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-—. 6059

M Sozialpolitik. e©

„Mehr Verhaftungen, mehr Verhaftungen, meine Herren, so können wir
am besten dem dummen Geschrei von der Arbeitslosigkeit entgegen arbeiten!"

<ss ftobelfpäne. ts>

Jawohl, er war gekommen,

Den jetzt man erst erkennt.

Der tausendmal ersehnte
Historische Moment.

Von heißem Flanimenodem
War Land und Volk durchwallt,
Und nur in seinem Saale
Der Reichstag, der blieb kalt,

O gutes Volk, nun bist du
Genügend doch belehrt,

Daß Deutschland dem Philister
Auch heute noch gehört.

Zur Weihnachtszeit kriegt das „Christkind i»> Himmel" viele fromme
Wünsche, daß es was schicken soll. Aber noch viel innigere Gesuche
erhält der Teufel, daß er wen holen soll!

Was machen denn die Blätter
Darob so viel Geschrei,

Weil jüngst den Schönheitsabend
Verbot die Polizei?

Denn, will der Deutsche haben
Ästhetischen Genuß,

So gibt's bei uns des Schönen
Ja sonst im Überfluß,

Schaut an die Pickelhaube
Und lobt, wie sich gebührt,

Wie sie den deutschen Schädel
Veredelt und verziert!

Während der Festtage wird überall billiger Hasenbraten zu haben
sein, weil sich in letzter Zeit der monarchische Kater so unheimlich
vermehrt'hat. * , *

Gibt es wohl einen Teufel? Jetzt schwindet jeder Zweifel:

Drob war der Streit stets groß: Im Orient ist er los!

Man sollte nie sagen, daß ein Staatsmann am Amte klebe. Es
kann auch sein, daß das Amt an ihm klebt!

Ihr getreuer Säge, Schreiner,

TDicbels Weihnachtstisch.

OUeibnad)ten kam. Mit sinnigen präsenten
Erscheint lies Michels hode Gonnerschar;
lllornit den Liebling sie erfreuen könnten
Und was ihm gut tut, reichen sie ihm dar.

Der Brave blickt verlangend nach den Sdtätzen,
Die ihm das Christkind dieses Jahr beschert —
Und er erkennt mit steigendem Entsetzen
Das Jüllhorn, das man über ihm entleert.

Die Dichter funkeln, froh ertönt die Schelle,

Und siehe da, schon tritt adrett und prompt
Der gute Kanzler über seine Schwelle
Und überreicht, was ihm vor allem frommt.
Dass bald erscheint die neue Morgenröte
Und in Erfüllung geht sein schönster träum —
hängt die Zivilliste er, die erhöhte,

Und eine Sparbüchse ihm an den Baum.

ln Ordensschmuck und höfischem Ornate
Bringt unsres Blockes stolze Heldenschar
Ihm in Ermanglung andrer Resultate
Ein Riesenbündel schöner Phrasen dar.

Mit neuem Lebensmut ihn zu befeuern,

Ihn zu erhalten flott, fidel und frisch,

Stellt Sydow einen Blütenstrauss von Steuern
Dem Hochbeglückten auf den Weihnachtstisch.
Osteibiens ]unker legen ihm die straffe,

Die heilsam zügelnde Kandare an,

Ein Schlummerpulver überreicht der Pfaffe,
Damit der Michel ruhig träumen kann;

Die sorgliche Justiz fügt eine Kette
Um flrm und Bein und Kopf und Herz dazu,
Und von erlauchter, gnadenreicher Stätte
Beschenkt man ihn mit einem Interview. —

Das sind die Gaben, die sie an dem stillen
Rochbeil'gen weidetest ihm dargebracht!

Doch seine wahren wünsche zu erfüllen,

Dran haben diese Gönner nie gedacht,
wonach er ringt und strebt vor allen Dingen,
wonach des Herzens heisses Sehnen drängt:
Das muss er sich erkämpfen und erzwingen —
Davon, JreundlDidrel, wird dir nichts geschenkt!

Der Bürgentmfter von Bpzanz.

