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6454

Wandlung.

Ein trüber Regentag! And trübe
And gallig schau ich selber drein.

Es frißt ein Schmerz an mir, als grübe
Ein Krallenpaar ins Lerz sich ein.

Was ist es wohl, das mich so düster
And mürrisch stimmt, mich, den die Welt
Der Rechenmenschen und Philister
Sonst gar für einen Leichtfuß hält?

Kam über mich mit finstren Schwingen
Die schreckliche Melancholie,

Mir dumpfe Weisen vorzusingen
Voll schwerer Weltschmerzpoesie?

Grau wie das graue Elend draußen
Dehnt trostlos sich des Lebens Pfad.

Freut euch des Lebens, ihr Banausen,

Mir scheint's nur albern, öd und sad.

Was plagt ihr euch, ihr armen Toren
Am Weib und Kind und Laus und Lerd?

O wohl mir, war ich nie geboren!

Ist solch ein Leben lebenswert?-

Der Geldbriesträger! Zwanzig Kröten?
Lurra das Leben! Le, juchhei!

Vor einem Goldstück schon ging flöten
Die gräßliche Melancholei!

Ich glaub', der Limmel hellt sich wieder.
Schön ist es auch am Regentag.
WieschwilltderBuschlWieprangtder Flieder!
Mag trauern heut, wer trauern mag.

Wie aber kam's, daß jetzt das Leben
Mir heiter scheint statt trüb und grau?

Das kam, weil sich geändert eben

Der ökonomische Anterbau. Richard Wagner.

Meine Einführung in den Verkehr
mit Geistern.

Zunr erstemnal in meinem Leben habe ich
neulich das Glück gehabt, mit der Geisterwelt in
Berührung zu kommen. Es ist zwar nicht alles
dabei nach Wunsch gegangen. Aber es war doch
ein wunderbares und erhebendes Ereignis.

Ich sitze also eines schönen Nachmittags im
Cafe, trinke nrein gewohntes Glas Melange
und lese gerade den Bericht über den Prozeß
gegen den Direktor der leider von Neidern
zugrunde gerichteten „Bombastuswerke". Ich
habe mich immer für alles, was mit Geistern
zu tun hat, lebhaft interessiert und war darum
in die Lektüre so vertieft, daß ich gar nicht
merkte, daß inzwischen ein Herr am gleichen
Tische Platz genommen hatte.

„Gott sei Dank," sagte ich unwillkürlich
halblaut, als ich am Schlüsse las, daß man

den Direktor von der Anklage des Betrugs
freigesprochen hatte.

Mein Gegenüber hatte mich offenbar schon
längere Zeit bei der Lektüre beobachtet und
wußte, was ich meinte.

„Ich bin ganz Ihrer Meinung, mein Herr,"
sagte er, indem er mit einer kleinen vornehmen
Neigung des Kopfes gewissermaßen die Be-
grüßung nachholte. „Wie konnte man da über-
haupt eine Anklage auf Betrug erheben, wo
die Wahrheit der Erscheinungen so zweifels-
frei für alle Beteiligten feststand?"

„Sie halten eine Täuschung für vollkommen
ausgeschlossen?" bemerkte ich in etwas fragen-
dem Tone.

„Vollkommen ausgeschlossen!" entgegnete er,
indem er inich mit einem festen langen Blick
ansah. Ich fühlte sofort, daß ich es mit einem
geistig bedeutenden Menschen zu tun hatte.
Diese großen grauen, durchdringenden Augen
unter der gebieterischen Stirn verrieten den
scharfsichtigen Lebensforscher. Eine magische
Gewalt ging von ihnen aus.

Mit etwas gedämpfter Stimme fuhr er fort:
„Ich bin nämlich selbst gewissermaßen Fach-
mann in diesen Dingen und verdanke dem
Geiste des großen Theophrastus Paracelsus
Bombastus schon manches unschätzbare Heil-
mittel."

Das interessierte mich nun mächtig. Ich
leide nämlich seit Jahren an einem höchst
schmerzhaften und ebenso genierlichen Übel,
das mich auch jetzt gerade wieder sehr quälte
und mich nötigte, meine Sitzfläche fortwährend
bald so bald so zu verschieben.

