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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0424
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-•* 689i *-•

6^ nolielfpätic. eT

Nun kriegt auch China ein Parlament
Und eine richt'ge Verfassung am End'.

Und alle Edlen packt die Sorg':

Nun kömmt sie wohl auch — nach Mecklenburg?

Kraust nicht die Stirn! Habt keine Bange!
Fragt nur Fritz Reuter! Der wußte es lange!
„Dat ginge wohl; doch geiht dat »ich;
Datliddja, dat lidd ja—dieRidderschaftnich!!"

In Berlin ist ein „Bund für Höflichkeil"
begründet worden. Der Bund der Landwirte
Und die antisemitische Partei ist ihm in corporö
beigetreten. Kardinal Kopp soll Noch schwanken.

* * *

Auf dem Scharsmacherjahtmarkt wird aus den Moabiter Vorgängen
so eifrig Kapital geschlagen, daß dem Vertreter der Anklage bereits
das Trommelfell geplatzt ist.

* * *

BethmaUn Holliveg macht sein bestes Geschäft als Nechtsanwalt
des „eigenen Rechts" der Hohenzollern.

* * *

Wenn der Schnapsblock von den „verbündeten Regierungen" redest
so meint er die Regierungen, die mit ihm verbündet sind.

Das Zentrum verhält sich abwartend. Denn es hat nicht bloß feste
Grundsätze, sondern auch feste Preise.

Der preußische Minister für Ackerbau und Viehzucht empfiehlt
dringend die nahrhafte Pflanzenkost. Wer solchen Kohl gut verdauen
kann, ist allerdings für sie reif!

Der Ruck nach links ist allmählich so stark geworden, daß selbst den
Spießbürgern die Schlafmütze vom Kopfe fällt.

Wenn die Polizei vor Gericht ins Gedränge kommt, wartet sie bloß
noch auf das Kommando zum Blankziehen der Schwurfinger.

Ihr getrener Säge, Schreiner.

Lakai: Bitte, treten Sie näher!

Wethnachtsengel: Und alle die armen Leute?

Lakai: Für die stelle ich morgen den Mülleimer vor die Tür!

der weitznachtFengel.

Zeichnung von E. Erk.

kleihnachtsgaben.

Itsch tzsnr siopten.

Lieb Seelchen, lass das Tragen sein:

Aas wird das Christkind bringen?

Uiel Eiapopeia und Triedensschaimein
Und Reden vor allen Dingen!

Beschlossene grenzen trotz Stirnerunzeln
Und trotz dem knurrenden Magen —

Der Blauen Seufzer — der Roten Schmunzeln —
Lieb Seelchen, lass das Tragen!

Berliner Polizei.

3m Moabiter Prozeß erklärte der Polizeimajor
Klein, daß ihm von den behaupteten zahlreichen Aus-
schreitimgeu der ihm unterstellteil Beamten keinerlei
Meldungen gemacht ivorden seien.

Durch diese ebenso merkwürdige wie bedanerlickie
Unterlassungssünde der Schutzleute erklärt es sich,
weshalb die höheren Polizeioffiziere von alledem,
was in Moabit tatsächlich passiert ist, eine so minimale
Kenntnis hatten. Um dem Übelstaude für die Zukunft
abzuhelfen, hat, wie wir hören, das Berliner Polizei-
präsidium jetzt folgende strenge Dieustvorsdirist er-
lassen:

„Diejenigen Kriminalbeamten, Waditineister und
Schutzleute, die Jid; tu oder außer dem Dienst irgend-
welche grobe Übergriffe, brutale Beleidigungen,
rohe Mißhandlungen friedlicher Bürger oder sonstige
Vergehen oder Verbrechen zuschulden kommen lassen,
haben darüber ihren direkten Vorgesetzten sofort eine
ausführliche mündliche oder schriftliche Meldung zu
erstatten."

