diamanten aussehen, damit erin Deutschsüdwestüber keinen stolpert.

Die Feuerbestattung ist auch für die Erben günstig; selbst der
Ärmste hinterläßt noch etwas Asche.

Die Post nimmt es mit ihrem Dienst peinlich genau. Sogar zwischen
ihrem Personal duldet sie keinen, dessen Gesinnung nicht — abge-
stempelt ist! » . •

Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Bei einer Durchlaucht
muß aber erst in Korfu angefragt werden, ob's wirklich wahr ist!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Endlich grundsatzlos.

„Als wir unsere früheren Grundsätze noch hatten ..."

Abg. Mugdan im Reichstag.

Der Mugdan ist ein wackrer Mann;

Er sagt die Wahrheit dann und wann.
Der Mugdan.

Er sagt die Wahrheit nackt und bloß:

Der Freisinn ist jetzt grundsatzlos I
Der Mugdan.

Der Mugdan ist ein Äskulap:

Er trieb schon viele Würmer ab
Dem Freisinn.

Er gab ihm viel Mixturen ein
And machte ihm die Därme rein.

Dem Freisinn.

Als dann gelungen diese Kur,

Da machte ihm noch Kummer nur
Das Rückgrat.

Zwar war es biegsam und gar schwach
Doch immerhin ein Angemach,

Das Rückgrat.

Der Freisinn kriecht gern hin und her;
Der Rückgratrest macht doch Beschwer
Beim Kriechen.

Drum fort damit, der Mugdan spricht;
Ein Rückgrat braucht der Freisinn nicht
Beim Kriechen.

Mit Messer und mit Säge schafft
Der brave Mann der Wissenschaft,

Der Mugdan.

Der letzte Wirbel muß heraus.

Man kommt auch ohne Grundsatz aus.
Sagt Mugdan.

Lurra! Jetzt kriecht er ganz famos!

Den letzten Wirbel ist er los.

Der Freisinn.

Ein Kriechtier nie ein Rückgrat braucht!
And grundsatzlos der Freisinn kraucht.

Der Freisinn! Sccundus.

Lieber Jacob!

Wie debirjerlichenZeitungen erzählen, haben
nach jenaue pollezeiliche Feststellungen in dieset
Jahr sich man bloß noch dreißigdausend Ber-
liner Arbeeter an de Maifeier beteiligt. Jn't
vorigte Jahr waren et noch vierzigdausend un
in't vorvorigte fuffzigdausend. Wenn bet so
weiterjeht, denn wird ja nu ieber drei Jahre
ieberhaupt keen Berliner Arbeeter nich mehr
mitmachen un denn hat also der erste Mai nach
jenaue pollezeiliche Feststellungen sein amtlichet
Ende erreicht. Merkwirdig is man bloß, det bei
dieset jleichjiltige Bajatellereignis de Pollezei
noch immer sonne jewaltigen Heerscharen von
Schutzjeister uffbietet, um dem Staat vor dem
drohenden Umsturz zu bewahren. Det muß doch,
scheint mir, 'ne sehr wackelige jesellschaftliche
Ordnung sind, die vor 'ne Handvoll feiernde
Arbeeter, die außerdem noch jedes Jahr kleener
wird un bald jänzlich verschwinden muß, schon
in't Mauseloch kriecht! Oder firchtet de hohe
Obrigkeit villeicht, det de heilige kapitalistesche
Jesellschaftsordnung am Ende doch noch schnel-
ler alle wird, als wie det sozialdemokratische
Maifest? Villeicht jibt et dadrieber ooch jenaue
pollezeiliche Feststellungen?

Wat de preißische Justiz is, die scheint sich
oogenblicklich in 'ne sehr belämmerte Situazjon
zu befinden. Ebent stand se noch janz jroß
un erhaben da, un nu is allens jelogen gewesen,
Eulenburg soll sehr beese sind uf seinen je-
schäftsfiehrenden Privatstaatsanwalt Jsenbiel.
Der Mann hat ja dem besten Willen jehabt,
aber de Fähigkeiten reichten ebent nicht aus.

Et war 'n unverzeihlicher juristischer Fehltritt,
det er die beeden Starnberjer Zeijen nich in
de Berliner Jerichtsverhandlung hat zu Wort
kommen lassen. Wenn se da ihre Aussagen
gemacht hätten, denn wären se wejen Meineid
prompt un jlatt vom Fleck weg verhaftet un
der janze heechst unangenehme Skandal wäre
vermieden worden. Nu sitzt Seine Durch-
laucht in'n Wurschtkessel un weeß nich, wie
sie aus die peinliche Lage wieder 'rauskommen
soll.

Sonst jeht et mir jut. Neilich kriegt ick so-
jar 'n Traktätchen zujeschickt, det 'n Berliner
Stadtmissionar verfaßt hat un wodrin erzählt
wird, det der fromme Mann bei seine Besuche
in unjleibije Familjen immer 'n kleenet Jeschenk
mitzubringen pflegt. Det erstemal Kuchen, det
zweetemal frische Eier, det drittemal andere
Lebensmittel. Meine Olle setzt mir nu immer
mit Jewalt zu, ick soll dem Liebling des Herrn
ooch bei uns inladen; for de notwendije Un-
jleibigkeit können wir Jarantie leisten un an-
jesichts der herrschenden Teierung wäre 'n
kleener Zuschuß in de Wirtschaft janz anjenehm.
Wenn wir villeicht mit mehrere Heilije zu-
jleich anbändeln könnten, meent meine Olle,
denn würden wir 'ne Masse Jeld sparen. Aber
ick jraule mir zu sehr vor dem Verkehr un
kann mir nich entschließen — trotz den chro-
nischen Dalles un den finanziellen Dilemma,
in den ick mir befinde. Wenn alle Stricke
reißen, bejebe ick mir lieber während de be-
vorstehende Wahlzeit nach Memel, wo mit
pollitesche Jberzeijungstreie uff staatserhal-
tendem Jebiet 'ne schwere Menge Jold soll
zu verdienen sind.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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