Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0390
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6458

Zum Schnaps-Boykott.

Lied des sächsischen Konservativen.

Es, es, es und es.

Es ist ein harter Schluß,

Daß meine schöne Majorität,

Die schon seit Anno I besteht.

In Stücke gehen muß.

Der, der, der und der.

Der Rote ist dran schuld.

Der schlug wie ein Berserker schier;

Da nützte riesig wenig mir
Des Liberalen Luid.

Der, der, der und der.

Der Liberale hätt' —

Wie sich's gezieint für solchen Lerrn —
Mich für sein Leben gar zu gern
Gerettektettettet.

Das, das, das und das
Negieren ist vorbei.

Dieweil der Hellen Sachsen Schar
Noch Heller als gewöhnlich war.

Es ist 'ne Schweinerei!

Ihr, ihr, ihr und ihr,

Ihr Brüder im weiten Reich,

Merkt auf: gleichviel, welch Wahlrecht,

Ob Klassen-, ob Pluralrecht —

Jetzt trifft's uns alle gleich! P. E.

Ein politischer Mord!

Es war ein sehr schöner Spätherbsttag, als
Metzgermeister Schulze an die Himmelspforte
klopfte.

„Nanu, der Schulze!" meinte Petrus stau-
nend, öffnete das Tor und führte den Metzger-
meister vor den ewigen Richterstuhl.

Der Herrgott musterte den Ankömmling,
klopfte die Pfeife aus und hielt die übliche
Ansprache: „Damit du's gleich weist, Ferdinand
Schulze, du warst nicht schlechter wie die an-
deren, aber besser erst recht nicht. Und wenn
ich alles verzeihen soll, was du an deinen
Mitmenschen gesündigt, mußt du allen ver-
zeihen, die gegen dich fehlten. Willst du das?"
„Ja, det heeßt: alle» »ich — —"

„Aber Schulze!" Der Herrgott stampfte mit
der Pfeife auf — „du hast deinen Lehrling
geschunden, hast deinen kranken Gesellen auf
die Straße gesetzt, hast schlechtes Fleisch in die
Wurst gehackt, hast beim Skat gemogelt — und
du willst anderen nicht verzeihen?"

„O ja, bloß nicht allen-" murrte Schulze

dickköpfig.

Da stellte der Herrgott seine Pfeife beiseite.
„So etwas an Verbitterung ist lange nicht
mehr vor meinen Stuhl gekommen! Wer hat
denn so ganz unverzeihlich an dir gehandelt?"

„Der schwarz-blaue Block!" kam es rauh
aus der Metzgerkehle.

„Der schwarz-blaue Block?" fragte der Herr-
gott gedehnt, „ach so — du meinst den Schnaps-
block! Na ja, allerdings. Er hat dich fürchter-
lich mit Steuern geschunden-"

„Ach, wenn's bloß det wäre-" Schulze

lächelte fast.

Der Herrgott horchte verwundert auf: „Hat
er vielleicht dein Geld schon wieder zu neuen
Kriegsschiffen verpulvert?"

„Det weeß ick nich; det is mir ooch immer
wurscht jewesen", sagte der Metzger und lächelte
sein wurschtigstes Lächeln.

„Oder hat er dich gar mit reaktionären
Gesetzen geknebelt?"

„Det weeß ich ooch nich, det wär' mir jleich
janz schnuppe jewesen." Und Schulze schnitt
sein gleichgültigstes Gesicht.

„Zum heiligen Blitz nochmal!" fuhr jetzt
der Herrgott auf, „was hat er an dir nun
eigentlich Unverzeihliches verübt?!"

Da wurde auch Schulze furchtbar ernst: „Der
Schnapsblock hat mir um mein Leben jebracht!"

Staunen bei Petrus, Staunen bei den Engeln,
Staunen bei den Seraphinen. Bis der Herr-
gott wieder zu sich kommt: „Der Schnapsblock
— dich ums Leben gebracht? Dich, so'n ge-
duldiges Schaf? Wieso denn?"