Wehe, was in diesen Tagen
Sich der Umsturz spreizt und bläht,

Und die Bürger alles wagen
Wider Seine Majestät!

Immer lauter, immer kühner,

Immer frecher wird die Brut —

Ach, und kein Alexandriner
Dämpft der Zrevler Uebermut!

Doch ein Trost darf uns nicht fehlen:
Aus dem Lhaos, wüst und wild,
Leuchtet allen frommen Seelen
Rein und still ein Heii'genbiid.

Demut in den feuchten Blicken,

Auf den Lippen ein Hurra —

Also steht mit krummem Rücken
Äirschner vor dem Throne da.

Rieder mit dem Bürgertrutze!
Unentwegt und voll und ganz
Unter dieses Helden Schutze
Stehn die Mauern von Byzanz! J.5.

Lieber Jaeob!

Unbeirrt von de Jebertreibungeu der vater-
landslosen Presse bin ick der Meinung, bet der
deitsche Reichstag 'ne sehr anjenehme Tafel-
runde is. An unfern Stammtisch in de Destille
„Zum dreckijen Löffel" jetzt et ooch nich halb
so jemietlich zu. Wenn da eener den andern
krummer Hund schimpft, denn setzt et jleich wat
aus de Armenkasse, un bet nich zu knapp, ver-
stehste. Bei de birjerlichen Friehsticksbrieder
an'n Keenigsplatz aber kannste Dir, wenn De
Reichskanzler oder sonst wat Scheenes bist, jede
Dicknäsigkeit erlauben, ohne bet Dir wer in't
jeringste uff de Jlatze spuckt. Un rausjeschmissen,
wie bei UN? wird ieberhaupt keener nich, UN
wenn er no ) so ausverschämt ufftritt. Im
Jejenteil, wen Du se recht dumm kommst.

denn sind se verjniegt wie Bolle uff'n Milch-
wagen un zahlen Dir de janze Zeche, ooch
wenn se 'ne halbe Milljarde beträgt. Schade,
bet ick teerten Zutritt zu die noble Jesellschaft
habe; ick wirde se 'ne Menge zu Heeren jeden
un mir sehr wohl stehlen.

Unbeirrt von de Tatsache, bet bet Wasser
heitzutage sojar von staatlich besoldete Hexen-
meister mit de Winschelrute jesucht wird, also
doch woll 'n sehr wertvolles Nazjonaljut is,
hat der dicke Ortel irr sein Ajrarjermistblättchen
dem lebhaften Wunsch nach Besteierung von
Limonade un alle alkoholfreien Jetränke aus-
jesprochen. Det deitsche Volk sauft ihm näm-
lich nich jenug un er will et von seine Ver-
irrungen bekehren un mit Jewalt wieder zum
Junkerfusel zurückfiehren. Ick weeß ja nu woll,
det Örtel un seine notleidenden Boomochsen
ihre Fettwänste sehr ville Spiritus zusetzen
müssen - aber det Bedürfnis trifft doch nich
uff alle zu: Det deitsche Volk hat Jott sei Dank
ooch so noch Spiritus jenug un braucht ihm
nich in Flaschen zu koofen!

Unbeirrt von de staatliche Notwendigkeit, det
ooch det Nachts eener da is, der nach'n Rechten
sieht un det Maul uffreißt, haben se in de
posensche Weltstadt Schabda dem Nachtwächter
abjesetzt, un zwar nich, weil er zu laut je-
schnarcht hat, sondern weil er dem polnischen
Volksverein anjeheert. Ick wundre mir ieber
diesem Schritt der Rejierung nich in't jeringste
un kann det Jeschimpfe der Nerjler durchaus
nich verstehen. Man muß doch ooch jewisse
Rickstchten uff de empfindlicheren Weichteile
der vaterländeschen Jesinnung nehmen, un ick
kann mir denken, dat et for'n richtijen all-
deitschen Patrioten 'ne sehr peinliche Sache is,
nach de Sedan- oder Kaiserjeburtstagsfeier
von'n polnischen Nachtwächter aus'n Rinnsteen
uffjelesen zu werden.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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