„Entschuldigen Sie, mein Herr," sagte ich,
„wenn ich Sie da in einer mir persönlich nahe-
gehenden Sache befrage: Halten Sie es nicht
für möglich, auf diesem Wege ein zuverlässiges
Mittel gegen Hämorrhoiden zu erlangen?"

„Gewiß ist das möglich," erwiderte er, und
wieder ruhte sein scharfer Forscherblick aus
mir. „Und wenn einer Ihnen helfen kann, so
ist es Bombastus."

„O," sagte ich freudigst bewegt, „gestatten
Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle: mein Name
ist Dösing, Kanzleirat irrt Kultusministerium.
Ich leide wirklich sehr unter diesem Übel.
Alles, was ich bis jetzt versucht habe, war
vergebens, selbst die teuersten Mittel, die nach
den Versicherungen der Inserate und nach den
beigelegten Zeugnissen Tausenden geholfen
haben, haben bei mir versagt. Sie würden
mir daher einen sehr großen Dienst leisten,
wenn Sie sich um meinetwillen bei dem Geiste
des Bombastus bemühen wollten."

Professor Schwendlir — so hatte er sich bei
meiner Vorstellung mit einer kurzen Verbeugung

genannt — machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Häinorrhoiden," meinte er, „sind eine indi
viduelle Krankheit, das heißt, sie haben bei
verschiedenen Personen ganz verschiedene Ur-
sachen. Deshalb hilft natürlich nicht jedes
Mittel bei jedem. Zuerst müßte also festgestellt
werden, welches die spezifische Ursache Ihres
Leidens ist. Zu diesem Zweck müßte der Geist Sie
persönlich sehen. Dann würde er sicher auch
das richtige Mittel gegen das Leiden angeben."

Die Vorstellung, in so nahe Berührung mit
einein Bewohner der jenseitigen Welt zu kom
men, war mir doch etwas unheimlich. So sehr
ich mich für den Geisterkult interessierte, so
hatte mich doch immer eine geivisse anerzogene
oder ererbte Gespensterfurcht abgehalten, mich
praktisch an derartigem zu beteiligen. Aber
hier galt es, sich als Mann zu zeigen. Um
das quälende peinliche Leiden los zu werden,
mußte man auch etwas wagen. So erklärte
ich mich denn bereit, mich persönlich dem Geist
zu stellen.

Dann bliebe nur noch ein Bedenken, meinte
daraufhin der Professor. Er selbst habe Bon:
bastus schon seit längerer Zeit nicht mehr zitiert.
Der in allen geheimen Wissenschaften ausge
zeichnete Mann habe sich während seines Erden-
daseins auch viel mit der Goldmacherei ab-
gemüht. Diese Leidenschaft hänge ihm, wie
es schiene, immer noch an. Darum verlange
er immer Gold, so oft man ihn zitiere. Das letzte
Mal habe er nicht weniger als fünf Zwanzig-
markstücke nacheinander hinlegeu müssen, be
vor sich Bombastus bereitgefunden habe, einen
Spruch von sich zu geben. Er sei kein reicher
Mann und wolle als Gelehrter auch keine ihm
nicht anstehenden Geschäfte machen. Darum
habe er den Geist des Bombastus seitdem in
Ruhe gelassen.

Ich verstand und würdigte durchaus den
Standpunkt des vornehm denkenden Mannes:
Auch für mich waren hundert Mark kein Pap-
penstiel. Aber jetzt gerade fühlte ich wieder
ein so heftiges Brennen und Bohren an dem
zum Sitzen so unentbehrlichen Körperteil, daß
mir auch diese Summe nicht zu hoch schien
für die Befreiung von der infamen Qual.

„Ich will gern hundert Mark opfern, wenn
ich die Sache los werde," entgegnete ich, „und
je eher desto lieber. Mein ganzes Leben lang
werde ich Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir
von dem Übel helfen."

Auf diese Erklärung hin lud mich Professor
Schwendlir ein, ihm gleich in seine nahe-
gelegene Wohnung zu folgen, da vornehmere
Geister die Dämmerstunde als Erscheinungo-
zeit der gewöhnlichen Geisterstunde vorzögen.

Fortsetzung auf Sette 4656
 
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