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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0007
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G075

Die Vorzüge deutscher Reichskauzlerkandidaten.

Der eine versteht sich auf's Händeküfsen, der andre auf den Cancantanz

und der dritte stellt seine Nase in den Dienst kaiserlichen Amüsements.

Deutsches "Volk, was verlangst du noch mehr!

nolielfpaue.r©

Wie auf dem äußern Erdenball
Nur Unrecht, Elend und Verderben,

Birgt auch ihr Jnnres nur Verfall,
Zerschinettrung, Unheil, Tod und Sterben.

Zerschmettrung, Unheil, Grubenbrand! —
Die Flammen sind nicht einzudämmen.

Das Unheil schreitet durch das Land:

Nicht Menschenmacht vermag's zu hemmen.

Ein Unstern steht am Firmament!

Es mehren sich des Unheils Zeichen
Die Erde zittert, bebt und brennt:

Wir schreiten über Blut >md Leichen.

Man lehrt jetzt die Affen sprechen. Wenn sie erst „Gehorsanrster
Diener!" sage», den Hut bis zur Erde schwenken und eine ent-
sprechende Verbeugung machen lernen, dann läuft mancher Spieß-
biirger Gefahr, unliebsame Doppelgänger zu erhalten.

Im Wirtshaus schreit der Spießer:

„So kann's nicht weitergehn;

Das Volk braucht seine Rechte,

Wir müssen drauf bestehn!" —

Man weiß, bei all dem Schreien
Kommt weiter nichts heraus.

Als daß stets einen Affen
Der Spießer bringt nach Haus.

Bis grimmig wird die Alte

Und faucht und schimpft und droht —

Dann geht's nicht mehr so weiter,
Potztausendschockschwer'not!

Die Menschheit fällt jedes Jahr von neuem auf das neue Jahr hinein!

Den Gläubigen mahnen die Kirchenglocken, daß ein neues Jahr
begonnen hat. Den Gottlosen mahnt die Stimme des Hauswirts.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Lalleluja!

Auf den Karollneninseln sind zwischen den katholischen
und evangelischen Eingeborenen blutige Streitigkeiten
entbrannt.

Was einst erhoben das Menschengemüt,

Als hell die Scheiterhaufen geglüht.

Das kommt den Deutschen bei uns zu Laus
Leider seit langem zum Äalse heraus.

Aber in unseren Sonnenplähen
Läßt sich dergleichen in Szene sehen!

Da kann man noch die Gluten schüren
Und herrliche Glaubenskriege führen.

Es soll ein jeglicher schwarzer Christ
Erfahren, was christliche Liebe ist.

Wenn sie einander das Leben verleide»

And gegenseitig die Lälse durchschneide».

Auf, Schwarze, strebt nach dem Paradiese
Und liebet den Nächsten nach der Devise:
„Willst du dich meiner Kirche nicht weihn,
So schlage ich dir den Schädel ein!" P. e,

Blockredakteurs Klage- und Trostlied.

Die Hofberichte werden fortan in gekürzter Form auSgegeben.

Wo uehin' ich armer Redakteur
Fortan das Lesefutter her?

Was sonst den dünnen, faden Brei
Der Zettungsspalten hat gewürzt.

Ist nun mit einem Schlag vorbei:

Der Lofbericht wird abgekürzt I

Wer liest mein Blatt noch fürderhin,

Steht nichts mehr von dem Losball drin?

Wie tief die Roben ausgeschnitten.

Wieviel man von dem Busen sah,

Und was der Lerr Lofpred'ger da
Bei solchem Anblick hat gelitten . . .

Doch etwas mildert heut mein Trauern:

Es wird nicht allzu lange dauern.

Dann klärt sich auf mein trüber Blick,

Es sorgt dann für Kultur-Verbreitung
Von neuem meine „Lof"-Rubrik.

. . Denn wozu liest man sonst die Zeitung??

Freisinniges Danklied an Schücking.

