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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0428
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6895

Zeichnung von M. Vanselow.

später erzählte, hatte eine groß karrierte Hose
eines Zweizentner-Kommerzienrats erwischt,
und beim Anproben zeigte es sich, daß der
ganze Kerl in einem Hosenbein hätte Platz
finden können. Gerade als darüber ein fürch-
terliches Gelächter anhub, betrat ein gutge-
kleidetcr Herr das Freindenzimmer. Es trat
nun eine Verlegenheitspause ein. Der Mann
erfaßte sofort die Situation und meinte, wir
sollten uns nur nicht stören lassen. Wir setzten
uns jedoch gleich um den Tisch, und der
Ankömmling packte ein mitgebrachtes Paket
aus. Unter einigen Fragen über „Woher" und
„Wohin" an einige von uns wurde der In-
halt des Pakets sichtbar: Zigarren, Kautabak,
kurze Pfeifen und — Fußlappen! Hierauf er-
zählte uns der Mann, daß er früher selbst
viele Jahre in der Welt herumgewandcrt und
manchen Weihnachtsabend in der Herberge
zugebracht hat. Jetzt habe er hier in Plön
sein gutes Auskommen als Meister gefunden.
Am Weihnachtsabend denke er darum an die
Handwerksburschen und bereite ihnen einekleine
Freude. Darauf erhielt jeder von uns ein hal-
bes Dutzend Zigarren, zwei Rollen Kautabak,
eine Pfeife, nebst etwas Tabak, zwei Paar leinene
Fußlappen und — ein blankes Markstück.

Groß war unsere Freude.

Zum Schluß teilte der Wohltäter noch mit,
daß wir auf seine Rechnung je zwei Glas
Bier trinken dürften, und verließ uns. Unter
Dankesworten begleiteten wir ihn aus dem
Zimmer.

„Um etwas möcht' ich euch noch bitten,"
sagte er beim Weggehen, „setzt das Geld nicht
in elenden Fusel um, sondern kauft euch dafür
was Kräftiges zum Essen."

Währenddessen hatte der Vater die Lichter
der kleinen Tanne, die bis dahin unscheinbar
in der einen Ecke des Fremdenzimmers ge-
standen, angezündet und brachte uns Bier.
„Schlafgeld will ich heut nicht abnehmen,"
sagte er noch.

Ab und zu verschwand einer der älteren
„Ritter von der Landstraße", um aus einer
Destille „einen in der Finne"' zu holen, denn
sie konnten das Schnapsen nicht lassen. Der
Vater ivollte an diesen: Abend absolut keinen
Schnaps verkaufen. Das war recht von ihm.

„Na, wie hat's dir gefallen?" fragte ich meinen
Neisekollegen, als wir unsere „Sänftchen"^ be-
stiegen hatten.

„Ich wollt', es wär' jeden Tag auf der
Walz' Weihnachtsabend," sagte er, „und meine
Trittchen machen's halt wieder a Weil'!" —

Die Erinnerung ist eine Schönfärberin von
Provision, sagt man gewöhnlich. Das ist nicht
immer der Fall. So zum Beispiel hat die vor-
stehende Wandererinnerung den Vorzug, daß
sie unverschönert wiedergegeben wurde.

1 Schnaps in der Flasche. 2 Betten.

Lhriltbelcherung.

Unne Kinderchen mit ihren Müttern
Schauen ängstlich unci verwirrt herum —
fluk den Weihnachtsbaum mit bunten füttern,
Puf ein suserielnes Publikum.

Schöne frau’n in lichten Seidcnroben
Und geschmückt mit goldnen Retten schwer
Sitzen dort. Die Herrn — man muh es loben —
kamen gar im schwarzen Frack daher.

Und ein braver Pfarrer säuselt eben
wunderbare Worte salbungsvoll:

Oah man einerseits in Liebe geben,
flndrerkeits in Demut nehmen sott.

führet dann die Kinder zu der langen
weihnachtstakei in des Saales Witt';

Und die Uäd)ktentiebe kommt gegangen.
Schellenläutend Im Paradeschritt.

Und der Herr Protektor dieser Feier
— hochgeboren — spendet dann mit Schwung
Der Frau Rätin (vierter Malle) Meier
Ivarme Worte der Befriedigung.

Überhaupt ist man im allgemeinen
Don der Sache innerlich erbaut; —

Und wie süh es austah, als die Meinen
Immer to verwirrt herumgetchaut!

Pndrerfeits gerät man in ekftafe,

Pis man heimwärts übers Pflafter trabt,

Dah die Meiern, Rätin vierter Malle,

Solch ein tabeihaftes Otück gehabt.-

C.Ceopold.

„Meine Mama hat mir zu Weihnachten eine Puppe
und ein kleines Brüderchen gekauft."

„Wir haben nicht soviel Geld, wir machen das alles
selbst."
 
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