In Schulzes Stirn grub sich eine furchtbare
Falte, seine Fäuste ballten sich, seine Brust
rang nach Atem und aus dem Halse kam es

röchelnd: „Er hat mir mein Bier verteiert-"

—R. Grötzsch.

Zentrumsstimmung.

„Ich mein'alleweil, Hochwürden, wir hätten
grade damals, wo's auf den Herbst ging, unsre
Schäflein nicht so ratzekahl scheren dürfen!"

„Aber warum denn nicht?"

„Weil sie davon jetzt alle verschnupft sind!"

Berliner Interpunktion.

„De Reichspolletik is jarnich so schwer zu
kapieren! — Erst kommt det nationale Frage-
zeichen; dann kommen de staatsbürjerlichen
Jedankenstriche, un zum Schluß kommt alle-
mal det Steierausrufungszeichen. Na, un so
jetzt de Kiste eejal weiter, bis det de Welt-
jeschichte eenes scheenen Dages sagt: nu machen
Se aber jefälligst'n Punkt!!"

Beamtenorganisationsstatut.

Entwurf des preußischen Ministeriums des Inner».

8 1. Den Beamten ist gestattet, sich zu orga-
nisieren.

8 2. Die pp. Organisationen haben den
Charakter geselliger Zusammenkünfte auf dem
Boden einer christlichen Weltanschauung und
bezwecken die Pflege der Berufsfreudigkeit im
Blumentopf der Treue zu Kaiser und Reich
respektive König und Staat.

ßZ.Sieunterliegendaherdenvompreußischen
Herrn Kultusminister sub 3785 B/09 Deckblatt
IIIc herausgegebenen Vorschriften betreffend
die Abhaltung regelmäßiger Kaffeekränzchen
an den höheren Töchterschulen Preußens.

8 4. Die Versammlungen haben sich vorzugs-
weise mit Vereinsangelegenheiten zu beschäfti-
gen. Gemeinsamer Klatsch und gegenseitige
Stänkeret wird bis auf Widerruf gestattet.
Wünsche hinsichtlich des Rausschmisses gewisser
Mitglieder sind mit genauer Angabe von Grün-
den der Vorgesetzten Behörde zu unterbreiten,
welche dieselben eingehend prüfen wird.

tz 6. Berufliche Wünsche sind vor ihrer Er-
örterung der Vorgesetzten Behörde einzureichen,
ivelche sie wohlwollend zu den Akten legen
wird. Jede Erörterung von Besoldungsfragen
hat man dabei grundsätzlich zu vermeiden!
Es ist nachdrücklichst darauf zu achten, daß
der niedrige Geldstandpunkt mit dem point
ä'llonnsur eines kaiserlichen respektive könig-
lichen Beamten in keiner Weise vereinbar ist.

8 6. Zuividerhandlungen ziehen, falls das
Kündigungsverhältnis keine schärfereMaßregel
erlaubt, sehr erhebliche Geldstrafen nach sich.

Die Zentrumsherde.

In einer Zentrumsversammlung in Nicderbayern er-
klärte der Pfarrer die neuen Steuern für eine Schickung
Gottes, die jeder gute Katholik gern und willig tragen
mllste. Aus der Versammlung ertönte kein Widerspruch.

Ist »och so zahm und noch so friedlich
Und noch so fromm ein Quadruped,

Er wird gehörig ungemütlich.

Sobald er ihm ans Futter geht.

Das liebe Zentrumsvieh indeffe».

Das blöde auf zwei Beinen hopst.

Es leckt die Land, die ihm das Fressen
Aus Futtertrog und Krippe mopst.

Lerrgott im Limmel, Hab' Erbarmen,

Und schicke uns ein gnädig Licht,

Das diesen mehr als geistig Armen

Die harte Schädelwand durchbricht! Uno.

Titelhandel in Preußen.

„Achtzigtaufend Mark für den Kommerzienrat ist mir
etwas zu viel in meinem Alter! Ich kann jeden Tag
die Augen zumachen und dann . . ."

„Nu. wir find loulant! Bevor Sie's irgendwo in Süd-
deutschland machen lassen, sagen wir sechzigtauseud!"
 
Annotationen