Der Husumer Bürgermeister Schücking hat, ohne den
thin von der Regierung aufgedrungenen Kampf zu Ende
zu fiihren, sein Amt freiwillig niedergelegt.

Run hat ein End' die schwere Rot,

Die uns so lang bedrückte.

Beseitigt stnd mit einem Schlag
Die drohenden Konflikte.

Vorüber ging der bittre Kelch
An uns getreuen Knechten,

In sichrer Scheide steckt daS Schwert:

Wir brauchen nicht zu fechten.

Rach mondelanger Angst und Pein
Und Sorge sind wir heute
Gestempelt als der Reaktion
Allzeit erprobte Meute,

Und dürfen wieder, wie vorher.

Mit ruhigem Gewitzen
Dem hohen Mintsterio
Juchhe! die Stiefel küssen:

Vor Freude jodeln Kämpf und Kopsch
" Und Wiemer planscht in Wonne;

Aus beiter» Löhe» lächelt uns
Des Kanzlers Gnadensonne. —

Drum sei bedankt, du wackrer Sohn,

Daß still du schlichst von dannen

Und glücklich aus der Klemme zogst

Des Freisinns tapfre Manne»! I. S.

Lieber Jacob!

Ick jratuliere Dir herzlichst zuin neien Jahr
un ooch zu Dein fünfunzwanzigsten JeburtS-
tag, den De gleichzeitig bejehst, un winsche Dir
ville Jlick! Meeje et Dir ooch fernerhin ininier
jut jehen un bet Wohlwollen der von Jott
injesetzten Obrigkeit Dir wie bisher erhalten
bleiben.

Et wird Dir woll ooch »ich entjangen
sein, wie de Beherden mit bet sie eijene ziel-
bewußte Flichtjefiehl bet Prinzip der Sparsam-
keit durchfiehren. Dein ersten Schritt hat natier-
lich de preißesche Rejierung jemacht, indem bet
se 'ne Verordnung losließ, wonach beiJewnh-

rung von Invalidenrenten in Zukunft janz
besonders sorgfältig un mit „peinlicher Je-
nauigkeit" verfahren werden soll. Denn et
>var dem Scharfblick der Obrigkeit »ich ent-
jangen, det in diese Hinsicht bisher 'ne janz un-
verantivortliche Verschwendung jetrieben wor-
den is. Det wird nu anders werden, un de
invaliden Proletarjer derfen in't neie Jahr
nich mehr, wie frieher, im Jolde planschen.
Du siehst: wat unsere Rejierung is, die merkt
immer jleich, rvo der Schuh eejentlich drückt,
un weeß, an welchem Ende de Wurscht an-
jeschnitten werden muß.

Ooch mit de preußeschen Landschulheiser soll
voll jetz an nich mehr so'n ausverschämter
Luxus jetrieben werden, wie bisher. Der
ajrarische Obernotleidende Wangenheim hat
bereits dadruff hinjewiesen. Un der Mann
hat janz recht. Ick las diese Tage von'»
Schulhalls in de Thorner Jejend, det so jroß-
artig ausjestattet is, det der Lehrer sich de
feinsten Lebens- un Jenußmittel direkt von
de Zimmerwände abkratzen kann, indem det
uff dieselben nämlich ausjedehnte Plantaschen
von de wohlschmeckendsten Pilzsorten jratis
un unentjeltlich ivachsen tun; un wo inan aus
de Wohnstube uff de bequemste Weise ohne
Treppe oder Fahrstuhl direkt in'» Keller je-
langen kann, ivenn man bloß 'n bißken feste
uff de Dielen ufftritt. So 'ne Prunkwirtschaft
>vird nu, wenn de altpreißesche Sparsamkeit
nach Wangenheim'n un Büloiv'n ihr Ajrajer-
herz durchjesiehrt is, nati erlich jänzlich uffheeren.

Diese vielversprechende Anfänge von de
»eiste Spar-Ära kennen natierlich von alle
staatserhaltende Kreise nur init rickhaltlose
Anerkennung bejrießt werden.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

au'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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