Durch diesen Erlaß hofft das Polizeipräsidium
nicht nur in einwandfreier Weise für eine zuver-
lässige Information der höheren Beamte» Sorge
getragen, sondern cutd) alle wünschenswerten Garan-
tien für ein absolut korrektes Verhalten der Schutz-
inannschaft gegeben zu haben.

Äofjagd.

Eichwald, ragend zur Äiininelsfeste.

Seine Kronen schließen sich dicht.

Durch die grau bereiften Aste
Tropft das goldene Morgenlicht.

Rehe und Lirsche, zusainmengetriebe»,
Röhren angstvoll; es scharren die Äuse.
Durch die Flocken, die stöbern und stieben,
Klingen Lörner und Iägerruse.

„Weidmanns L>eil!". . . Devotester Gruß!
Ins dichte Rudel der vorwärts Gehetzten
Aus sicherer Warte trifft Schuß um Schuß
Jedes, bis auf die zögernden Letzten.

Mützenschwenken beim Iägertroß.

Das Äallali klingt durch die Fluren:

Man zählte die Strecke und Loheit schoß
An dreihundert Kreaturen!

Leer die Stätte. Die Sonne sendet
Ihren goldenen Strahlenpfeil.

Wundes Getier verröchelt, verendet.. .
Fernher hallt das „Weidmannsheil!" P.E.

Lieber Jacob!

Der Reichstag hat ooch wieder seine Quassel-
bude uffjemacht. De Wahlen stehen ja nu vor de
Türe un det Freibillet nach Berlin is 'ne Sache.
Da mag manch eener von de staatserhaltende
Sorte denken: „Mache dir beizeiten popelär,
sonst machen dir deine Wähler >vat uff't Hack-
brett un du kannst de nächsten Winter, statt dir
uff de Friedrichstraße zu amisieren, zu Hause
bei Mttttern uff de Ofenbank fitzen. Aber wie
wachste dir heitzutage in Deitschland am sicher-
sten popelär? Indem det de de Rejierung uff'n

Kopp spuckst! Also spucke de Rejierung uff'n
Kopp, nach de Wahlen kannste ja denn allens
wieder jut machen!" Un et schien mir ooch
schon recht vielversprechend loszujehen. Uff de
Tagesordnung von de erste Sitzung stand jleich
obenan: „Die Beseitigung von Kadavern."
Wie ick det in de Zeitung las, freite ick mir
un dachte: aha, siehste woll, dachte ick, nu wird
et Theobald'n an't Leder jehn un nu soll end-
lich mal mit det preißesche Wahlrecht, un mit
de ajrareschen Liebesjaben, un mit den Jottes-
jitadenmumpitz, tut mit de Vieh- un Jetreide-
zölle, un mit de Jesindeordnung, un mit den
Majestätsbeleidijungsparajrafen, un mit de
Milletärjerichtsbarkeit, un mit all dem ollen
stinkijen Luderkram uffjereimt werden! Aber
ivat ick dachte, kam leider nich: et war in de
janze Sitzimg man bloß von den Abdeckerei-
betrieb de Rede.

Dajejen habe ick aus de Verhandlungen ieber
de Keenijsberjer Kaiserrede 'ne jroße un ehr-
furchtsvolle Bewunderung for Theobald'n un
seine schwarzblauen Vorjesetzten jewonnen.
Also wat der deitsche Kaiser sagt, da braucht
sich der Keenig von Preißen nich in't jeringste
nach zu richten, un wat der eene verspricht,
det braucht der andere nich zu halten, un ieber-
haupt is im November 1908 janischt nich ver-
sprochen worden! Nu brat mir eener 'n Storch,
aber eenen von Jottesjnaden, un de Beene
recht knusperig! Un nu verstehe ick ooch, woso
der zweete Vize-Schulze von de Schwarzblauen
neilich in de Sitzung feststellen konnte, det det
Wort „Unwahrheit" for die Herren als keene
Beleidijung nich jetten tut. Na Jott stärke!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Nauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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